Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Klage von nicht berücksichtigten Bewerbern gegen Entscheidungen der Zulassungsgremien über Zulassungen zur Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit. sog offensive Konkurrentenklage. Ausschreibungsvoraussetzungen. Bindung an Vorgaben der Krankenhausplanung
Orientierungssatz
1. Entscheidungen der Zulassungsgremien über Zulassungen zur Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit nach § 103 Abs 7 SGB 5 können von nicht berücksichtigten Bewerbern aus dem Kreis der bereits zugelassenen Vertragsärzte nicht nach Maßgabe der für sog defensive Konkurrentenklagen geltenden Grundsätze angegriffen werden. In Betracht kommt allein eine sog offensive Konkurrentenklage.
2. Unerlässliche Voraussetzung der Ausschreibung ist ein transparentes, allen Bewerbern gegenüber gleiches Anforderungsprofil der konkreten belegärztlichen Tätigkeiten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht sowie die Angabe von Kriterien für die Auswahlentscheidung. Dem würde es nicht entsprechen, wenn die maßgeblichen Kriterien derart speziell wären, dass sie allein von einer bestimmten - nämlich der vom Krankenhausträger favorisierten - Person erfüllt werden könnten (vgl BSG vom 2.9.2009 - B 6 KA 27/08 R = SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 33). Diese Vorgaben sind nicht allein bei den Verhandlungen mit Bewerbern zu berücksichtigen, sondern ihnen muss bereits die diesen vorausgehende Ausschreibung und das darin beschriebene Anforderungsprofil entsprechen, da das Aufstellen eines Anforderungsprofils bereits eine Maßnahme der Vorauswahl darstellt (vgl BSG vom 2.9.2009 - B 6 KA 27/08 R aaO).
3. Die Zulassungsgremien sind bei Entscheidungen nach § 103 Abs 7 SGB 5 an die Vorgaben der Krankenhausplanung gebunden (vgl BSG vom 28.1.2009 - B 6 KA 61/07 R = BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1 RdNr 24).
Normenkette
SGB 5 § 103 Abs. 7 Sätze 1-2; SGG § 54 Abs. 1 S. 2; KHG §§ 6, 8 Abs. 1 S. 3; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7. im Revisionsverfahren, der Beigeladenen zu 2. bis 7. im Berufungsverfahren sowie der Beigeladenen zu 2. bis 8. im Verfahren vor dem Sozialgericht.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 328 800 Euro festgesetzt..
Gründe
I. Im Streit stand die dem zu 1. beigeladenen Facharzt für Chirurgie erteilte Sonderzulassung zur Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit an der chirurgischen Belegabteilung des Krankenhauses M. Das Krankenhaus M., dessen Träger die Beigeladene zu 8. ist, verfügt nach dem Krankenhausplan über 78 Planbetten; davon entfallen 22 Betten auf die chirurgische Belegabteilung, die zum 1.10.2000 durch Umwandlung aus der bis dahin betriebenen chirurgischen Hauptabteilung hervorgegangen ist. Für den Planungsbereich Landkreis L., zu dem M. gehört, sind für die Arztgruppe der Chirurgen Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung angeordnet.
Auf eine von zwei vom Krankenhaus M. ausgeschriebenen Belegarztstellen für die chirurgische Belegabteilung bewarben sich sowohl der seit 1999 als Facharzt für Chirurgie in M. zugelassene Kläger als auch der Beigeladene zu 1. Gesucht wurde ein/e Facharzt/-ärztin für Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung "Orthopädie/Unfallchirurgie" oder "spezielle Unfallchirurgie" mit langjähriger operativer Erfahrung und aktuellen Kenntnissen in der Endoprothetik des Schulter-, Knie- und Hüftgelenks. Die Beigeladene zu 8. schloss mit dem Beigeladenen zu 1. am 6.4.2010 einen Belegarztvertrag. Den Antrag des Beigeladenen zu 1., ihm eine Belegarztsonderzulassung nach § 103 Abs 7 SGB V zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss ab. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 1. ließ ihn der beklagte Berufungsausschuss mit Bescheid vom 29.8.2011 (aus der Sitzung vom 6.4.2011) zur vertragsärztlichen Versorgung zu. Der Kläger sei nicht als Partner eines Belegarztvertrages in Betracht gekommen, da er weder über die geforderten Qualifikationen noch über langjährige operative Erfahrungen in der Endoprothetik des Schulter-, Knie- und Hüftgelenks verfüge.
Während seine Klage erfolglos blieb (Urteil des SG vom 11.5.2012), hat das LSG auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben (Urteil des LSG vom 20.11.2013). Der Kläger sei anfechtungsberechtigt, da er sich auf die ausgeschriebene Belegarztstelle beworben habe und im Bewerbungsverfahren gegenüber dem Beigeladenen zu 1. unterlegen sei. Der Beklagte habe dem Beigeladenen zu 1. zu Unrecht eine Sonderzulassung als Belegarzt erteilt; es fehle bereits an der ordnungsgemäßen Ausschreibung der Belegarztposition. Das vom Krankenhaus M. gewählte Anforderungsprofil sei seinem Spezialisierungsgrad nach zu eng gefasst mit der Folge, dass den niedergelassenen Fachärzten für Chirurgie von vorneherein die - realistische - Möglichkeit einer erfolgreichen Bewerbung verschlossen geblieben sei. Damit verstoße bereits die Ausschreibung der Belegarztstelle gegen den nach § 103 Abs 7 SGB V grundsätzlich zu beachtenden Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte. Über die geforderte langjährige Operationserfahrung in Endoprothetik der großen Gelenke einschließlich aktueller Kenntnisse hierzu werde regelmäßig nur ein klinisch tätiger Krankenhausarzt oder ein bereits als Belegarzt tätiger niedergelassener Chirurg verfügen, nicht jedoch ein schon lange niedergelassener Facharzt für Chirurgie. Derartige Eingriffe seien dem Kernbereich der Krankenhausleistungen zuzuordnen. Dies spreche dafür, dass diese Behandlungen nicht belegärztlich durchgeführt werden dürften. Das Ziel des Gesetzes, die Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit zu fördern und gleichzeitig einen Anstieg der Überversorgung zu verhindern, erfordere, dass die belegärztliche Tätigkeit grundsätzlich ein Spektrum umfasse, das von niedergelassenen Ärzten des jeweiligen Fachgebietes auch ausgeübt werden könne.
Hiergegen hat die Beigeladene zu 8. Revision eingelegt. Es bestehe schon keine Konstellation einer offensiven Konkurrentenklage. Das LSG begründe zudem seine Annahme nicht näher, die beschriebene Endoprothetik des Schulter-, Knie- und Hüftgelenks gehöre nicht zum Behandlungsspektrum niedergelassener Chirurgen. § 103 Abs 7 SGB V diene der Sicherung der belegärztlichen Versorgung in Belegkrankenhäusern bzw Belegabteilungen und enthalte keinerlei Vorgaben oder Einschränkungen in Bezug auf das angebotene Leistungsspektrum. Der Kläger sei an der Übernahme der Belegarzttätigkeit bei ihr nicht ernsthaft interessiert und seiner Qualifikation nach zur Ausübung dieser Tätigkeit auch nicht in der Lage. Es sei ihm von Anfang an ausschließlich um eine Blockademöglichkeit gegen die Belegarztzulassung des Beigeladenen zu 1. gegangen. Der Beklagte hat sich dem Vorbringen der Beigeladenen zu 8. angeschlossen. Der Kläger hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Der Kläger hat kurz vor der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und dies damit begründet, dass er (mit Wirkung zum 30.9.2014) auf seine Zulassung als Vertragsarzt verzichtet habe. Der Beklagte sowie die Beigeladene zu 8. haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Der Kläger beantragt, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten und/oder der Beigeladenen zu 8. aufzuerlegen; die Beigeladene zu 8. beantragt ihrerseits, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Die Beteiligten sind zum Streitwert angehört worden.
II. 1. Nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 161 Abs 2 VwGO entscheidet im Falle der Erledigung der Hauptsache das Gericht durch Beschluss nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Dabei ist, wie § 161 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO klarstellt, vor allem die bisherige Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen, dh welcher der Beteiligten ohne das zur Erledigung führende Ereignis (hier: der Zulassungsverzicht des Klägers) voraussichtlich obsiegt hätte bzw unterlegen wäre; diese Beurteilung erfolgt nach Maßgabe der für solche Kostenentscheidungen anzuwendenden nur summarischen Überprüfung. Zudem können alle Umstände des Einzelfalls herangezogen werden, wie insbesondere der Anlass für die Klageerhebung und auch der Grund der Erledigung, dh wer infolge des erledigenden Ereignisses faktischer Sieger ist (vgl dazu BSG Beschluss vom 19.12.2008 - B 6 KA 14/07 R - RdNr 4; ebenso BSG SozR 4-1500 § 86a Nr 2 RdNr 7; ebenso BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 1.10.2009 - 1 BvR 1969/09 - NZS 2010, 384 RdNr 17). Bei alledem ist auf den Zeitpunkt der Erledigung bzw auf die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor dem Eintritt des zur Erledigung führenden Ereignisses abzustellen (BSG Beschluss vom 19.12.2008 aaO RdNr 4; BSG SozR 4-1500 § 86a Nr 2 RdNr 7).
2. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, da er im Revisionsverfahren voraussichtlich unterlegen wäre:
a. Die vom Kläger erhobene Klage war ungeachtet der Bedenken der Beigeladenen zu 8. zulässig. Entscheidungen der Zulassungsgremien über Zulassungen zur Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit nach § 103 Abs 7 SGB V können von nicht berücksichtigten Bewerbern aus dem Kreis der bereits zugelassenen Vertragsärzte nicht nach Maßgabe der für sog defensive Konkurrentenklagen geltenden Grundsätze angegriffen werden (aa.). In Betracht kommt allein eine sog offensive Konkurrentenklage, die der Kläger hier zulässig erhoben hat (bb.).
aa. Eine allein auf die Abwehr eines zusätzlichen Konkurrenten gerichtete defensive Konkurrentenklage gegen Belegarzt-Sonderzulassungen kommt von vornherein nicht in Betracht, weil die hierfür in ständiger Rechtsprechung des Senat aufgestellten Voraussetzungen (vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 22 ≪vorgesehen≫ RdNr 41) nicht erfüllt sind. Es fehlt an dem Erfordernis, dass der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden "nachrangig" ist. Damit ist nicht das Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen zugelassenen Vertragsärzten und externen Bewerbern bei der Besetzung von Belegarztpositionen (siehe hierzu BSGE 88, 6, 10 = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 41 f) gemeint; vielmehr liegt ein Nachrang im Sinne dieser Rechtsprechung (nur) dann vor, wenn die Erteilung der Berechtigung davon abhängt, dass der Versorgungsbedarf noch nicht durch die bereits dauerhaft in das Versorgungssystem einbezogenen Leistungserbringer gedeckt ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19 ff; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19, 21; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 19; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 22 ≪vorgesehen≫ RdNr 43). Die Vorrangigkeit der Bedarfsdeckung durch die bereits an der Versorgung der GKV-Versicherten beteiligten Leistungserbringer begründet deren "Anfechtungsrecht" (BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 5 RdNr 20 - jeweils zur Anfechtung einer Sonderbedarfszulassung durch Vertragsärzte, die selbst wegen eines besonderen Versorgungsbedarfs zugelassen wurden; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 22 ≪vorgesehen≫ RdNr 45 - zur Anfechtung einer Methodenanerkennung nach § 135 Abs 1 SGB V). Dem steht in Bezug auf die Belegarzt-Sonderzulassung entgegen, dass nicht ein ungedeckter Versorgungsbedarf im Bereich der ambulanten Versorgung Veranlassung dazu gibt, dem ausgewählten Belegarzt eine Zulassung zu erteilen, sondern diese (Sonder-)Zulassung allein deswegen erteilt wird, weil andernfalls die vorgesehene Belegarzttätigkeit in überversorgten Planungsbereichen nicht ausgeübt werden könnte (vgl § 121 Abs 2 SGB V): Den Belegärzten wird eine Zulassung erteilt, obwohl der Versorgungsbedarf gedeckt ist; ein "Bedarf" an der (Sonder-)Zulassung wird allein dadurch ausgelöst, dass ein Krankenhausträger es für sinnvoll hält, eine belegärztliche Tätigkeit auszuschreiben.
bb. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 8. war die Klage des Klägers jedoch als offensive Konkurrentenklage zulässig. Bei einer sogenannten offensiven Konkurrentenklage ist eine Konstellation gegeben, in der mehrere Bewerber um die Zuerkennung einer nur einmal zu vergebenden Berechtigung streiten (BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 8; BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 16). Ein Anfechtungsrecht bzw eine Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG ist gegeben, wenn der Kläger plausibel geltend machen kann und geltend macht, die Auswahlentscheidung sei zu seinen Lasten fehlerhaft (BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 8) bzw er sei als Mitbewerber um eine nur einmal zu vergebende Berechtigung durch die Zulassung eines Konkurrenten in eigenen Rechten verletzt (BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 4). Voraussetzung ist daher, dass der Kläger "Mitbewerber" ist (BSGE 88, 6, 12 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 44; siehe hierzu auch BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 19; BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr 13, RdNr 28).
Dies setzt bei einer Belegarzt-Sonderzulassung voraus, dass sich der Arzt auf die Ausschreibung der belegärztlichen Tätigkeit hin beworben hat (oder zumindest unmissverständlich sein Interesse kundgetan hat) und geltend macht, die vom Krankenhaus ausgeschriebene belegärztliche Tätigkeit ausüben zu können sowie nach seiner Beurteilung zu Unrecht übergangen worden zu sein (BSGE 88, 6, 12 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 44 f). Dies ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass eine förmliche Bewerbung ausreichend ist; vielmehr bedarf es zugleich des Willens, die ausgeschriebene Tätigkeit auch auszuüben (vgl BSGE aaO S 11 = SozR aaO S 43: "an einer belegärztlichen Tätigkeit interessierte Ärzte"). Ein solches Interesse (und damit auch die Möglichkeit einer Rechtsverletzung) fehlt, wenn eine Bewerbung allein zu dem Zweck erfolgt, hierdurch eine verfahrensrechtliche Position zu erlangen. Zwar ergibt sich aus dem Vorrang der niedergelassenen Ärzte eine Prüfverpflichtung der Zulassungsgremien in Bezug auf die Besetzung von Belegarztstellen mit Externen; dieser Prüfverpflichtung stehen entsprechende verfahrensrechtliche Positionen der niedergelassenen Ärzte gegenüber (BSGE 88, 6, 11 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 43 f). Dadurch wird den niedergelassenen Ärzten jedoch keine rechtliche Position als "Hüter ihres Vorrangs" eingeräumt, die sie unabhängig von einer Verletzung eigener Rechte im Ausschreibungsverfahren berechtigen würde, Belegarzt-Sonderzulassungen anzugreifen. Vielmehr ist eine für die Drittanfechtung erforderliche eigene schutzfähige Rechtsposition des klagenden Arztes nur dann gegeben, soweit es um die Wahrung seiner Interessen als Mitbewerber geht.
Hier liegen diese Voraussetzungen - bei summarischer Betrachtung - vor. Ungeachtet der von der Beigeladenen zu 8. aufgezeigten Umstände, die gewisse Zweifel daran begründen könnten, ob der Kläger ernsthaft an einer belegärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus M. interessiert war, haben diese Zweifel kein solches Gewicht, dass sie - mit Blick auf Art 19 Abs 4 GG - eine Versagung des Rechtsschutzes in Form einer offensiven Konkurrentenklage rechtfertigen könnten.
b. Die Revision der Beigeladenen zu 8. wäre jedoch - bei summarischer Betrachtung - deswegen erfolgreich gewesen, weil die Annahme des LSG, es habe bereits an einer ordnungsgemäßen Ausschreibung gefehlt, da kein niedergelassener Arzt die von der Beigeladenen zu 8. ausgeschriebenen Leistungen erbringen könne, dessen Entscheidung nicht trägt.
Nach § 103 Abs 7 Satz 1 SGB V haben Krankenhausträger in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, das Angebot zum Abschluss von Belegarztverträgen auszuschreiben. Kommt ein Belegarztvertrag mit einem im Planungsbereich niedergelassenen Vertragsarzt nicht zustande, kann der Krankenhausträger mit einem im Planungsbereich nicht niedergelassenen geeigneten Arzt einen Belegarztvertrag schließen (Satz 2 aaO). Dieser erhält eine auf die Dauer der belegärztlichen Tätigkeit beschränkte Zulassung; die Beschränkung entfällt bei Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen nach Abs 3, spätestens nach Ablauf von zehn Jahren (Satz 3 aaO). Zweck des § 103 Abs 7 SGB V ist es, die Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit zu fördern und gleichzeitig einen Anstieg der Überversorgung zu verhindern. Um dies zu erreichen, wird das Interesse der im Planungsbereich niedergelassenen Ärzte an der Ausübung auch einer belegärztlichen Tätigkeit mobilisiert. Damit soll verhindert werden, dass das Angebot einer belegärztlichen Tätigkeit zu einer weiteren Steigerung der Überversorgung führt, und weiterhin, dass die belegärztliche Tätigkeit als Durchgangsstation für die Erlangung einer Zulassung missbraucht wird (BSGE 88, 6, 10 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 42 ff; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 23 ff; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 29 ff, jeweils unter Hinweis auf Ausschussbegründung zu Art 1 Nr 27d des 2. GKV-NOG, BT-Drucks 13/7264 S 67). Die Kontrolle, ob das Verhalten des Krankenhausträgers bei der Zulassung eines externen Bewerbers den Vorgaben des § 103 Abs 7 SGB V entspricht, obliegt den Zulassungsgremien. Diese haben zu prüfen, ob der Krankenhausträger die belegärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß ausgeschrieben hat und ob er den sich aus § 103 Abs 7 Satz 2 SGB V ergebenden Anforderungen an das Besetzungsverfahren entsprochen hat, insbesondere, ob sich außer dem externen Bewerber auch im Planungsbereich bereits niedergelassene Vertragsärzte um die Tätigkeit als Belegarzt beworben haben und ob ein Belegarztvertrag mit dem bzw den internen Bewerber(n) aus nachvollziehbaren Gründen nicht zustande gekommen ist (BSG aaO).
Das LSG hat zu Unrecht das Anforderungsprofil der Ausschreibung deswegen als rechtswidrig angesehen, weil die ausgeschriebenen Leistungen von keinem niedergelassenen Arzt erfüllt werden könnten. Unerlässliche Voraussetzung der Ausschreibung ist nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 33) ein transparentes, allen Bewerbern gegenüber gleiches Anforderungsprofil der konkreten belegärztlichen Tätigkeiten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht sowie die Angabe von Kriterien für die Auswahlentscheidung. Dem würde es nicht entsprechen, wenn die maßgeblichen Kriterien derart speziell wären, dass sie allein von einer bestimmten - nämlich der vom Krankenhausträger favorisierten - Person erfüllt werden könnten. Diese Vorgaben sind nicht allein bei den Verhandlungen mit Bewerbern zu berücksichtigen, sondern ihnen muss bereits die diesen vorausgehende Ausschreibung und das darin beschriebene Anforderungsprofil entsprechen, da das Aufstellen eines Anforderungsprofils bereits eine Maßnahme der Vorauswahl darstellt (BSG aaO).
Die Ausschreibung der streitgegenständlichen Belegarztstelle entspricht diesen Vorgaben. Weder ist erkennbar, dass das Anforderungsprofil lediglich von einer einzelnen Person - etwa dem Beigeladenen zu 1. - erfüllt werden könnte, noch dass es im Hinblick auf die niedergelassenen Chirurgen "auf etwas Unmögliches gerichtet" (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 34) war. Nach der Senatsrechtsprechung (aaO) müssen zum einen "die in der Ausschreibung genannten Leistungen qualitätsgesichert auch in einer Belegabteilung eines Krankenhauses erbracht werden können". Dies zielt auf Leistungen, die - namentlich wegen ihrer Schwierigkeit in der Ausführung oder wegen zu erwartender Komplikationen - überhaupt nicht in einer Belegabteilung, sondern nur in entsprechenden Hauptabteilungen der Krankenhäuser erbracht werden können. Zum anderen müssen die in der Ausschreibung umschriebenen Leistungsbereiche die "typischen Operationsfelder ärztlicher, namentlich belegärztlicher Tätigkeit in der jeweiligen Fachgruppe" wiedergeben (BSG aaO RdNr 34). Wie der Satzteil "namentlich belegärztlicher Tätigkeit" verdeutlicht, kann dieser Aussage nichts dafür entnommen werden, dass nur Leistungsbereiche ausgeschrieben werden dürfen, die - im Sinne "typischer" Tätigkeiten - von jedem niedergelassenen Arzt der Fachgruppe erbracht werden können. Dem ist der Senat bereits im Urteil vom 2.9.2009 (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 35) entgegengetreten: "Im Übrigen teilt der Senat nicht die Ansicht, das Anforderungsprofil für eine Belegarzttätigkeit müsse stets dem entsprechen, was von niedergelassenen, dem operativen Krankenhausbetrieb seit längerem entwachsenen HNO-Ärzten (noch) geleistet werden kann. Es erscheint nicht von vornherein unzulässig, in ein Anforderungsprofil auch solche Leistungen aufzunehmen, die zwar grundsätzlich belegärztlich, fachlich jedoch allein von noch vor kurzem an einem Krankenhaus operativ tätigen Ärzten mit entsprechender Erfahrung erbracht werden können." Damit hatte der Senat Leistungsbereiche im Blick, in denen sich eine belegärztliche Leistungserbringung erst in jüngerer Zeit durchgesetzt hat.
Andererseits dürfen keine Kenntnisse in Bezug auf Operationen verlangt werden, die "typischerweise" nicht belegärztlich erbracht werden. Maßstab ist damit das, was als belegärztliche Leistung im jeweiligen Fachgebiet typisch ist; ob dies auch für die Fachgruppe insgesamt gilt, ist hingegen ohne Bedeutung. "Typisch" sind Leistungen, deren belegärztliche Erbringung grundsätzlich möglich ist und die auch in nennenswerter Zahl belegärztlich erbracht werden. Dass endoprothetische Operationen der Großgelenke hierzu gehören, kann - jedenfalls im Rahmen einer lediglich summarischen Betrachtung - angenommen werden.
Zu beachten ist auch, dass die Zulassungsgremien bei Entscheidungen nach § 103 Abs 7 SGB V an die Vorgaben der Krankenhausplanung gebunden sind. Das hat der Senat in einem Urteil entschieden, dass zur Ermächtigung einer psychiatrischen Tagesklinik (§ 118 SGB V) ergangen ist. Wenn eine teilstationäre Einrichtung ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs 1 SGB V ist, dürfen die Zulassungsgremien die Krankenhauseigenschaft dieser Einrichtung im Rahmen einer Ermächtigung nicht in Frage stellen (BSGE 102, 219 = SozR 4-2500 § 118 Nr 1, RdNr 24). Dieser Grundsatz gilt auch für die belegärztliche Tätigkeit (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 41 und BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 42 - Bettenzahl; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 6 RdNr 24). Wenn die Krankenhausplanung eines Landes eine Krankenhausabteilung mit 22 Betten für Chirurgie als Belegabteilung - auch - mit der Ausrichtung auf die endoprothetische Versorgung ausweist, dürfen die Zulassungsgremien nicht generell in Frage stellen, dass endoprothetische Eingriffe aus medizinisch-fachlicher Sicht auch in belegärztlich geführten Abteilungen angeboten werden dürfen.
Auch die Annahme des LSG, dass regelmäßig nur ein klinisch tätiger Krankenhausarzt oder ein bereits als Belegarzt tätiger niedergelassener Chirurg über die geforderte langjährige Operationserfahrung in Endoprothetik der großen Gelenke einschließlich aktueller Kenntnisse hierzu verfüge, nicht jedoch ein schon lange niedergelassener Facharzt für Chirurgie, trägt dessen Entscheidung nicht, weil diese Auffassung mit nicht den vorgenannten Maßstäben in Einklang steht. Dass auch endoprothetische Operationen der Großgelenke belegärztlich - dh stationär vertragsärztlich (siehe § 38 Bundesmantelvertrag Ärzte) - erbracht werden, ist Ausdruck einer Entwicklung, die erst in jüngerer Zeit stattgefunden hat. Damit liegt es auf der Hand, dass zur belegärztlichen Durchführung dieser bislang allein in den Hauptabteilungen von Krankenhäusern durchgeführten Operationen insbesondere nur solche Ärzte geeignet sind, die zuvor in entsprechenden Hauptabteilungen tätig waren. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich nunmehr um "typische" belegärztliche Leistungen im dargestellten Sinne handelt.
3. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7. im Revisionsverfahren bzw der Beigeladenen zu 2. bis 7. im Berufungsverfahren ist nicht veranlasst; sie haben im Revisions- bzw im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm mit einer entsprechenden Anwendung des § 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Seine Bemessung erfolgt in Anlehnung an die Festsetzung der Vorinstanz, berücksichtigt jedoch das zum Zeitpunkt der Einlegung der Revision aktuell ermittelbare durchschnittliche Honorar der Fachärzte für Chirurgie (vgl Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2011: 219 200 Euro je Arzt).
Fundstellen
NZS 2015, 476 |
GesR 2015, 629 |