Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Bei der 1986 geborenen Klägerin ist seit ihrem zehnten Lebensjahr eine Epilepsie diagnostiziert. Am 30.9.2003 wurde ein Gehirntumor operativ entfernt. Die Klägerin besuchte bis 2002 ohne Abschluss eine Sonderschule. Von November 2003 bis August 2004 nahm sie an einem Förderungslehrgang teil und leistete dabei auch ein Praktikum bei einem Friseur in G. Ab August 2005 war sie arbeitslos. Seit September 2006 arbeitete sie in einer Werkstatt für Behinderte und in der Folge auch auf ausgelagerten Werkstattarbeitsplätzen. Ihr am 20.3.2017 gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg (Bescheid vom 26.7.2017; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2018).
Im Klageverfahren hat das SG Befundberichte der behandelnden Ärzte und ein neurologischpsychiatrisches Gutachten vom 28.7.2020 eingeholt. Der Sachverständige K hat darin festgestellt, die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, für zumindest drei Stunden arbeitstäglich geistig einfache und körperlich leichte Arbeiten auszuführen. Dieses Leistungsvermögen habe ohne Zweifel schon deutlich vor dem Jahr 2009 bestanden, in dem die allgemeine Wartezeit bei der Klägerin erstmalig erfüllt gewesen sei. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.2.2021). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat ebenfalls einen Rentenanspruch verneint und die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 30.11.2021). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Die Klägerin legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht anforderungsgerecht dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde mit diesem Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung vom 7.3.2022 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert darin die Frage:
"Stellt die Tätigkeit auf einem ausgelagerten Werkstattarbeitsplatz eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes dar?"
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin damit den Anforderungen an die Formulierung einer aus sich heraus verständlichen abstrakt-generellen Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht genügt (vgl dazu BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 mwN). Auch kann offenbleiben, ob sie mit ihrer weiteren Begründung, zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehörten gemäß § 136 Abs 1 Satz 5 SGB IX aF nach Prüfung des Einzelfalles auch ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die Klärungsbedürftigkeit ihrer Rechtsfrage ausreichend darlegt (zu den Anforderungen im Einzelnen vgl BSG Beschluss vom 10.2.2022 - B 5 R 304/21 B - juris RdNr 8).
Jedenfalls ist die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht dargetan. Klärungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Revisionsgericht nach und aufgrund der Zulassung der Revision in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich entscheiden zu können (stRspr; vgl ua BSG Beschluss vom 11.3.2022 - B 5 R 310/21 B - juris RdNr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 9). Hingegen ist Klärungsfähigkeit im Sinne von Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl BSG Beschluss vom 10.8.2021 - B 5 R 154/21 B - juris RdNr 11 mwN). Zur Darlegung der Klärungsfähigkeit ist daher darzutun, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste. Das wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend aufgezeigt.
Maßgeblich dafür, dass das LSG einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente verneint hat, war das Ergebnis der Begutachtung durch K. Dieser hatte in seinem neurologischpsychiatrischen Gutachten vom 28.7.2020 festgestellt, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, für zumindest drei Stunden arbeitstäglich geistig einfache und körperlich leichte Arbeiten auszuführen. Dieses Leistungsvermögen habe ohne Zweifel schon deutlich vor dem Jahre 2009 bestanden, in dem die allgemeine Wartezeit erstmalig erfüllt gewesen sei (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 3, Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI). Aus welchen Gründen über die aufgeworfene Frage zur Tätigkeit auf einem ausgelagerten Werkstattarbeitsplatz durch das Revisionsgericht noch zu entscheiden wäre, obwohl ein solcher nach ihren eigenen Angaben, erst "so ab dem 4.12.2008" besucht wurde, erläutert die Klägerin nicht. Das LSG hat lediglich ergänzend auf diese Tätigkeiten Bezug genommen ("hiergegen spricht auch nicht"). Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
Die bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretene Klägerin hat schon nicht vorgetragen, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag vor dem LSG gestellt und bis zuletzt daran festgehalten zu haben (zum Aufrechterhalten eines Beweisantrags nach Anhörung zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG vgl BSG Beschluss vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7; BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 5 R 22/18 B - juris RdNr 20 ff). Dem genügt ihr Vorbringen nicht, es sei "angeregt" worden, ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG zu der Frage einzuholen, seit wann bei ihr von einem mit Blick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aufgehobenen Restleistungsvermögen auszugehen sei. Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss vielmehr aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO) und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden sollte und dass es sich damit seinem Inhalt nach nicht nur um eine Beweisanregung gehandelt hat. Zudem muss sich der Beweisantrag im Rentenverfahren möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen (vgl BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6). Aus welchen Gründen nach der Begutachtung durch K noch weiterer Aufklärungsbedarf zum Gesundheitsbild und dem daraus folgenden Leistungsvermögen bestanden haben könnte, legt die Klägerin nicht näher dar.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gasser Hannes Körner
Fundstellen
Dokument-Index HI15285374 |