Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 01.03.2023; Aktenzeichen S 10 R 1616/20) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 06.07.2023; Aktenzeichen L 14 R 126/23) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Juli 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der 1967 geborene Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte lehnte seinen Rentenantrag vom 11.12.2019 auf der Grundlage der beigezogenen Befundberichte und weiteren medizinischen Unterlagen ab (Bescheid vom 23.4.2020; Widerspruchsbescheid vom 11.11.2020). Das SG hat die Klage abgewiesen, nachdem es von Amts wegen ein Gutachten beim Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten S vom 9.2.2022 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 10.5.2022, 29.11.2022 und 10.1.2023 eingeholt hatte sowie auf Antrag des Klägers ein Gutachten beim Psychiater und Psychotherapeuten F vom 2.12.2022 (Urteil vom 1.3.2023). Im dagegen von ihm angestrengten Berufungsverfahren hat der Kläger verschiedene Atteste und weitere Unterlagen vorgelegt. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 6.7.2023 zurückgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien nur bis zum 30.4.2022 gegeben. Bezogen auf diesen Zeitpunkt habe sich keine quantitative Einschränkung des klägerischen Leistungsvermögens für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachweisen lassen. Eine etwaige Verschlechterung seines Gesundheitszustands bleibe ohne Bedeutung für den geltend gemachten Anspruch. Es sei deswegen auch nicht notwendig gewesen, den Kläger erneut medizinisch begutachten zu lassen.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 7.11.2023 begründet hat.
II
1. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht anforderungsgerecht bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Beschwerdebegründung wird den daraus abgeleiteten Anforderungen nicht gerecht.
Der Kläger rügt, das LSG habe seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 Halbsatz 1 SGG) verletzt, indem es von ergänzenden Ermittlungen abgesehen habe, insbesondere der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens und der Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen. Wird eine solche Sachaufklärungsrüge erhoben, muss die Beschwerdebegründung ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgemäßen, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist (stRspr; vgl hierzu und zu den weiteren Anforderungen zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Das ist mit der Beschwerde nicht dargetan.
Der Kläger bezieht sich auf einen Antrag aus seiner Berufungsbegründung vom 31.5.2023, wonach Ermittlungen von Amts wegen anzustellen sowie ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen seien. Damit ist schon die Stellung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags nicht hinreichend dargetan. Hierfür wäre aufzuzeigen gewesen, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO) und mit welchem Ziel im Berufungsverfahren Beweis erhoben werden sollte und dass es sich ihrem Inhalt nach nicht um bloße Beweisanregungen gehandelt habe (vgl zB BSG Beschluss vom 26.11.2019 - B 13 R 159/18 B - juris RdNr 8 mwN). Liegen, wie hier, bereits mehrere Gutachten zum verbliebenen Leistungsvermögen vor, bedarf es zudem besonderer Angaben, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich sein soll (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 105/22 B - juris RdNr 10 mwN).
Ungeachtet dessen zeigt die Beschwerde nicht auf, dass der Kläger bis zuletzt an dem behaupteten Antrag festgehalten habe. Wird, wie hier, aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, ist das dann der Fall, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter wie der Kläger den Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhält oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2020 - B 12 KR 8/20 B - juris RdNr 23; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 18c mwN). Dass das LSG seinen schriftsätzlichen Antrag im Berufungsurteil wiedergegeben habe, behauptet der Kläger schon nicht. Ebenso wenig trägt er vor, dass das Protokoll der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag enthält. Sein Vorbringen, der Antrag sei in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG mit der dortigen Senatsvorsitzenden "diskutiert" worden, vermag die Darlegung eines bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags nicht zu ersetzen. Durch die bloße Erörterung eines Antrags würde ein Beteiligter dem Tatsachengericht nicht unmittelbar vor der Entscheidung ausreichend deutlich signalisieren, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht (weiterhin) für defizitär gehalten wird (vgl zu dieser Warnfunktion des aufrechterhaltenen Beweisantrags zB BSG Beschluss vom 10.3.2023 - B 9 SB 43/22 B - juris RdNr 6 mwN). Gleiches gilt für das Vorbringen des Klägers, er habe in der mündlichen Verhandlung auf den Antrag "hingewiesen".
Falls der Kläger mit seinem Vorbringen, das LSG habe erstmals in der Berufungsentscheidung auf das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bis zum 30.4.2022 abgestellt, eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) in Form einer Überraschungsentscheidung rügen will, wäre auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen zB BSG Beschluss vom 13.4.2022 - B 5 R 291/21 B - juris RdNr 21 mwN). Das Beschwerdevorbringen ist schon nicht schlüssig, wenn der Kläger gleichzeitig vorträgt, die Vorsitzende des LSG-Senats habe in der mündlichen Verhandlungen ausgeführt, wegen der fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen würden keine weiteren Ermittlungen angestellt.
Soweit der Kläger vorbringt, das LSG sei nicht auf sein Berufungsvorbringen eingegangen, ist auch unter diesem Aspekt eine Gehörsverletzung nicht anforderungsgerecht bezeichnet (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen zB BSG Beschluss vom 22.8.2023 - B 1 KR 22/23 B - juris RdNr 15 ff mwN). Der Beschwerdebegründung lässt sich schon nicht ausreichend deutlich entnehmen, konkret welches entscheidungserhebliche Vorbringen das LSG nicht erwogen haben soll.
Indem der Kläger die Überzeugungskraft des Gutachtens des Sachverständigen S infrage stellt, wendet er sich gegen die vom LSG vorgenommene Auswertung und Würdigung der aktenkundigen medizinischen Befundberichte und Sachverständigengutachten. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Vorinstanz (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch von vornherein nicht überprüft werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16226657 |