Verfahrensgang

SG Hamburg (Entscheidung vom 15.06.2016; Aktenzeichen S 9 R 71/13)

LSG Hamburg (Beschluss vom 19.04.2018; Aktenzeichen L 3 R 77/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 19. April 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung an die Klägerin. Mit Beschluss vom 19.4.2018 hat das LSG Hamburg die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG Hamburg zurückgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf eine solche Rente verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2)

oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Dass die Klägerin die Berufungsentscheidung inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Die Klägerin macht ausschließlich geltend, der Beschluss des LSG beruhe auf Verfahrensmängeln (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, Juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG, Juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33, Juris RdNr 23). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33, Juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).

2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht, wenn sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) rügt, weil Gutachten nicht in die serbische Sprache übersetzt worden seien, obwohl sie aus Serbien stamme und der deutschen Sprache nicht mächtig sei.

Entgegen den vorstehend benannten Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels legt die Klägerin die zur schlüssigen Begründung eines solchen Mangels erforderlichen Tatsachen nicht dar. Insoweit fehlt es schon an einer konkreten Bezeichnung der Gutachten, deren fehlende Übersetzung die Klägerin geltend macht. Zudem wäre jedenfalls eine Zusammenfassung der Ergebnisse des jeweiligen Gutachtens erforderlich gewesen, um deren vermeintlich nachteilige Wirkung im Hinblick auf den geltend gemachten Rentenanspruch darzulegen. Schließlich hätte die Klägerin auch detailliert darstellen müssen, wieso die unterbliebene Übersetzung einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) begründen könnte, obwohl § 61 Abs 1 SGG iVm § 184 S 1 GVG bestimmt, dass die Gerichtssprache deutsch ist.

Eines gerichtlichen Hinweises - wie von der Klägerin erbetenen - im Hinblick darauf, ob zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen weiterer Vortrag erforderlich sei, bedurfte es nicht. Die Beschwerdebegründung ging beim BSG erst am 26.7.2018 ein, dem letzten Tag der bereits verlängerten Beschwerdebegründungsfrist. Weiterer Vortrag wäre daher verfristet und nicht zu berücksichtigen gewesen.

3. Die Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels werden ebenfalls verfehlt, wenn die Klägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) rügt, weil das LSG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat.

Wird - wie hier - eine Verletzung des Anspruchs eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so muss auch dargetan werden, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat, um sich selbst rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - Juris RdNr 6). Insofern hätte die Klägerin zumindest darlegen müssen, auf die Mitteilung des LSG von der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt zu haben. An Ausführungen hierzu mangelt es jedoch.

4. Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels schließlich auch nicht, wenn die Klägerin eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) geltend macht.

Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN). Vorliegend fehlt es bereits an der Bezeichnung eines vom LSG nicht befolgten Beweisantrags in der Beschwerdebegründung.

5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13144470

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