Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessbevollmächtigter. Nichtverschulden. Versäumung von Notierung der Revisionsbegründungsfrist. Anforderungen an Verfahrensrüge. Vertragspsychotherapeut. keine Begrenzung der Annahme von Nichteignung oder gröblicher Pflichtverletzung nur auf Fälle strafbaren Verhaltens
Orientierungssatz
1. Fehler von Angestellten sind dem Prozessbevollmächtigten dann nicht zuzurechnen, wenn er die betroffene Aufgabe (hier: Notierung von Revisionsbegründungsfristen) delegieren durfte und die mit der Aufgabe beauftragten Angestellten sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht hat (vgl BSG vom 18.1.2006 - B 6 KA 41/05 R = MedR 2006, 235, 236).
2. Eine Verfahrensrüge, die in das Gewand einer Grundsatzfrage gekleidet wird, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Es müssen aber auch in diesem Fall die besonderen Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfüllt sein (vgl zuletzt BSG vom 22.4.1997 - 11 BAr 3/97 = SozR 3-1500 § 160a Nr 23).
3. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Nichteignung iS des § 21 Ärzte-ZV - oder eine gröbliche Pflichtverletzung - nur im Falle strafbaren Verhaltens angenommen werden dürfte. Solches ist weder dem § 95 Abs 6 SGB 5 noch der dazu ergangenen umfänglichen Rechtsprechung des BSG zu entnehmen. Daraus ist ohne Weiteres zu folgern, dass ein Verhalten, das früher noch nicht strafbar war, durchaus einen so gewichtigen Unwert darstellen kann, dass daraus das Fehlen der Eignung zur Ausübung der Psychotherapie abzuleiten ist.
Normenkette
SGB V § 95 Abs. 6; Ärzte-ZV § 21; StGB § 174c; BGB § 831 Abs. 1 Sätze 1-2; SGG § 73 Abs. 6 S. 6; ZPO § 85 Abs. 2; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Entziehung der Zulassung eines Psychotherapeuten.
Der 1946 geborene Kläger war von 1978 bis 1994 Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas in P. und erlangte 1986 die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz. Ihm wurden sexuelle Übergriffe gegenüber Patientinnen vorgeworfen; sein Arbeitgeber und er einigten sich schließlich auf ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses im Jahr 1994. Danach war er im sog Delegationsverfahren tätig. Im Februar 1999 erlangte er die Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut.
Im Jahr 2005 entzog der Zulassungsausschuss ihm diese Zulassung (Beschluss und Bescheid des Zulassungsausschusses vom 14.9./29.9.2005 ≪mit Anordnung sofortiger Vollziehung≫) .
In dem Bescheid wird unter Anführung zahlreicher Vorwürfe sexuellen Missbrauchs von Patienten und wiederholter Überschreitung der Grenzen zulässiger Behandlungsmethodik - mit der Schilderung insbesondere der Fälle der Frauen D. (1982-87) und H. (1996/1997), aber zB auch derjenigen der Frauen W. (2003/04) und B. (13.2.2004) - unter anderem ausgeführt: Der Entziehungstatbestand, dass die Voraussetzungen für die Zulassung nicht vorlägen bzw nicht vorgelegen hätten, sei gegeben. Der Zulassungsausschuss hätte dem Kläger die Zulassung mangels Geeignetheit gemäß § 21 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) nicht erteilt, wenn er bei der Zulassungserteilung im Jahr 1999 von den Vorwürfen aus der Zeit davor schon Kenntnis gehabt hätte (Bescheid S 7, 8, 10, 15) .
Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde im Februar 2006 gemäß § 153a Strafprozessordnung gegen Zahlung von 3.000 Euro eingestellt.
Der beklagte Berufungsausschuss hat den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung auf das Vorliegen gröblicher Pflichtverletzungen unter Anführung vor allem des Falles W. abgestellt (Beschluss und Bescheid vom 29.11.2005/31.1.2006 ≪mit erneuter Anordnung sofortiger Vollziehung≫) .
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat - wie schon der Zulassungsausschuss - maßgeblich darauf abgehoben, dass im Sinne des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V beim Kläger von vornherein die Voraussetzungen für seine Zulassung nicht vorgelegen hätten (Urteil vom 8.10.2008) . Seine Nichteignung ergebe sich aus seiner Persönlichkeitsstruktur: Diese habe sich insbesondere in dem jahrelangen sexuell geprägten Verhältnis im Fall D. gezeigt (Urteil S 33-37) und im Fall W. bestätigt (aaO S 33 iVm 39 f) .
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zwar ist die Beschwerde zulässig, denn dem Kläger ist wegen der Versäumung der gesetzlichen Frist für die Begründung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (unten 1.) . Die Beschwerde ist aber in der Sache erfolglos. Die Rüge, mit der der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erstrebt, ist unbegründet (unten 2.) . Die erhobenen Verfahrensrügen sind unzulässig (unten 3. und 4.) .
1. Der Kläger hat zwar die zweimonatige Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG) nicht eingehalten. Diese ist - nach der Zustellung des Berufungsurteils an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.3.2009 - am 11.5.2009 (Montag) abgelaufen (§ 160a Abs 2 Satz 1 iVm § 64 Abs 1 und 2 iVm Abs 3 SGG) . Die Beschwerdebegründung ist, nach gerichtlichem Hinweis auf die Fristversäumung (dem Bevollmächtigten zugegangen am 15.5.2009) , erst am 15.6.2009 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen. Dem Kläger ist aber Wiedereinsetzung zu gewähren, denn er hat den Antrag hierauf binnen eines Monats gestellt (§ 67 Abs 2 SGG) und die Frist unverschuldet versäumt (§ 67 Abs 1 SGG) .
Ein dem Kläger zuzurechnendes (§ 73 Abs 6 Satz 6 SGG iVm 85 Abs 2 ZPO) Verschulden seines Prozessbevollmächtigten liegt nicht vor. Diesen trifft kein Verschulden in eigener Person, denn nach dem Sachverhalt, wie er von ihm unwiderleglich vorgetragen wird, nahm er die ihm selbst obliegende Aufgabe der Berechnung der Frist fehlerfrei vor (zu dieser Obliegenheit siehe BSG, Beschluss vom 28.12.1999, SozR 3-1500 § 67 Nr 15 S 43 f; Beschluss vom 28.6.2005 - B 6 KA 21/05 R) . Lediglich die Notierung der Begründungsfrist ist versäumt worden. Dies ist dem Prozessbevollmächtigten nicht als Fehlverhalten zuzurechnen. Denn Fehler von Angestellten sind dem Bevollmächtigten - und damit der Prozesspartei, hier dem Kläger - dann nicht zuzurechnen, wenn er die betroffene Aufgabe delegieren durfte und die mit der Aufgabe beauftragten Angestellten sorgfältig auswählte, anleitete und überwachte (vgl § 831 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 BGB und dazu BSG MedR 2006, 235, 236) . Die Notierung von Fristen, auch der hier in Frage stehenden Revisions(begründungs)fristen, darf der Bevollmächtigte seinen dazu befähigten Angestellten überlassen (vgl BSG SozR aaO S 43). Anhaltspunkte dafür, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers könnte ein Verschulden bei Auswahl, Anleitung oder Überwachung der hier beauftragten Kanzleiangestellten anzulasten sein, bestehen nicht. Der Prozessbevollmächtigte und die Angestellte haben ihre Angaben hinreichend glaubhaft gemacht.
2. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung mehrerer Rechtsfragen geltend macht (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) , sind seine Rügen überwiegend zulässig, aber unbegründet, weil nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung erfüllt sind.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage setzt voraus, dass diese in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3) . Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN) . Die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und die Bedeutung über den Einzelfall hinaus sind nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des vorliegenden Einzelfalls einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG, Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11; Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 53/08 B - RdNr 9) . Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG ≪Kammer≫, SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f) .
Nach diesen Maßstäben haben die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung.
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Bei den drei vom Kläger formulierten Rechtsfragen (hier sinngemäß bzw verkürzt wiedergegeben) |
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ob die Voraussetzungen von § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V, es lägen die Zulassungsvoraussetzungen nicht vor, "mit dem schlichten Hinweis auf eine nicht weiter erläuterte Persönlichkeitsstruktur dargelegt werden können" (Beschwerdebegründung S 11) , |
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ob die Schwere eines Regelverstoßes aus der Sicht im Zeitpunkt des Verstoßes oder nach dem heute geltenden Maßstab zu bewerten ist (Beschwerdebegründung S 12) , |
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ob ein Berufungsurteil in seinem zentralen Bereich allein auf Bekundungen eines Zeugen vom Hörensagen fußen darf, zumal wenn die Vorgänge mehrere Jahrzehnte zurückliegen und der unmittelbare Zeuge erreichbar ist (Beschwerdebegründung S 13) , |
ist in keinem der Fälle die Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung über den Einzelfall hinaus gegeben. Vielmehr mangelt es jeweils an (mindestens) einer dieser Voraussetzungen: |
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a) Die erstgenannte Rechtsfrage betrifft nur den Einzelfall. Ob das Abstellen auf die Persönlichkeitsstruktur ausreichend tragfähig ist, kann nur nach Maßgabe des Einzelfalls entschieden werden: So ist auch die Frage, ob die Ausführungen im angefochtenen Urteil nur einen "schlichten Hinweis auf eine nicht erläuterte Persönlichkeitsstruktur" darstellen, schon nur anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist im Übrigen fraglich, ob hier ein solcher Fall des Fehlens jeglicher Erläuterung überhaupt vorliegt; denn dem Urteil des LSG lässt sich durchaus Näheres dazu entnehmen, was mit dem Gesichtspunkt Persönlichkeitsstruktur gemeint ist (siehe dazu LSG-Urteil insbesondere S 33-37) .
Soweit der Kläger gegenüber der Ableitung seiner Nichteignung für die Ausübung der psychotherapeutischen Tätigkeit aus seiner Persönlichkeitsstruktur einwendet, das LSG hätte zur Annahme eines solchen gravierenden Mangels nicht ohne Heranziehung sachverständigen Rates kommen dürfen, liegt darin eine Verfahrensrüge, die in das Gewand einer Grundsatzfrage gekleidet wird. Dies ist nicht von vornherein ausgeschlossen, es müssen aber auch in diesem Fall die besonderen Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfüllt sein. Erforderlich ist insbesondere die Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung (vgl BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; Nr 23 S 42) . In Fällen, in denen zwar eine gleichartige Konstellation fehlt, aber erkennbar Rechtmäßigkeitsmaßstäbe betroffen sind, zu denen bereits Rechtsprechung vorliegt, muss aufgezeigt werden, dass mindestens ein Aspekt noch der Klärung im Revisionsverfahren bedarf (vgl dazu zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34) .
Diesen Darlegungsanforderungen trägt die Beschwerdebegründung nicht Rechnung. Sie benennt aus der umfänglichen Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit Gerichte sich auf eigene Sachkunde stützen können und inwieweit sie die Stellungnahme eines Sachverständigen einzuholen haben, keine einzige Entscheidung und setzt sich mit der vorliegenden Rechtsprechung nicht auseinander.
Ohne Erfolg beanstandet der Kläger, dass das LSG seine Nichteignung mit mehr als 20 Jahre zurückliegenden Vorgängen begründet, aber nach der Rechtsprechung des BSG eine Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung nur ausnahmsweise auf länger als fünf Jahre zurückliegende Vorgänge gestützt werden dürfe (siehe dazu BSG, Urteil vom 19.7.2006 - B 6 KA 1/06 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 15) und ein Wohlverhalten von fünf Jahren, aus dem sich eine zweifelsfrei positive Prognose ergebe, der Aufrechterhaltung einer Zulassungsentziehung entgegenstehe (vgl hierzu BSG aaO RdNr 18) . Diesem Vorbringen mangelt es schon an der Einbindung in eine ordnungsgemäß dargelegte Beschwerderüge. Zudem geht die Beanstandung des Klägers inhaltlich fehl. Denn das LSG hat die Nichteignung nicht allein mit dem mehr als 20 Jahre zurückliegenden Fall D. begründet, vielmehr zusätzlich darauf abgestellt, dass sich das darin zum Ausdruck kommende Persönlichkeitsdefizit des Klägers später, nämlich im Fall W. (2003/04), erneut bestätigt habe (LSG-Urteil S 39 f) . Zudem seien keine Anstrengungen des Klägers zur Behebung des Defizits zB durch eigene Lehrtherapie, Supervisionsmaßnahmen oÄ erkennbar geworden (aaO S 39, 40) . Soweit der Kläger in seinen nachträglichen Ausführungen vom 27.7.2009 eine unzulässige "Fortschreibung" lange zurückliegender Vergangenheitsvorgänge in die Gegenwart hinein sieht und dafür anführt, dass es im Fall W. gerade an jedem sexuellen Bezug fehle, trifft dies nicht den Kern der Begründung des LSG. Das LSG hat für seine Annahme der weiterhin andauernden Nichteignung des Klägers für therapeutische Tätigkeiten nach dem Kontext seines Urteils bereits allein ausreichen lassen, dass dem Kläger nach den früheren gravierenden Regelverstößen erneut in jüngerer Zeit äußerlich in ähnliche Richtung weisende Fehlleistungen unterlaufen waren. Angesichts dieses Begründungskerns des LSG trifft die Berufung darauf, im Fall W. habe es aber am Sexualbezug gefehlt, nicht den entscheidungserheblichen Punkt.
b) Die zweitgenannte Rechtsfrage ist deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne Weiteres aus den maßgebenden Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt: Es kommt auf die Sicht im Zeitpunkt des Verstoßes an, wie auch der Kläger erkennt (Beschwerdebegründung S 13 oben) .
Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit den Ausführungen des Klägers, damals habe es noch nicht den Straftatbestand des § 174c Strafgesetzbuch gegeben, der sexuelle Beziehungen im Zusammenhang mit einem Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis unter Strafe stellt. Denn es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Nichteignung im Sinne des § 21 Ärzte-ZV - oder eine gröbliche Pflichtverletzung - nur im Falle strafbaren Verhaltens angenommen werden dürfte. Solches ist weder dem § 95 Abs 6 SGB V noch der dazu ergangenen umfänglichen Rechtsprechung des BSG zu entnehmen. Daraus ist ohne Weiteres zu folgern, dass ein Verhalten, das früher noch nicht strafbar war, durchaus einen so gewichtigen Unwert darstellen kann, dass daraus das Fehlen der Eignung zur Ausübung der Psychotherapie abzuleiten ist.
Ob dies so ist, ist nach der Sachlage im konkreten Einzelfall zu entscheiden und einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich. Insoweit fehlt die Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Hierfür reicht nicht aus, dass andere vergleichbare Fälle denkbar sind, in denen sich eine solche Frage auch stellen könnte. Vielmehr müssen solche anderen Fälle konkret vorliegen oder jedenfalls nahe liegen. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
c) Hinsichtlich der drittgenannten Frage des Ausreichens eines Zeugen vom Hörensagen ist die vom Kläger erhobene Grundsatzrüge schon nicht zulässig.
Auch insoweit kleidet der Kläger eine verfahrensrechtliche Problematik in das Gewand einer Grundsatzfrage. Dies ist nicht von vornherein ausgeschlossen (und liegt deshalb vorliegend nicht fern, weil der Erfolg einer Verfahrensrüge problematisch wäre - hierzu siehe unten 3.) . Bei Erhebung einer Grundsatzrüge muss aber, wie ausgeführt, den besonderen Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung entsprochen werden, dh insbesondere, dass die Auseinandersetzung mit der vorinstanzlichen Entscheidung und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung erforderlich ist (siehe oben a) .
Diesen Darlegungsanforderungen trägt die Beschwerdebegründung indessen nicht Rechnung. Sie benennt aus der umfänglichen Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen es erforderlich ist, den sog unmittelbaren Zeugen zu vernehmen, oder inwieweit die Angaben eines "Zeugen vom Hörensagen" ausreichen können, keine einzige Entscheidung, geschweige denn, dass die Beschwerdebegründung sich mit der Rechtsprechung auseinandersetzt. Auch mit den Ausführungen zu dieser Frage im angefochtenen Urteil (LSG-Urteil S 34) befasst sie sich nicht.
3. Soweit der Kläger im Zusammenhang damit, dass das LSG für seine Annahme der Nichteignung in erster Linie den Fall D. herangezogen hat, ausführt, er habe, bezogen auf diesen Fall, deshalb keinen gezielten Beweisantrag gestellt, weil "nicht vorhersehbar" gewesen sei, "dass das LSG das Urteil zentral auf d(ies)en Fall D. stützen wollte" (Beschwerdebegründung S 15) , liegt ebenfalls keine zulässige Rüge vor. Insoweit hat er weder eine ordnungsgemäße Grundsatz- noch eine Verfahrensrüge formuliert.
Von diesem Zulässigkeitsmangel abgesehen, könnte insoweit eine Verfahrensrüge - etwa im Sinne der Rüge einer unzulässigen Überraschungsentscheidung - ohnehin nicht durchgreifen. Denn nachdem schon der Zulassungsausschuss und das Sozialgericht (SG) auch den Fall D. angeführt hatten (Bescheid vom 29.9.2005 S 5 iVm 9 und SG-Urteil S 4 iVm 11 f) , haben der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass auch das LSG auf diesen Fall abstellen werde.
4. Ebenfalls erfolglos sind die vom Kläger erhobenen - den Fall W. betreffenden - Verfahrensrügen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) .
a) Rügen unterlassener Beweiserhebung sind gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zulässig, wenn sie sich auf einen Beweisantrag beziehen, der bis zu den Schlussanträgen in der mündlichen Verhandlung des LSG aufrechterhalten worden ist, und wenn entsprechend den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ausgeführt wird, dass das LSG ihm hätte folgen müssen, ihm aber ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; ebenso zB BSG, Beschluss vom 23.5.2007 - B 6 KA 41/06 B - RdNr 12) .
Dementsprechend unzulässig ist die Rüge des Klägers, das LSG hätte seinem Beweisantrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. N. nachkommen und so eine erneute Stellungnahme zu seinem - des Klägers - Verhältnis zur Patientin W. einholen müssen. Dieses Rügevorbringen erfüllt nicht die dargestellten Zulässigkeitsanforderungen.
Zum einen hat der Kläger den Beweisantrag nicht - wie erforderlich - bis zu den Schlussanträgen aufrechterhalten. Er hat ihn im Berufungsverfahren in der Sitzung vom 27.2.2008 gestellt, aber im Zusammenhang mit den Schlussanträgen, die die Beteiligten erst in der weiteren Sitzung am 8.10.2008 gestellt haben, nicht nochmals gestellt oder wiederholt und auch nicht einmal eine Bezugnahme darauf ausdrücklich zu Protokoll nehmen lassen. Bei einem solchen prozessualen Verhalten rechtskundig vertretener Beteiligter ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Beweisantrag offenbar nicht mehr weiter verfolgt werden soll (so BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5) .
Zum anderen hat der Kläger auch nicht dargetan, dass das LSG dem Beweisantrag "ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt" sei. Er weist selbst darauf hin, dass das LSG im Berufungsurteil (S 39 f) durchaus die Nichtbefolgung des Beweisantrags näher begründet hat. Diese Ausführungen des LSG stellen entgegen der Ansicht des Klägers eine "hinreichende Begründung" dar.
Das LSG hat als maßgeblich angesehen, dass nach der Stellungnahme des Sachverständigen "eine ganz eindeutige Regelverletzung" vorliegt, "wenn die Hand des Psychotherapeuten bei der Überprüfung der Spannung der Unterbauchmuskulatur der Klientin nicht von dieser geführt " wird, und deshalb - auf der Grundlage der aktenkundigen Angaben der Zeugin W. - gefolgert, dass "auf alle Fälle … eine ganz eindeutige Regelverletzung" vorlag (LSG-Urteil S 39 unten) . Das LSG hat dies ausdrücklich ausreichen lassen und weitere - der Zeugin W. möglicherweise nicht mehr so genau erinnerliche - Umstände nicht zusätzlich herangezogen. Insbesondere hat es keinen Anlass gesehen, sich damit zu befassen, ob diese Handlung des Klägers im Fall W. einen Sexualbezug aufwies.
Mit dieser Passage des LSG-Urteils hat sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung zwar befasst (Beschwerdebegründung S 19 oben und S 19 unten) , dabei dem LSG aber die Annahme eines Sexualbezugs unterstellt (vgl aaO S 19 unten, siehe auch S 20) . Hierauf hat das LSG aber, wie ausgeführt, gerade nicht abgestellt, und darauf hat es auch bei seiner Entscheidung, dem Beweisantrag nicht nachzukommen, nicht abgehoben. Dieser Punkt ist mithin für das LSG nicht entscheidungserheblich gewesen, sodass es dazu auch keinen Beweis hat erheben müssen.
Dasselbe gilt, soweit der Kläger auf Widersprüche zwischen früheren und späteren Angaben der Zeugin W. hinweist (siehe dazu Beschwerdebegründung S 17 f) . Dafür, dass diese vom Kläger angeführten Abweichungen insgesamt Anlass zu Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Vorgänge im Fall W. hätten geben müssen, hat weder der Kläger Weitergehendes ausgeführt noch sind dafür greifbare Anhaltspunkte erkennbar.
Mithin stellen die Ausführungen im Urteil des LSG, mit denen es seine Entscheidung begründet hat, den Sachverständigen nicht noch mündlich anzuhören, eine "hinreichende Begründung" dar.
b) Soweit in den Ausführungen der Beschwerdebegründung auch die Rüge anklingt, das LSG habe seine Aufklärungspflicht gemäß § 103 SGG verletzt (Beschwerdebegründung S 20 oben) , ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG eine Verfahrensrüge auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher Fall eines bis zuletzt aufrechterhaltenen und vom LSG ohne hinreichende Begründung abgelehnten Beweisantrags ist gerade nicht gegeben, wie zuvor unter a) ausgeführt worden ist.
5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO) einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 2., die sich im Verfahren beteiligt und auch einen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO) . Eine Erstattung von Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16) .
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz. Sie erfolgt teilweise in Anlehnung an die Festsetzung des LSG (siehe LSG-Beschluss vom 17.4.2009, LSG-Akten Bl 334 f) : Dessen Orientierung am Abrechnungsvolumen des Klägers im letzten Jahr vor der Zulassungsentziehung (89.470,93 Euro) ist angesichts der ausgesprochenen sofortigen Vollziehung sachgerecht. Dabei ist allerdings statt der vom LSG herangezogenen Kostenquote von 50,1 % ein Kostensatz von 40,2 % zugrunde zu legen (vgl BSG, Beschluss vom 17.6.2003 - B 6 KA 33/02 B - juris; vgl auch BSG, Urteil vom 16.7.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr 43, jeweils RdNr 66) . Dies ergibt hochgerechnet auf drei Jahre (hierzu siehe BSG MedR 2006, 236) einen Streitwert von gerundet 160.511 Euro.
Fundstellen