Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen S 14 R 691/18) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.07.2020; Aktenzeichen L 21 R 993/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Übergangsgeld streitig. Der Kläger war ab dem 30.11.2013 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Im Zeitraum vom 28.9.2016 bis zum 9.11.2016 nahm er an einer stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation teil und bezog Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 72,99 Euro. Nach einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme erhielt der Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ab dem 19.3.2018 bezog er erneut Übergangsgeld, berechnet anhand eines fiktiven Arbeitsentgelts, für dessen Bestimmung er der Qualifikationsgruppe 3 (abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf) zugeordnet wurde. Das Übergangsgeld betrug kalendertäglich 39,59 Euro. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG Gelsenkirchen zurückgewiesen und einen Anspruch auf höheres Übergangsgeld verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung nicht formgerecht dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Daran fehlt es hier.
Der Kläger trägt vor, die Regelung des § 68 SGB IX idF vom 23.12.2016 (BGBl I 3234) unterscheide sich grundlegend von den früheren Bestimmungen in § 48 SGB IX. Sein Übergangsgeld werde nicht auf der Basis seines letzten Verdienstes berechnet, sondern auf der Basis von Ansprüchen einer Person, die gegebenenfalls niemals zuvor gearbeitet habe. Damit werde bei ihm ein Sozialfall heraufbeschworen. Das stehe im Widerspruch dazu, dass das Übergangsgeld einen adäquaten Lebensstandard gewährleisten solle. Der Gesetzgeber habe die persönliche Situation der Betroffenen verbessern, nicht verschlechtern wollen. Die Vorschrift sei auf Fälle zugeschnitten, in denen ein Mensch viele Jahre krank sei und bis zur Krankheit ein Tarifentgelt bezogen habe, welches im Laufe der Jahre gestiegen sei. Allein in einer solchen Konstellation entspreche die Norm auch der gesetzgeberischen Intention des § 68 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB IX. Zur Anwendung des am 1.1.2018 in Kraft getretenen § 68 SGB IX gebe es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Der Kläger formuliert damit schon keine Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - BeckRS 2016, 68283 RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Soweit es ihm erkennbar um eine Benachteiligung durch die Berechnungsgrundlage in Einzelfällen geht, fehlt es jedenfalls an einem ausreichenden Vortrag der Klärungsbedürftigkeit. Zur Rüge einer Ungleichbehandlung bei Annahme eines fiktiven Arbeitsentgelts nach § 68 Abs 1 Nr 3 SGB IX gegenüber den weiteren Anwendungsfällen des § 68 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB IX hätte sich der Kläger mit den Voraussetzungen einer Verletzung von Art 3 Abs 1 GG befassen müssen. Eine solch substantiierte Begründung eines Gleichheitsverstoßes anhand der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG enthält die Beschwerdeschrift nicht (vgl BSG Beschluss vom 15.10.2020 - B 5 RS 10/20 B - juris RdNr 7 mwN). Dazu hätte sich der Kläger insbesondere zu der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BVerfG verhalten müssen (zur unzulässigen Gleichbehandlung mit Versicherten, die aus anderen Gründen Lücken in ihrer Erwerbsbiographie aufweisen, vgl Nichtannahmebeschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 2909/08 - juris RdNr 10). Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass Gegenstand der Verfassungsbeschwerde die Höhe des zu gewährenden Arbeitslosgengeldes war. Jedoch bestimmte auch § 132 Abs 1 SGB III idF vom 23.12.2003 (BGBl I 1997, 594) als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt nach Qualifikationsgruppen. Das BSG hatte dazu entschieden, dass es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, wenn ein mehr als drei Jahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erzieltes Arbeitsentgelt nicht mehr als Bemessungsentgelt zu Grunde gelegt wird (vgl BSG Urteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 38 ff). Auch dazu enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen.
Sollte sich der Kläger dadurch in seinem Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG verletzt sehen, dass das im Zeitraum 28.9.2016 bis 9.11.2016 bezogene Übergangsgeld auf einer anderen Bemessungsgrundlage berechnet wurde und deshalb deutlich höher ausfiel, hat er dies ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Das LSG hat in seinen Entscheidungsgründen Ausführungen zu der unterschiedlichen Bemessung des Übergangsgeldes bei Teilhabeleistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemacht. Auch dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit der Kläger vorträgt, für die Eingruppierung dürfe nicht allein auf das formale Kriterium des Abschlusses einer Berufsausbildung abgestellt werden, fehlt es nicht nur an einer Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die eine solche Auffassung nicht erkennen lassen. Es mangelt darüber hinaus auch an einer substantiierten Darlegung der vom Kläger vertretenen Auslegung des Begriffs der beruflichen Qualifikation. Ein Zitat aus einem Lexikon der Psychologie und allgemeine Ausführungen zum Wandel der Gesellschaft sind insofern nicht ausreichend.
Sofern der Kläger zur Breitenwirkung ausführt, der Gesetzgeber habe die Bildung von vier Qualifikationsgruppen in § 68 Abs 2 SGB IX nicht als abschließend verstanden wissen wollen, verkennt er bereits die Bedeutung dieses Kriteriums. Im Übrigen bleibt er jede Substantiierung schuldig.
Schließlich trägt der Kläger selbst vor, das Berufungsurteil beruhe "auf der Erörterung eines Einzelfalles". Soweit er insbesondere geltend macht, ihm sei ein kalendertägliches Übergangsgeld nach der Qualifikationsgruppe 2 iS von § 68 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB IX zu zahlen, wendet er sich gegen eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung. Dies kann nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein (vgl BSG Beschluss vom 6.8.2020 - B 5 RS 7/20 B - juris RdNr 6).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14423927 |