Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 05.10.2017; Aktenzeichen S 16 R 2942/13) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 22.05.2018; Aktenzeichen L 2 R 4318/17) |
Tenor
Die Verfahren zu den Aktenzeichen B 13 R 3/18 R und B 13 R 160/18 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Revision des Klägers gegen diesen Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren und das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 22.5.2018 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Mannheim vom 5.10.2017 zurückgewiesen. Das SG hatte in diesem Urteil einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 28.5.2018 zugestellten Beschluss des LSG hat sich der Kläger mit am 28.6.2018 beim BSG eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten gewandt und beantragt, "die Revision gegen den vorgenannten Beschluss zuzulassen". Mit weiterem Schriftsatz vom 27.7.2018 hat er die Beschwerde begründet und "nochmals beantragt, die Revision gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.05.2018 zuzulassen und es wird vorsorglich bereits jetzt Revision eingelegt".
Der Senat hat mit Schreiben des Berichterstatters vom 30.7.2018 darauf hingewiesen, dass auf den Schriftsatz vom 27.7.2018 hin zusätzlich zu der bereits anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde als neues Rechtsmittel eine Revision registriert worden ist.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
a) Der Kläger beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung vom 27.7.2018 verfehlt jedoch die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12) schon im Ansatz. Denn der Kläger hat schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - Juris RdNr 8 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).
Den Zulässigkeitsvoraussetzungen wäre darüber hinaus auch dann nicht genügt, wenn man dem Vorbringen des Klägers sinngemäß die Frage entnehmen wollte, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, "ab wann eine Multimorbidität zu einer Erwerbsminderungsrente führt und ab wann nicht". Selbst wenn der Senat unterstellt, dass der Kläger damit nicht nur eine Frage zur Rechtsanwendung im Einzelfall gestellt hat, fehlt es jedenfalls an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (vgl dazu allg BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN). Hierzu hätte der Kläger in Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Feststellung der Erwerbsminderung bzw vormaligen Erwerbsunfähigkeit und Invalidität darstellen müssen, dass die Frage nach der zutreffenden Würdigung des Zusammentreffens mehrerer Erkrankungen bei der Prüfung einer Erwerbsminderung trotz dieser Rechtsprechung noch Zweifel im Grundsätzlichen aufwirft. Entsprechende Ausführungen, insbesondere zur einschlägigen Rechtsprechung (vgl zB BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16, Juris RdNr 14 ff mwN), fehlen in der Beschwerdebegründung. Allein die Behauptung, es fehlten "nachvollziehbare Kriterien" zur Beurteilung des Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente, genügt dagegen nicht.
b) Darüber hinaus genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 S 3 SGG, soweit der Kläger seine Beschwerde darauf stützt, seine Multimorbidität sei vom LSG unzutreffend gewürdigt worden. Wie bereits oben ausgeführt, kann die Beschwerde nicht auf die Behauptung gestützt werden, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig. Auch die Rüge eines Verfahrensmangels wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 128 Abs 1 S 1 SGG kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen.
c) Schließlich werden die Anforderungen an die Zulässigkeit der Beschwerde auch verfehlt, wenn der Kläger die ungenügende Berücksichtigung einer diabetischen Polyneuropathie durch die Gutachter und das LSG rügt. Soweit er sich damit gegen Beweiswürdigung des LSG und die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses wendet, gilt das vorstehend unter b) Gesagte. Sollte er damit aber sinngemäß auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG rügen wollen, fehlt es an der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG unerlässlichen Angabe eines diesbezüglichen Beweisantrags, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
d) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
2. Die bereits mit der Beschwerdebegründung vom 27.7.2018 "vorsorglich" eingelegte Revision ist gemäß § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.
Nach § 160 Abs 1 SGG steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des LSG die Revision an das BSG nur zu, wenn sie in der Entscheidung des LSG oder in dem Beschluss des BSG nach § 160a Abs 4 S 1 SGG zugelassen worden ist. Beides ist vorliegend nicht der Fall (s oben Tenor und unter 1a).
3. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG, die der Revision gemäß § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch auf einer entsprechenden Anwendung dieser Norm.
Fundstellen
Dokument-Index HI13124900 |