Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Vertagungsanträge wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung
Orientierungssatz
Vertagungsanträge, die mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers oder seines Bevollmächtigten begründet werden, müssen so abgefasst sein, dass das Gericht die Verhandlungsunfähigkeit ohne Weiteres erkennen kann (vgl BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B = SozR 4-1500 § 110 Nr 1 mwN). Dem genügt der Hinweis auf eine "akute Myokardinsuffizienz" nicht.
Normenkette
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1; SGG § 202
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 784 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Zwischen dem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger und der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung ist die Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung für die Quartale 1/07 bis 4/07 infolge einer Plausibilitätsprüfung umstritten. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist allein darüber zu entscheiden, ob das LSG einen Terminverlegungsantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen hat.
In einem von mehreren beim LSG Berlin-Brandenburg anhängigen Berufungsverfahren des Klägers hatte das LSG ihn am 29.3.2018 zum Termin der mündlichen Verhandlung am 9.5.2018 geladen. Zu diesem Termin ist der Kläger nicht erschienen. Der Vertreter der Beklagten hat in diesem Termin die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben. Daraufhin hat der Senat des LSG beschlossen, die Verhandlung zu vertagen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, zu der teilweisen Aufhebung Stellung zu nehmen. Zugleich wurde Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 13.6.2018 um 13.00 Uhr bestimmt. Die Niederschrift des Termins vom 9.5.2018, die die Ladung zum neuen Termin enthielt, ist dem Kläger am 18.5.2018 zugestellt worden. Der Kläger hat sich nicht zu dem teilweise Anerkenntnis der Beklagten geäußert, sondern mit Fax vom 13.6.2018 - Eingang: 11.47 Uhr bei Gericht - die Aufhebung des Termins unter Hinweis auf eine "akute Myokardinsuffizienz" beantragt. Nähere Angaben dazu enthielt der Schriftsatz nicht, der sich im Übrigen im Einzelnen mit der Wirksamkeit der Ladung zum Verhandlungstermin am 9.5.2018 sowie mit dem Begehren auf Gewährung von Akteneinsicht beschäftigte.
Das LSG hat die Berufung des im Termin nicht anwesenden Klägers am 13.6.2018 zurückgewiesen und in den Gründen dieses Urteils ausgeführt, der Antrag des Klägers auf Aufhebung des Termins habe dem Senat keinen Anlass zu entsprechendem Vorgehen gegeben, weil die Verhandlungsunfähigkeit des Klägers nicht in der gebotenen Weise dokumentiert worden sei (Urteil vom 13.6.2018).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil rügt der Kläger die Behandlung seines Aufhebungsantrags als Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der allein als Verfahrensmangel gerügte Umgang des LSG mit dem Antrag des Klägers vom 13.6.2018 aus dem um 11.47 Uhr bei Gericht eingegangenen Fax ist nicht zu beanstanden. Erhebliche Gründe im Sinne des § 227 Abs 1 S 1 ZPO iVm § 202 SGG für eine Aufhebung des Verhandlungstermins am 13.6.2018 hat der Kläger nicht ordnungsgemäß dargelegt.
In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass Vertagungsanträge, die mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers oder seines Bevollmächtigten begründet werden, so abgefasst sein müssen, dass das Gericht die Verhandlungsunfähigkeit ohne Weiteres erkennen kann (Beschluss vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - mwN). Dem genügt der Hinweis auf die "akute Myokardinsuffizienz" nicht.
Dass der Kläger daran leidet, besagt für sich genommen nichts dazu, ob er in der Lage ist, einen Gerichtstermin wahrzunehmen. Wenn diese Erkrankung schon länger bestand, worauf der dem Senat übersandte Bericht des Zentrums der Charité für Herz-, Kreislauf und Gefäßmedizin über eine Behandlung des Klägers dort am 20. und 21.3.2018 hindeutet, hätte der Kläger schon aus Anlass der zum 9.5.2018 erhaltenen Ladung Vorkehrungen treffen müssen, die ihm eine angemessene Vertretung in dem seit Jahren laufenden Verfahren beim LSG ermöglichen. Wenn am 13.6.2018 zusätzlich ein akuter Krankheitsschub aufgetreten sein sollte, hätte der Kläger das unverzüglich gegenüber dem LSG erklären und spätestens mit der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde näher substantiiert darlegen müssen. Wenn im Falle einer behaupteten akuten Gesundheitsstörung oder Behandlungsbedürftigkeit kurzfristig nur die Mitteilung dieses Sachverhaltes gegenüber dem Gericht zur Begründung eines Aufhebungsantrags möglich ist, müssen aussagekräftige Atteste über die Verhandlungsunfähigkeit nachgereicht werden (vgl BFH vom 6.12.2011 - XI B 64/11). Nur dann kann beurteilt werden, ob tatsächlich ein erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs 1 S 1 ZPO vorgelegen hat. Das Vorbringen des Klägers, er habe von seiner Verhandlungsunfähigkeit an einem bestimmten Tag subjektiv überzeugt sein dürfen, läuft darauf hinaus, dass zumindest ein Arzt, der an einer chronischen Erkrankung leidet, kurzfristig die Aufhebung jedes Gerichtstermins erreichen kann, ohne nähere Angaben zu den genauen Auswirkungen der Erkrankung am fraglichen Tag zu machen und dem Gericht auch nur die Möglichkeit einer Überprüfung zu geben. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
Der Kläger hat weder näher erläutert, weshalb er wegen der "akuten Myokardinsuffizienz" nicht zum Termin kommen kann, noch dem Antrag auf Terminsaufhebung ärztliche Unterlagen beigefügt, aus denen sich das ergibt. Von dieser Notwendigkeit der Spezifizierung der gesundheitlichen Beeinträchtigung im Hinblick auf die Unfähigkeit, von Berlin zu einem Termin nach Potsdam zu fahren und einen Gerichtstermin wahrzunehmen, ist der Kläger nicht deshalb freigestellt, weil er selbst Arzt ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein sich selbst behandelnder Arzt hinreichend präzise Angaben zu seiner akuten gesundheitlichen Beeinträchtigung macht, doch gelten dann, wenn einem von einem Kläger als Arzt in eigener Sache gestellten Aufhebungsantrag keine näheren ärztlichen Befunde beigefügt sind, insoweit keine anderen Anforderungen an die Darstellungstiefe als sie an eine ärztliche Bescheinigung gestellt werden, die von einem anderen Arzt verfasst wird. Die von einem Arzt für einen Patienten mitgeteilte Wendung "akute Myokardinsuffizienz" hätte dem aus den aufgezeigten Gründen nicht genügt.
Die schon durch die Beschränkung auf die Wendung "akute Myokardinsuffizienz" hervorgerufenen Zweifel am Vorliegen eines "erheblichen Grundes" werden durch den weiteren Inhalt des Schriftsatzes vom 13.6.2018 und andere Umstände des Verfahrens verstärkt. Der Kläger setzt sich, statt seine Verhandlungsunfähigkeit am 13.6.2018 näher zu belegen, mit dem Vorgehen des LSG in diesem und einem anderen anhängigen Verfahren auseinander, kritisiert das Vorgehen der Beklagten und deutet - über den Hinweis auf ein Fax vom 8.5.2018 im Verfahren L 7 KA 52/14 - an, sich um eine anwaltliche Vertretung kümmern zu wollen. Das hätte der Kläger spätestens unverzüglich nach Erhalt der (erneuten) Terminsladung am 18.5.2018 tun können; der im Berufungsverfahren vom Kläger ursprünglich beauftragte Rechtsanwalt hatte mit Schriftsatz vom 20.3.2015 (Bl 178d LSG-Akten) sein Mandat niedergelegt. In den drei Jahren danach hat der Kläger keinen neuen Anwalt beauftragt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Der Kläger hat die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen.
Die Entscheidung zur Höhe des Streitwerts beruht auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 2, § 47 GKG, folgt derjenigen des LSG und beruht auf der Höhe der in diesem Verfahren streitigen Honorarkürzung infolge der Plausibilitätsprüfung.
Fundstellen
Dokument-Index HI13144548 |