Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 20.01.2022; Aktenzeichen S 9 R 2061/21) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.12.2023; Aktenzeichen L 11 R 505/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Nachdem die 1977 geborene Klägerin bereits 2018 erfolglos die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hatte(Bescheid vom 7.8.2018; Widerspruchsbescheid vom 15.11.2018) , lehnte die Beklagte auch den im März 2021 gestellten Antrag ab(Bescheid vom 7.5.2021; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2021) . Das SG hat den die Klägerin behandelnden Orthopäden als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.1.2022 abgewiesen. Nach Einholung orthopädischer Sachverständigengutachten von Amts wegen und auf Antrag der Klägerin hat das LSG am 19.12.2023 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Berufung mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom selben Tag zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Rente seien nicht erfüllt. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht notwendig gewesen. Der Sachverhalt sei vielmehr in medizinischer Hinsicht vollständig aufgeklärt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde zum BSG erhoben. Sie macht einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) , müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Klägerin hat keinen Verfahrensmangel aufgrund einer Verletzung von § 103 Satz 1 SGG hinreichend bezeichnet. Macht ein Beteiligter einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(stRspr; vglBSG Beschluss vom 26.9.2023 - B 5 R 106/23 B - juris RdNr 5 mwN) .
Es ist schon nicht erkennbar, dass die Klägerin einen ausreichenden, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnet. Sie bezieht sich auf ihre Anträge im Schriftsatz vom 14.11.2023 "1. bei S nochmals eine Stellungnahme einzuholen und insbesondere die MRT-Aufnahme anzufordern, damit diese den Sachverständigen in diesem Verfahren und der Beklagten zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt werden kann; 2. die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen". Damit ist kein hinreichend konkreter Beweisantrag dargetan. Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag muss benennen, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte(vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 403 ZPO ) und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden soll(vglBSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 5 R 21/22 B - juris RdNr 7 ) . Im Rentenstreitverfahren muss er sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Es darf dabei nicht nur auf eine Diagnosestellung ankommen, vielmehr muss der negative Einfluss von weiteren, dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden(vgl zBBSG Beschluss vom 6.10.2021 - B 5 R 147/21 B - juris RdNr 8 mwN) . Ein zur Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann bei einer anwaltlich vertretenen Klägerin nur ein solcher sein, der das Beweisthema konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll(vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 18a mwN) . Dazu gehört die Bestimmung, zu welchen konkreten Tatsachen eine (ggf erneute) Aufklärung durch einen Arzt welcher Fachrichtung eingeholt werden sollte(BSG Beschluss vom 6.10.2021 - B 5 R 147/21 B - juris RdNr 8 mwN) . Dem Vorbringen der Klägerin ist all dies nicht zu entnehmen. Unzureichend ist insbesondere der nicht weiter konkretisierte Vortrag, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit im Umfang von drei Stunden täglich nachzugehen.
Eine Sachaufklärungsrüge könnte zudem auch nur dann erfolgreich sein, wenn die Klägerin die im Schriftsatz vom 14.11.2023 möglicherweise enthaltenen Beweisanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hätte(stRspr; vglBSG Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 112/22 B - RdNr 18 mwN) . Nur dann hätte nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ein (konkreter) Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts(§ 103 SGG ) noch nicht als erfüllt ansieht. Wird ein Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäߧ 124 Abs 2 SGG , die hier im Erörterungstermin vom 19.12.2023 erfolgt ist(vglBSG Beschluss 20.4.2021 - B 8 SO 90/20 B - juris RdNr 8 mwN) . Dass die Klägerin in diesem Erörterungstermin einen Beweisantrag gestellt oder wiederholt hat, trägt sie indes nicht vor.
Soweit die Klägerin im Übrigen moniert, das LSG habe zu Unrecht angenommen, dass der Sachverhalt umfassend aufgeklärt sei und bei ihr ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe, wendet sie sich - im Kern - gegen die Beweiswürdigung des LSG(vgl§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) . Damit kann sie jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein eine Revisionszulassung nicht erreichen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16675321 |