Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 29.08.2017; Aktenzeichen S 16 AS 17/17) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 24.09.2019; Aktenzeichen L 11 AS 884/17) |
Tenor
Die Verfahren B 4 AS 56/20 B, B 4 AS 57/20 B und B 4 AS 62/20 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 4 AS 56/20 B.
Die Beschwerden des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. September 2019 werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gemäß § 113 Abs 1 SGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil ein Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, "ob eine Beweislastumkehr und unzumutbare Mitwirkungspflichten zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist oder ob eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden hat". Der Kläger legt bereits die Entscheidungserheblichkeit der von ihm formulierten Frage nicht dar. Denn die Frage der Beweislastumkehr stellt sich nur in einer kassatorischen Konstellation, in der eine bereits erfolgte Leistungsbewilligung aufgehoben wird, nicht aber in der gewährenden Situation. In dieser Situation, in der die Behörde zu entscheiden hat, ob Leistungen überhaupt gewährt werden, liegt die objektive Beweislast ohnehin bei demjenigen, der die Leistungen begehrt (vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ vom 1.2.2010 - 1 BvR 20/10 - juris RdNr 2). Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass hier eine kassatorische Konstellation vorliegt.
2. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119).
Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Die Beschwerdebegründungen geben zwar Ausführungen aus dem Urteil des BSG vom 25.6.2015 (B 14 AS 30/14 R) wörtlich sowie aus dem Urteil des BSG vom 15.6.2016 (B 4 AS 41/15 R) "sinngemäß" wieder und behaupten, dass die Entscheidungen des LSG den vom BSG aufgestellten Maßstäben zur Beweislastumkehr nicht entsprechen. Die Beschwerdebegründungen zeigen aber nicht einmal auf, dass das LSG überhaupt eine Beweislastumkehr vorgenommen hat, geschweige denn, dass es den vom BSG aufgestellten Maßstäben widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt habe. Im Gegenteil bemängeln die Beschwerdebegründungen lediglich die Ausgangsentscheidungen des Beklagten, machen zu den Entscheidungen des LSG aber keine Ausführungen.
3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Der Kläger bezeichnet indes auch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend. Die Rüge, dass die Tatbestandsfeststellungen "Unstimmigkeiten" aufwiesen und er mehrmals versuchte habe, diese zu berichtigen, bleibt völlig im Ungefähren. Soweit er eine unterlassene Beweiserhebung durch das LSG rügt, behauptet er nicht einmal, hierauf bezogene Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben; dies aber ist erforderlich (zuletzt BSG vom 9.9.2019 - B 14 AS 114/18 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13855462 |