Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.02.2016; Aktenzeichen S 17 R 425/15) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.12.2020; Aktenzeichen L 13 R 3354/20 WA) |
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.05.2020; Aktenzeichen L 13 R 922/16) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines Berufungsverfahrens.
Im sozialgerichtlichen Verfahren war streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Gerichtsbescheid vom 26.2.2016 wurde die Beklagte zunächst unter Aufhebung ihrer ablehnenden Verwaltungsentscheidung verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Berufsunfähigkeit ab dem 1.3.2014 zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das LSG hob auf die Anschlussberufung der Beklagten den Gerichtsbescheid auf, wies die Klage insgesamt ab und die Berufung des Klägers zurück. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde sowie ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) blieben ohne Erfolg (BSG Beschlüsse vom 21.6.2016 bzw vom 29.8.2016 - B 13 R 159/16 B).
Am 17.10.2020 hat der Kläger beim LSG die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens beantragt. Er hat geltend gemacht, der berufskundliche Dienst der Beklagten habe in einer Stellungnahme vom 10.9.2015 sein Leistungsvermögen sozialmedizinisch beurteilt. Diese Urkunde habe dem Senat nicht vorgelegen. Mit Beschluss vom 17.12.2020 hat das LSG die Wiederaufnahmeklage als unzulässig abgewiesen, da schon kein gesetzlicher Wiederaufnahmegrund schlüssig dargelegt sei. Inhalt des vom Kläger bezeichneten Schriftsatzes vom 10.9.2015 sei ein Vergleichsangebot der Beklagten über die Gewährung einer teilweisen Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit gewesen. Dabei habe sie sich auf eine berufskundliche Stellungnahme vom 4.9.2015 gestützt. Beides sei Inhalt der Akten. Darüber hinaus habe der Kläger die Frist für eine Wiederaufnahmeklage versäumt. Bereits aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 24.5.2016 sei ersichtlich gewesen, dass der berufskundlichen Stellungnahme nicht gefolgt werde. Die Monatsfrist, beginnend ab Zustellung des Urteils mit Postzustellungsurkunde am 28.5.2016, sei im Jahr 2020 längst abgelaufen gewesen. Schließlich seien die berufskundliche Stellungnahme und das Vergleichsangebot auch inhaltlich nicht geeignet, eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss vom 17.12.2020 mit einem selbst unterzeichneten Schreiben vom 28.12.2020 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er sieht seinen Anspruch "auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 9 ZPO)."
II
Die Rechtsschutzgesuche des Klägers bleiben ohne Erfolg.
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Es kann offenbleiben, ob der Kläger schon aufgrund eines möglicherweise vorhandenen und einsetzbaren Vermögens keinen solchen Anspruch hat (zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers in einem früheren Verfahren vgl BSG Beschluss vom 21.6.2016 - B 13 R 159/16 B). Jedenfalls kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten ist jedenfalls nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
a) Es ist nicht ersichtlich, dass eine Zulassung der Revision auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl bereits BSG Beschluss vom 17.6.2019 - B 5 R 61/19 B - juris RdNr 9). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere zur Darlegung des vom Kläger geltend gemachten gesetzlichen Restitutionsgrundes entsprechend § 580 Nr 7 Buchst b ZPO sind bereits zahlreiche Entscheidungen ergangen (vgl BSG Beschluss vom 30.9.2020 - B 6 KA 8/20 B - juris RdNr 18 mwN). Soweit der Kläger vorträgt, der Rentenbescheid vom 11.3.2016 sei "nicht anfechtbar" und aufgrund der Erwerbsminderung (Berufsunfähigkeit) könne seine Teilhabe am Arbeitsleben nicht sichergestellt werden, erschließt sich dem Senat schon nicht, inwieweit dies für die Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage von Bedeutung hätte sein können. Sollte er damit die vermeintliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung rügen wollen, vermag dies jedenfalls eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen (vgl BSG Beschluss vom 6.8.2020 - B 5 RS 7/20 B - juris RdNr 6).
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Auch dies ist hier nicht der Fall.
c) Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.
Es bestehen keine Bedenken, dass das LSG bei der Entscheidung nach § 158 Satz 2 SGG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter fehlerhaft besetzt gewesen sein könnte (zu den Anforderungen an die Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 158 RdNr 7 und 11). Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in seinem Recht auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt wurde, weil das LSG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Nach § 158 SGG kann auch dann durch Beschluss entschieden werden, wenn eine Wiederaufnahmeklage gegen eine Berufungsentscheidung unzulässig ist (vgl BSG Beschluss vom 30.9.2020 - B 6 KA 8/20 B - juris RdNr 13 mwN). Der Kläger wurde dazu ordnungsgemäß mit Schreiben vom 23.11.2020 angehört. Darin hat die Berichterstatterin mitgeteilt, die Voraussetzungen einer Wiederaufnahmeklage seien nicht ansatzweise dargetan. Der Senat beabsichtige deshalb, die Wiederaufnahmeklage durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.12.2020 gegeben, die er mit Schreiben vom 4.12.2020 wahrgenommen hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die weitere, ebenfalls mit Schreiben vom 23.11.2020 erfolgte Belehrung über eine mögliche Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG, weil "der Senat die Wiederaufnahmeklage auch einstimmig für unbegründet hält", sinnvoll erscheint. Jedenfalls war sie nicht geeignet, den Kläger in seiner Rechtsverteidigung zu beeinträchtigen (zur irreführenden Belehrung nach § 153 Abs 4 SGG vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 19). Dies folgt schon daraus, dass in den Beschlussverfahren nach § 158 Satz 2 SGG und nach § 153 Abs 4 SGG wegen des Umfangs der Anhörungspflicht sowie der Folgen ihrer jeweiligen Verletzung entsprechende Grundsätze gelten (vgl Keller aaO § 158 RdNr 8). Aus dem Zusatz im Schreiben vom 23.11.2020 "jedenfalls rechtfertigen die von Ihnen vorgebrachten Gründe nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens" wird zudem deutlich, dass das Berufungsgericht die Erfolglosigkeit des Rechtsschutzbegehrens auch aus sachlichen Gründen aufzeigen wollte. Diese waren nicht tragend, wie das LSG in seinen Entscheidungsgründen dargelegt hat ("darüber hinaus wäre die Wiederaufnahmeklage auch … unbegründet"). Die zusätzliche Möglichkeit des Klägers, auch dazu Stellung zu nehmen, macht seine Anhörung zu einer beabsichtigten Entscheidung nach § 158 Satz 2 SGG nicht rechtsfehlerhaft.
Da dem Kläger keine PKH zusteht, entfällt damit zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde ist unzulässig; sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Der Kläger konnte die Beschwerde, worauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses zutreffend hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) einlegen lassen. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14456201 |