Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenz. Darlegungsanforderungen. abstrakter Rechtssatz. unterschiedliche Gesichtspunkte. Darlegung. Abstrakter Rechtssatz. Unterschiedliche. Gesichtspunkte. Gehfähigkeit. Nachteilsausgleich. Merkzeichen aG
Leitsatz (redaktionell)
In der Geltendmachung, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall falsch angewendet, wird keine Divergenz i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG dargelegt.
Orientierungssatz
Beziehen sich die in einer Divergenzbeschwerde herangezogenen Aussagen des BSG und des LSG auf unterschiedliche Gesichtspunkte (hier bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG"), sind im Rahmen der Beschwerdebegründung nähere Ausführungen dazu erforderlich, worin eine Abweichung der Rechtssätze zu sehen sein soll.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 2; SGB 9 § 69 Abs. 4; SGB IX § 69 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Februar 2013 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 22.2.2013 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) begründet.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund ist nicht ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Zur formgerechten Rüge einer Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, die der Kläger hier geltend macht, ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss schlüssig darlegen, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Ebenso wenig genügt es, die Unrichtigkeit der Entscheidung betreffend den Einzelfall darzutun. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen, in der abstrakten Aussage (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 196 mwN). Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29). Diesen Begründungserfordernissen hat der Kläger nicht genügend Rechnung getragen.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, es liege eine Abweichung des LSG von dem Urteil des BSG vom 29.3.2007 (B 9a SB 1/06 R) vor, in dem das BSG ausgeführt habe, "dass der Nachteilsausgleich dem zusteht, der sich von den ersten Schritten außerhalb seines PKW an, nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann". Die Gehfähigkeit sei beispielsweise in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt, wenn sich der Behinderte nur mit Gehstock und orthopädischen Schuhen und auch dann nur noch schleppend, watschelnd, kleinschrittig und deutlich verlangsamt fortbewegen könne. Hiervon weiche das LSG mit folgendem in seinem Urteil aufgestellten Rechtssatz ab: "Eine ausreichend individuelle, prothetische Versorgung spricht gegen die Gleichstellung eines Schwerbehinderten zu der Personengruppe, die in Abschnitt II Nr 1 Satz 2 Absatz 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 Verwaltungsverordnung - StVO genannt werden".
Aus dieser Gegenüberstellung zieht der Kläger den Schluss, das LSG hätte ihm bei Beachtung des Rechtssatzes des BSG das Merkzeichen "aG" zuerkennen müssen. Dabei hat der Kläger allerdings nicht hinreichend dargelegt, worin eine Abweichung des Rechtssatzes des LSG gegenüber dem (vermeintlichen) Rechtssatz des BSG zu sehen sein soll. Nähere Ausführungen dazu wären insofern erforderlich gewesen, als sich die vom Kläger herangezogenen Aussagen des BSG und des LSG auf unterschiedliche Gesichtspunkte bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" beziehen. Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass sich das LSG ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG distanziert habe. Er ist insbesondere nicht darauf eingegangen, dass sich das LSG bei seiner Entscheidung umfangreich auf die dort benannte Rechtsprechung des BSG gestützt hat. Im Grunde macht der Kläger nur geltend, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall falsch angewendet. Ein solcher Mangel stellt jedoch, auch wenn er vorläge, keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG dar (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Es ist nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde, ob das LSG richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Soweit der Kläger im Übrigen die Beweiswürdigung des LSG (vgl hierzu § 128 Abs 1 S 1 SGG) kritisieren wollte, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen