Verfahrensgang
SG Braunschweig (Entscheidung vom 31.08.2018; Aktenzeichen S 44 AS 1464/17) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 07.03.2022; Aktenzeichen L 11 AS 820/18) |
Tenor
Die Verfahren B 4 AS 44/22 B und B 4 AS 45/22 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren B 4 AS 44/22 B.
Die Beschwerden der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7. März 2022 werden als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die gemäß § 113 Abs 1 SGG verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil weder die als Zulassungsgrund behauptete Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
a) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 121).
Eine solche Divergenz hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie hat weder einen Rechtssatz im vorbeschriebenen Sinne des LSG noch einen solchen des BSG bezeichnet. Die Ausführungen der Klägerin beziehen sich vielmehr lediglich auf die Umstände des konkreten Sachverhalts. Soweit sich das Vorbringen so verstehen lässt, dass die Klägerin moniert, dass das LSG einen unzutreffenden Sachverhalt angenommen oder eine unzutreffende Subsumtion vorgenommen habe, kann hierauf die Divergenzrüge nicht zulässigerweise gestützt werden.
b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin macht geltend, dass das LSG Anträge des Beklagten (rudimentär) protokolliert habe, obwohl der Beklagte keine bzw Anträge nur in der Verhandlungspause gestellt habe. Die Klägerin legt aber bereits nicht dar, dass und inwieweit die Entscheidung des LSG auf diesem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Da es sich bei Verstößen gegen § 122 SGG iVm § 160 ZPO nicht um absolute Revisionsgründe handelt, ist in der Nichtzulassungsbeschwerde zum Beruhenszusammenhang vorzutragen (BSG vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 14), woran es hier fehlt. Das Gleiche gilt mit Blick auf die von der Klägerin aufgeworfene - aber nicht näher substantiierte - Frage, "was mit den o.a. 9 Bl. einschließlich Anlage umfassenden klägerinnenseitigen Anträgen geschehen ist, welche ebenfalls nicht Eingang in die o.g. Niederschrift gefunden haben".
Soweit die Klägerin Einwendungen gegen das Protokoll hat, hat der Antrag auf Protokollberichtigung (§ 122 SGG iVm § 164 ZPO) im Übrigen ohnehin Vorrang vor der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG vom 19.10.2021 - B 5 R 204/21 B - juris RdNr 10; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 155, § 160a RdNr 140); die Klägerin trägt nicht einmal vor, einen entsprechenden Antrag gestellt zu haben (vgl zu dieser Notwendigkeit BSG vom 6.5.1999 - B 8 KN 7/98 U B - juris RdNr 4; BSG vom 19.10.2021 - B 5 R 204/21 B - juris RdNr 10). Entsprechendes gilt für ihr weiteres Vorbringen, das LSG sei im Urteil L 11 AS 820/18 zu Unrecht von weiterem Vermögen bei der Postbank ausgegangen (vgl zum Vorrang der Urteilsberichtigung bzw -ergänzung BSG vom 13.4.2000 - B 7 AL 222/99 B - juris RdNr 10; BSG vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 4).
Soweit die Klägerin aufgrund der behaupteten unzutreffenden Protokollierung eine Befangenheit des Vorsitzenden Richters des LSG unterstellt, fehlt es bereits an der Darlegung, dass sie einen formwirksamen Ablehnungsantrag gestellt hat (vgl zu dieser Notwendigkeit BSG vom 9.2.2016 - B 3 KR 46/15 B - juris RdNr 19). Da es an dieser Darlegung vollständig fehlt, kommt es nicht darauf an, ob und ggf welche geringeren Anforderungen an Ablehnungsanträge von Beteiligten, die in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht rechtskundig vertreten waren, zu stellen sind. Auf die Frage, ob die Klägerin von dem aus ihrer Sicht bestehenden Ablehnungsgrund erst nach Erlass der Entscheidung des LSG erfahren hat, kommt es nicht an (vgl BSG vom 27.1.1993 - 6 RKa 2/91 - juris RdNr 35 mwN; BSG vom 4.10.1996 - 11 BAr 47/96 - juris RdNr 8; BSG vom 6.6.2007 - B 8 KN 8/07 B - juris RdNr 5). Bloße Ablehnbarkeit stellt keinen Verfahrensmangel dar (Flint in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 60 RdNr 215).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling Söhngen Burkiczak
Fundstellen
Dokument-Index HI15554576 |