Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittelausschluss. Kostenfrage
Orientierungssatz
1. Der Ausschluss eines Rechtsmittels allein wegen der Kostenfrage umfasst nicht nur die (allgemeine) Kostenentscheidung nach § 193 SGG, sondern auch die spezielle Kostenvorschrift des § 192 SGG (vgl BSG vom 13.7.2004 - B 2 U 84/04 B, BSG vom 23.10.2003 - B 11 AL 199/03 B und BSG vom 27.1.1999 - B 12 KR 56/98 B).
2. Der Rechtsmittelausschluss allein wegen der Kosten dient der Prozessökonomie und soll stets das Rechtsmittel ausschließen, wenn es sich allein auf die Kosten des Verfahrens bezieht (vgl BSG vom 13.7.2004 - B 2 U 84/04 B und BSG vom 26.7.2000 - B 9 V 41/00 B).
Normenkette
SGG § 192 Abs. 1, § 193
Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 04.04.2008; Aktenzeichen L 8 RA 40/02) |
SG Berlin (Urteil vom 08.07.2002; Aktenzeichen S 7 RA 4635/01) |
Gründe
Mit Urteil vom 4.4.2008 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung höherer Altersrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 23.7.2008 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil keiner der in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) .
Eine nach den Vorgaben des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG rechtskundig geordnete, schlüssige Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes, die sich an den verfassungsgemäßen Vorgaben der Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde orientiert, hat der Kläger hinsichtlich der Sachentscheidung nicht vorgelegt. Wie in früheren ähnlich gelagerten Verfahren hat sich sein Prozessbevollmächtigter vielmehr im Wesentlichen darauf beschränkt, seine rechtspolitischen Vorstellungen über den Inhalt des Einigungsvertrags sowie seine speziellen Ansichten über den "eigentlichen" Aussagegehalt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), des BSG und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte iVm seinen eigenen sozialpolitischen Vorstellungen darzulegen.
Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, aus undifferenziert aneinandergereihten, bereits in anderen Verfahren verwendeten Textbausteinen einen auf den individuellen Sachverhalt des konkreten Rechtsstreits bezogenen, für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde geeigneten Vortrag zu konstruieren (vgl zB bereits Senatsbeschlüsse vom 6.8.2007 - B 13/4 R 349/06 B, vom 29.10.2007 - B 13 R 337/07 B - und vom 19.11.2007 - B 13 R 357/07 B; ferner - bezogen auf das Verfahren der Verfassungsbeschwerde - auch Beschlüsse des BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 2647/06, 2742/06, 3032/06, 758/07, 1453/07 und 1922/07) .
Der Hinweis, die Zulassung sei geboten "angesichts der noch offenen bzw erneut zu durchdenkenden, klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsprobleme(n) mit grundsätzlicher Bedeutung für zahlreiche Rentner mit zusätzlichen Versorgungsansprüchen, die in der DDR rechtmäßig erworbenen wurden" (S 21 der Beschwerdebegründung), erfüllt die Anforderungen an eine Bezeichnungs- bzw Darlegungspflicht in keiner Weise.
Soweit der Kläger - unspezifiziert - "Divergenzen" rügt (S 21 der Beschwerdebegründung), verkennt er, dass § 160 Abs 2 Nr 2 SGG iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die Darlegung verlangt, dass ein die Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz des LSG von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Hieran fehlt es.
Insbesondere hat der Kläger keinen Verfahrensfehler iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensfehler vorliege, muss nämlich zur Bezeichnung des Verfahrensmangels dieser Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 4 S 11 mwN) . Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36) . Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensfehler allerdings auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Soweit der Kläger dem LSG vorwirft, es sei dem Amtsermittlungsprinzip nicht nachgekommen (S 3 der Beschwerdebegründung), verkennt er, dass ein Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG auf eine Verletzung des § 103 SGG (Untersuchungsmaxime) nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Bei den Ausführungen des Klägers, das LSG sei seinem Beweisantrag offensichtlich aus Voreingenommenheit und ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt (S 3 der Beschwerdebegründung), fehlt es an der Bezeichnung eines konkreten Beweisantrags, den das LSG übergangen habe.
Mit seinem Vortrag, es gehe "bei dem vom RÜG bewirkten Unrecht nicht um Einzelfälle, sondern um eine umfassende Verletzung des EV, der Grund- und Menschenrechte gegenüber den mit Vertrauen auf Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik aus der DDR beigetretenen Bürgern" (S 16 der Beschwerdebegründung), macht der Kläger im Kern seines Vorbringens letztlich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG geltend. Der Vorwurf - vermeintlich - falscher Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch unerheblich (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Das Vorbringen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (S 18 der Beschwerdebegründung) mit der Frage, "Dürfen von einem Sozialgericht Mutwillenskosten gegen Prozessbevollmächtigte verhängen oder verstößt die vom LSG Berlin-Brandenburg vorgenommene Auslegung des § 192 Abs 1 SGG gegen die grundrechtsgesetzliche geschützte Berufsfreiheit des Anwalts?" führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Denn der Ausschluss eines Rechtsmittels allein wegen der Kostenfrage umfasst nicht nur die (allgemeine) Kostenentscheidung nach § 193 SGG, sondern auch die spezielle Kostenvorschrift des § 192 SGG (BSG vom 13.7.2004 - B 2 U 84/04 B, BSG vom 23.10.2003 - B 11 AL 199/03 B - und BSG vom 27.1.1999 - B 12 KR 56/98 B) . Der Ausschluss eines Rechtsmittels allein wegen der Kosten dient der Prozessökonomie und soll stets das Rechtsmittel ausschließen, wenn es sich allein auf die Kosten des Verfahrens bezieht (vgl BSG vom 13.7.2004 - B 2 U 84/04 B, Juris RdNr 13; BSG vom 26.7.2000 - B 9 V 41/00 B, Juris RdNr 8) . Das ist vorliegend der Fall, da in der Hauptsache kein zulässiger Revisionszulassungsgrund vorgetragen worden ist.
Entsprechendes gilt folglich auch, soweit der Kläger weiter als Verfahrensfehler gegen die Kostenentscheidung einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens rügt, weil die Vorsitzende des Berufungsgerichts unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung erklärt habe, dass "die weitere Rechtsverfolgung ... rechtsmissbräuchlich" erscheine und angedroht habe "dass bei Fortführung des Rechtsstreits Verschuldenskosten zumindest in Höhe von 225 € ... auferlegt" würden (S 15 der Beschwerdebegründung). Auch mit diesem Vortrag kann der Kläger die beschränkte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht umgehen (s ferner § 192 Abs 1 Satz 2 sowie Abs 2 Satz 2 SGG) .
Die Verwerfung der hiernach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen