Verfahrensgang
SG Braunschweig (Entscheidung vom 26.03.2019; Aktenzeichen S 31 KR 119/17) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 16.04.2020; Aktenzeichen L 16 KR 203/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. April 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob dem in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig versicherten und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versicherten Kläger ein Notlagentarif gewährt werden muss.
Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt und bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert. Die Beklagte setzte ab 1.1.2017 die Beiträge zur freiwilligen GKV und sPV unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrundlage für Selbstständige fest (Bescheid vom 22.12.2016; Widerspruchsbescheid vom 11.4.2017).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Braunschweig vom 26.3.2019; Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.4.2020). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die Beiträge zutreffend unter Anwendung des § 240 SGB V festgesetzt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf den Notlagentarif. Eine Gleichstellung von gesetzlich und Privatversicherten komme wegen der Unterschiedlichkeit der Systeme nicht in Betracht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Beitragsfestsetzung durch die Beklagte bestünden nicht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.4.2020 ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) dargelegt. Die Behauptung, es bestünden ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung, vermag die Zulassung der Revision im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu rechtfertigen.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Nach Auffassung des Klägers verstößt es gegen Art 3 Abs 1 GG, dass der Notlagentarif nach § 153 VAG und § 193 VVG nur für Privatversicherte gelten solle. Diese Normen müssten entweder durch Analogie oder verfassungskonforme Gesetzesänderung auf freiwillig Versicherte ausgedehnt werden. Durch den Mindestbeitrag in der GKV und die Einkommensteuer werde das Existenzminimum gefährdet.
Der Kläger hat damit bereits keine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage zum Verfassungsrecht muss derart klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche konkrete Regelung welchen einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Daran fehlt es hier.
Selbst wenn eine abstrakte Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt wird, ist jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargetan. Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf die Berufung von Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN).
Der Kläger legt aber nicht dar, warum die vom Kläger benannten Gruppen der Privatversicherten und der freiwillig in der GKV Versicherten angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers für unterschiedliche Systeme zur Absicherung des Risikos der Krankheit überhaupt vergleichbar im Sinne des Art 3 Abs 1 GG sein können (vgl BSG Urteil vom 28.5.2019 - B 1 KR 14/18 R - juris RdNr 17 mwN; vgl auch BVerwG Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35/04 - BVerwGE 125, 21 = juris RdNr 33 f mwN). Insofern fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den grundlegenden Systemunterschieden zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung (zB BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua - BVerfGE 123, 186 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 13.2.2008 - 2 BvR 613/06 - NVwZ 2008, 1004 = juris RdNr 19), den Grundsätzen zur Zuordnung der Personengruppen zu einem der beiden Versicherungssysteme (vgl BVerfG Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1681/94 ua - BVerfGE 103, 271 = SozR 3-3300 § 23 Nr 3 = juris RdNr 60) und den damit verbundenen beitragsrechtlichen Konsequenzen (BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 KR 4/11 R - SozR 4-2500 § 257 Nr 1 RdNr 23 ff mwN). Ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit den Sachgründen der Ausgestaltung des § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V aF (vgl BSG Urteil vom 26.9.1996 - 12 RK 46/95 - BSGE 79, 133 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 = juris RdNr 37 f; BVerfG Beschluss vom 22.5.2001 - 1 BvL 4/96 - BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39 = juris RdNr 36 f).
Im Übrigen fehlt es auch an konkreten Darlegungen dazu, weshalb der Kläger gegenüber privat Versicherten benachteiligt ist. Denn er zeigt nicht auf, inwiefern ihm die Möglichkeit verwehrt war, in die private Krankenversicherung zu wechseln und dort den begehrten Notlagentarif in Anspruch zu nehmen.
Demgegenüber reicht allein der Hinweis des Klägers, ihm seien Entscheidungen des BVerfG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 153 VAG und § 193 VVG nicht bekannt, nicht aus. Vielmehr hätte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der genannten Rechtsprechung und den Normen erfolgen und herausgearbeitet werden müssen, dass und warum sich diesen Entscheidungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage entnehmen lassen sollen (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Zu einem vom Kläger erbetenen richterlichen Hinweis, falls weiterer Vortrag erforderlich sei, war der Senat nicht verpflichtet (vgl BSG Beschluss vom 14.12.2017 - B 5 R 202/17 B - juris RdNr 15 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14113884 |