Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2018 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger macht die Unwirksamkeit des Bescheids vom 30.10.2014 geltend.
Die Beklagte versagte gegenüber dem prozessunfähigen Kläger, der im Verwaltungsverfahren nicht durch einen Betreuer oder besonderen Vertreter vertreten war, die Übernahme der Nachforderung von Heiz- und Nebenkosten wegen fehlender Mitwirkung (Bescheid vom 30.10.2014). Der Kläger selbst erhob am 16.2.2015 beim Sozialgericht (SG) Münster Klage und machte ua geltend, er habe am 5.11.2014 gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt, über den die Beklagte noch nicht entschieden habe. Während das SG nach Bestellung eines besonderen Vertreters unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt hat, dass der angefochtene Bescheid nicht wirksam geworden sei (Urteil vom 14.11.2017), hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.3.2018). Zwar sei der Versagungsbescheid dem besonderen Vertreter des Klägers nicht bekannt gegeben worden; dieser habe vielmehr nur im Rahmen der Akteneinsicht Kenntnis davon erlangt. Er habe allerdings durch rügeloses Einlassen das Recht verloren (verwirkt), sich auf die mangelnde Bekanntgabe zu berufen. Es stehe ihm auch zu, Handlungen des Geschäftsunfähigen außerhalb des gerichtlichen Verfahrens zu genehmigen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz geltend. Grundsätzlich bedeutsam sei zum einen die Frage, ob der besondere Vertreter nach § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch dem Gerichtsverfahren vorgelagerte Verfahrenshandlungen eines Prozessunfähigen genehmigen könne. Zum anderen sei die Frage zu klären, ob bereits eine rügelose Einlassung vorliege, wenn nicht bereits vor einem weitergehenden Sachvortrag die mangelnde Bekanntgabe des Verwaltungsakts gerügt werde oder ob der Tatsachenvortrag, der Adressat des Verwaltungsakts sei prozessunfähig, eine rügelose Einlassung in Bezug auf die fehlerhafte Bekanntgabe nicht ausschließe. Zudem stehe die Entscheidung des LSG in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Mit Beschluss vom 19.2.1992 (GS 1/89) habe der Große Senat entschieden, dass die Verletzung der Anhörungspflicht im Verwaltungsverfahren zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führe und dies auch zu berücksichtigen sei, wenn sich der Betroffene nicht darauf berufe. Für die fehlende Bekanntgabe könne nichts anderes gelten.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger zeigt zur Rechtsfrage 1 den Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Er legt nicht ausreichend dar, wieso mit Blick auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach die fehlerhafte Bekanntgabe eines Bescheids gegenüber einem Prozessunfähigen durch den besonderen Vertreter genehmigt und damit geheilt werden kann (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 26 RdNr 11 mwN unter Verweis auf BVerwG vom 31.7.1984 - 9 C 156/83 - juris RdNr 12) noch Klärungsbedarf bestehen soll. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Zwar kann eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN). Dazu fehlen jedoch jegliche Ausführungen in der Beschwerdebegründung (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7).
Hinsichtlich der zweiten, vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage, fehlt es an der hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage im angestrebten Revisionsverfahren. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Der Kläger legt selbst dar, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts die Geschäftsfähigkeit des Empfängers voraussetzt und ein Verwaltungsakt gegenüber einem Geschäftsunfähigen erst mit der Bekanntgabe an den gesetzlichen oder besonderen Vertreter wirksam wird (BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 19). Hat der besondere Vertreter erst und allein im Wege der Akteneinsicht Kenntnis vom streitbefangenen Verwaltungsakt erlangt und ist deshalb die Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht nur fehlerhaft, sondern fehlt sie gänzlich (BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7 RdNr 12), hätte es zur hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit Ausführungen dazu bedurft, weshalb sich auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation der fehlenden Bekanntgabe die Frage des rügelosen Einlassens stellen kann und wie sie vom Senat zu beantworten ist. Daran fehlt es.
Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Der Kläger formuliert aber weder einen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG noch einen solchen des BSG. Vielmehr ist die Beschwerdebegründung nur dahin zu verstehen, dass die Entscheidung des LSG inhaltlich falsch sei. Dies vermag aber die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12112333 |