Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 29.11.2017; Aktenzeichen S 183 AS 9809/15)

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.06.2022; Aktenzeichen L 29 AS 2628/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Juni 2022 - L 29 AS 2628/17 - wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36). Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN).

Diesen Anforderungen an die formgerechte Rüge eines Aufklärungsmangels wird die Beschwerdebegründung nicht in vollem Umfang gerecht. Der Kläger rügt zwar ua eine Verletzung des § 103 SGG mit der Begründung, das LSG habe nicht ausreichend dahingehend ermittelt, welche Kosten ihm aufgrund seiner erheblichen Übergröße für Ernährung sowie für Bekleidung und Schuhe entstehen und wie hoch der Unterschied zu den durchschnittlichen Kosten für Ernährung sowie für Bekleidung und Schuhe sei, die der Regelbedarfsermittlung zugrunde lägen. Er habe auch in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge gestellt, indem er auf schriftlich formulierte Beweisanträge unter Benennung der konkreten Schriftsätze Bezug genommen habe.

Doch fehlt es an Vortrag dazu, warum das Gericht, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, der Kläger habe vor dem Hintergrund der von § 21 Abs 6 SGB II normativ verlangten Unabweisbarkeit eines Mehrbedarfs bereits keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen als Grundlage für die beantragte Beweiserhebung vorgebracht, noch weitere Aufklärung für notwendig hätte erachten, einem Beweisantrag also nachgehen müssen. Dies betrifft den vom Kläger behaupteten Mehrbedarf für Ernährung gleichermaßen wie einen Mehrbedarf für Bekleidung und Schuhe.

Wenn der Kläger in der Begründung seiner Beschwerde ausführt, eine vom LSG in Bezug genommene Entscheidung vom 30.10.2019 (L 5 AS 382/17) befasse sich mit dem Mehrbedarf für Ernährung nicht, sodass das Gericht mit nicht nachvollziehbarer Begründung dem Beweisantrag nicht nachgekommen sei, ist dieser Vortrag in seiner Begründung in sich widersprüchlich. Denn der Kläger trägt einerseits weiter vor, das LSG habe in der Entscheidung vom 30.10.2019 einen Anspruch auf ernährungsbedingten Mehrbedarf, gestützt auf § 21 Abs 5 SGB II, schon wegen eines nicht krankheitsbedingten Mehrbedarfs verneint. Wenn er zugleich vorträgt, das LSG habe in der hier angefochtenen Entscheidung die Prüfung des Beweisantrags in Bezug auf den Mehrbedarf für Ernährung letztlich auf die Aussage "beschränkt", dass höhere Kosten für Ernährung nicht nachgewiesen wurden bzw ungedeckte Bedarfe weder hinreichend konkretisiert noch belegt worden seien, ist auch nach seinem eigenen Vortrag eine hinreichende Begründung dafür erfolgt, warum das LSG nicht von der Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache ausgegangen ist. Nichts anderes gilt nach seinem eigenen Vortrag in Bezug auf behauptete Mehrbedarfe für Bekleidung und Schuhe. Denn auch insoweit trägt er vor, das LSG habe die Beweiserhebung mit der Begründung abgelehnt, dass für einen Kostenerstattungsanspruch entsprechend höhere Kosten nicht nachgewiesen und für einen Sachleistungsanspruch ungedeckte Bedarfe weder hinreichend konkretisiert noch belegt worden seien. Wenn der Kläger weiter die Auffassung vertritt, seine Anträge hätten gerade darauf gezielt, entsprechende Anknüpfungstatsachen zu ermitteln, hätte es sich nach seinem eigenen Vorbringen bei den schriftsätzlich formulierten Anträgen wohl auch nicht um Beweis- sondern Beweisermittlungsanträge gehandelt, denen das LSG schon deshalb nicht hätte nachgehen müssen.

Der Vortrag im Übrigen ist, soweit er nicht eine für die Revisionszulassung unbeachtliche Rüge einer Verletzung des § 128 SGG betrifft (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG), als Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des LSG zu werten, die die Zulassung der Revision aber ohnehin nicht rechtfertigen kann. Denn Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

Soweit der Kläger schließlich geltend macht, das Gericht habe ihm keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass sein bisheriger Vortrag in Bezug auf den Mehrbedarf für Ernährung nicht ausreichend substantiiert sei und damit gegen die ihm obliegende richterliche Hinweispflicht (§ 106 SGG) verstoßen, ist der behauptete Mangel aus dem gleichen Grund nicht ausreichend dargelegt, denn es fehlt auch insoweit an Vortrag dazu, weshalb das Gericht trotz seiner Auffassung, weitere Beweiserhebung sei nicht erforderlich, darauf hätte hinwirken sollen. Deshalb hätte sich die Beschwerdebegründung im Zusammenhang mit einer Rüge der Verletzung des § 106 SGG auch damit beschäftigen müssen, wieso das Hinwirken auf eine Vervollständigung eines ggf vorliegenden Beweis(ermittlungs)antrags überhaupt Gegenstand einer Hinweispflicht nach § 106 SGG gewesen sein könnte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil das LSG die Beweiserhebung nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht nur mit fehlenden Formanforderungen an einen Beweisantrag abgelehnt hat, sondern ua damit, dass die geltend gemachten Mehrbedarfe nicht substantiiert dargelegt seien.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

S. Knickrehm

Neumann

Richterin am BSG Siefert ist wegen … an der Signatur gehindert

S. Knickrehm

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15825242

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