Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Abweichung. Rechtssache. Grundsätzliche Bedeutung. Plausibilitätsprüfung. Zeitaufwand des Arztes. Kalkulationszeiten. Prüfzeiten. Leistungslegende. Prüfzeit. Normativer Charakter. Bewertungsausschuss. Gestaltungsspielraum. Feststellungslast. Vergütungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Rüge fehlerhafter Subsumtion im Einzelfall ist nicht geeignet, eine Rechtssprechungsabweichung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zu begründen.
2. Es ist bereits geklärt, dass für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nur solche Leistungen einbezogen werden dürfen, die ein Tätigwerden des Arztes voraussetzen.
3. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; soweit Angaben zum Zeitaufwand bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen zugrunde zu legen.
4. Der Bewertungsausschuss muss die im EBM-Ä bewerteten Leistungen soweit möglich auch mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes versehen.
5. Die im EBM-Ä enthaltenen und den einzelnen GOP unmittelbar zugeordneten Kalkulations- und Prüfzeiten haben normativen Charakter und müssen so bemessen sein, dass sie auch von erfahrenen und zügig arbeitenden Ärzten für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung benötigt werden.
6. Den „gleichen normativen Rang” haben Leistungslegende und Prüfzeit.
7. Auch bei der Festlegung der Zeitvorgaben im EBM-Ä haben die Gerichte den dem Bewertungsausschuss in seiner Funktion als Normgeber zukommenden Gestaltungsspielraum zu respektieren.
8. Aus der Überschreitung von Tages- und Quartalszeitprofilen kann im Wege des Indizienbeweises auf die Unrichtigkeit der Abrechnung geschlossen werden.
9. Wenn der Arzt die Streichung der über die Auffälligkeitsgrenze hinaus abgerechneten Leistungen als fehlerhafte Schätzung in Frage stellen will, muss er Gesichtspunkte anführen, aus denen sich ergeben kann, dass sein Leistungsverhalten korrekt war, obwohl grundsätzlich die Überschreitung der Zeitgrenzen nach § 8 AbrPr-RL eine Unkorrektheit der Abrechnung indiziert.
10. Es ist in erster Linie Sache des Arztes, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen; diese Obliegenheit ist umso ausgeprägter, je gravierender die Hinweise auf Abrechnungsfehler sind.
11. Als Anspruchsteller trifft den Arzt grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch; das gilt vor allem, wenn sich der Arzt auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB V § 87 Abs. 2 S. 1, § 106a Abs. 2 Sätze 2, 4, § 106d Abs. 2 S. 2; EBM-Ä 31.3.1 Nr. 1; AbrPr-RL §§ 8, 12 Abs. 2-3
Verfahrensgang
SG Gotha (Entscheidung vom 14.06.2017; Aktenzeichen S 2 KA 3002/14) |
Thüringer LSG (Urteil vom 16.06.2021; Aktenzeichen L 11 KA 1263/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 9645,99 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Im Streit stehen sachlich-rechnerische Berichtigungen von Honorarabrechnungen des Klägers aufgrund einer Plausibilitätsprüfung. Der Kläger, der als Facharzt für Anästhesie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, arbeitete in den hier betroffenen Quartalen 1/2009 bis 4/2009 mit dem Chirurgen W zusammen und erbrachte in dessen Tagesklinik im Rahmen von ambulanten Operationen verschiedene Anästhesieleistungen.
Bei der Honorarfestsetzung berücksichtigte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ua auch erbrachte Leistungen des Abschnitts 31.3 ("Postoperative Überwachungskomplexe nach ambulanter Erbringung der Leistungen entsprechend den Gebührenordnungspositionen des Abschnittes 31.2"; Gebührenordnungspositionen ≪GOP≫ 31501 bis 31507) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä). Hierzu enthält die Präambel 31.3.1 Nr 1 EBM-Ä folgende Abrechnungsbestimmungen: "Haben an der Erbringung der Leistungen des Abschnitts 31.2, die nachfolgend eine Überwachung entsprechend Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 31.3 erforderlich machen oder an der Überwachung selbst mehrere Ärzte mitgewirkt, hat der die Gebührenordnungspositionen dieses Abschnitts abrechnende Arzt in einer der Quartalsabrechnung beizufügenden und von ihm unterzeichneten Erklärung zu bestätigen, dass er mit den anderen Ärzten eine Vereinbarung darüber getroffen hat, wonach nur er allein in den jeweiligen Fällen diese Gebührenordnungspositionen berechnet." Zwischen dem Kläger und W war auf dieser Grundlage vereinbart, dass allein der Kläger die GOP des Abschnitts 31.3 EBM-Ä abrechnet.
Nach Durchführung einer Plausibilitätsprüfung berichtigte die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale 1/2009 bis 4/2009 und forderte insgesamt 9645,99 Euro zurück. Eine Prüfung mittels Tagesprofilen habe ergeben, dass der Kläger jeweils an mehreren Behandlungstagen im Quartal mehr als zwölf Arbeitsstunden abgerechnet habe. Zudem habe er ua die GOP 31828 (Zuschlag zu den GOP 31821 bis 31826 sowie zu der GOP 31827) häufig zu Unrecht abgerechnet. Aufgrund der nachgewiesenen Rechtswidrigkeit habe der Vorstand eine prozentuale Kürzung des Honorars entsprechend der Überschreitung der Zwölf-Stunden-Grenze beschlossen.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.5.2014). Die Klage, mit der der Kläger ua geltend machte, dass bei Erstellung der Tageszeitprofile zu Unrecht die postoperativen Leistungen berücksichtigt worden seien, obwohl er diese aufgrund der Vereinbarung nach der Präambel 31.3.1 Nr 1 EBM-Ä nicht ausschließlich persönlich erbracht habe, ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 14.6.2017). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das Urteil des SG geändert und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Beklagte bei der Korrektur der Honorarbescheide in den Tagesprofilen die postoperativen Überwachungsleistungen nach Abschnitt 31.3 EBM-Ä berücksichtigt hat. Zudem hat es die Beklagte zur entsprechenden Neubescheidung verurteilt. Zwar habe der Kläger unrechtmäßig abgerechnet, sodass die sachlich-rechnerische Richtigstellung im Grundsatz zu Recht erfolgt sei. Auch ohne Berücksichtigung der postoperativen Leistungen habe der Kläger an zahlreichen Tagen der betroffenen Quartale Arbeitszeiten von mehr als zwölf Stunden zu verzeichnen. Zudem seien die Voraussetzungen für die Abrechnung der Zuschläge nach der GOP 31828 EBM-Ä nicht erfüllt. Der Kläger habe daher grob fahrlässig gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Die Beklagte habe jedoch einen zu hohen Rückforderungsbetrag festgesetzt. Sie habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger mit dem Operateur eine Vereinbarung nach der Präambel 31.3.1 Nr 1 EBM-Ä getroffen habe. Nach der Rechtsprechung des BSG dürften für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzten. Delegationsfähige Leistungen hätten außer Betracht zu bleiben (Hinweis auf BSG Urteil vom 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4). Außer Betracht müssten daher auch solche Leistungen bleiben, die der Arzt zwar abrechne, aber nicht in eigener Person erbringen müsse. Genau dies regele aber hier die Vereinbarung nach der Präambel 31.3.1 Nr 1 EBM-Ä. Mithin seien die postoperativen Leistungen für die Erstellung von Tagesprofilen nur beachtlich, wenn die Beklagte den Nachweis führe, dass der Kläger sie an einzelnen Tagen tatsächlich erbracht habe. Dies sei nicht der Fall.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Beklagte Rechtsprechungsabweichungen sowie - hilfsweise - die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
II
A. Die Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Die von der Beklagten erhobene Rüge der Rechtsprechungsabweichung entspricht bereits nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Anforderungen. Zur formgerechten Rüge eines Zulassungsgrundes der Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG sind abstrakte Rechtssätze des Urteils des LSG und eines Urteils des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG zu bezeichnen und einander gegenüberzustellen und es ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - juris RdNr 8 mwN). Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN). Es fehlt bereits an der Gegenüberstellung sich widersprechender Rechtssätze.
a. Nach Auffassung der Beklagten steht zunächst die Feststellung des LSG: "Außer Betracht haben daher solche Leistungen zu bleiben, die der Arzt zwar abrechnet, aber nicht in eigener Person erbringen muss, selbst wenn es sich dabei um grundsätzlich vom Anhang 3 zum EBM als für Tagesprofile geeignete Leistungen handelt", in Divergenz zu den Entscheidungen des BSG vom 24.10.2018 (B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr 19 und B 6 KA 43/17 R - juris). Denn dort habe das BSG im Hinblick auf die in Anhang 3 des EBM-Ä geregelten Prüfzeiten den Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses (BewA) betont. Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des BewA sei dementsprechend auf die Prüfung beschränkt, ob eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bestehe und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraumes eingehalten seien. Diese Maßstäbe habe das LSG verkannt.
Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen rügt die Beklagte im Kern lediglich die - ihrer Ansicht nach falsche - Entscheidung des LSG im Einzelfall. Dies wird deutlich, wenn sie in ihrer Beschwerdebegründung ausführt: "Die … Überprüfungsmaßstäbe des BSG wurden vom Thüringer LSG … nicht eingehalten", "die Feststellungen des Thüringer LSG entsprechen … nicht der Ausübung einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle untergesetzlicher Rechtsnormen" bzw "das Thüringer LSG überschreitet den gerichtlichen Kontrollmaßstab, indem es feststellt, dass die betreffenden GOPen nicht für die Tagesprofile geeignet gewesen seien" (Beschwerdebegründung S 4). Dies stellt lediglich eine Rüge fehlerhafter Subsumtion im Einzelfall dar, die nicht geeignet ist, eine Rechtssprechungsabweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu begründen.
Zudem widersprechen sich die Entscheidungen des BSG und des LSG nicht. Das LSG hat keine Aussage dahingehend getroffen, dass der BewA im Hinblick auf die für die GOP 31501 bis 31507 im Anhang 3 des EBM-Ä festgelegten Prüfzeiten (fünf bis 25 Minuten) seinen Gestaltungsspielraum überschritten habe und diese Prüfzeiten daher grundsätzlich nicht zur Erstellung von Tagesprofilen herangezogen werden können. Vielmehr hat es - mit Bezugnahme auf und in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Senats vom 24.11.1993 (6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 RdNr 26) ausgeführt, dass bei der Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag nur solche Leistungen einbezogen werden dürfen, die ein Tätigwerden des Arztes voraussetzen. Hieraus hat es sodann den Rückschluss gezogen, dass damit auch solche Leistungen außer Betracht zu bleiben haben, die der Arzt zwar abrechnet, aber - hier - aufgrund einer Vereinbarung nach Präambel 31.3.1 Nr 1 EBM-Ä nicht selbst erbringen muss.
b. Die Beklagte rügt weiterhin, dass nach Auffassung des LSG die postoperativen Leistungen "nur dann für die Erstellung von Tagesprofilen beachtlich sind, wenn die Beklagte den Nachweis erbringen kann, dass der Kläger sie an einzelnen Tagen tatsächlich erbracht hat". Diese Feststellung weiche vom Urteil des BSG vom 21.3.2021 (gemeint offensichtlich Urteil vom 21.3.2018 - B 6 KA 47/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 18) ab. Denn danach seien bei den arztbezogenen Plausibilitätsprüfungen nach Tagesprofilen die Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V zugrunde zu legen. Die auf dieser Grundlage erfolgten allgemeinen Festlegungen seien nach der Rechtsprechung des BSG einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich und ließen keinen Raum für die Zugrundelegung von individuellen Zeiten.
Diesen Ausführungen der Beklagten lassen sich schon keine unterschiedlichen Rechtssätze entnehmen, die als sich widersprechend gegenübergestellt werden. Die Beklagte räumt selbst ein, dass es bei der Frage, ob und inwieweit Leistungen der postoperativen Überwachung des Abschnitts 31.3 EBM-Ä in die Tagesprofile einfließen dürfen, nicht darum geht, ob der Kläger die abgerechneten Leistungen in kürzerer Zeit als in den im Anhang 3 EBM-Ä vorgegebenen Zeiten erbracht hat. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, auch bei der Vereinbarung nach der Präambel 31.3.1 Nr 1 EBM-Ä handele es sich um einen "individuellen Aspekt", legt sie nur dar, dass das LSG - aus ihrer Sicht - die Rechtsprechung des BSG unrichtig angewandt hat. Dies ist als bloße Subsumtionsrüge nicht ausreichend.
c. Nichts anderes gilt, soweit die Beklagte schließlich rügt, das LSG weiche auch vom Urteil des BSG vom 24.11.1993 (6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4) ab, wenn es ausführe: "Außer Betracht haben daher solche Leistungen zu bleiben, die der Arzt zwar abrechnet, aber nicht in eigener Person erbringen muss, selbst wenn es sich dabei um grundsätzlich vom Anhang 3 zum EBM als für Tagesprofile geeignete Leistungen handelt". Nach dem Urteil des BSG dürften für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzten. Zwar habe das BSG in diesem Zusammenhang entschieden, dass delegationsfähige Leistungen außer Betracht blieben. Zu Fragen der als Tagesprofile geeigneten Leistungen nach Anhang 3 zum EBM-Ä treffe das Urteil des BSG demgegenüber keine Aussage. Folglich weiche das Urteil des LSG hiervon ab.
Damit trägt die Beklagte aber lediglich vor, die Fallkonstellation des vorliegenden Verfahrens unterscheide sich von derjenigen, die dem Senatsurteil vom 24.11.1993 zugrunde lag, und setzt sich im Übrigen allein mit der Subsumtion des LSG auseinander. Im Übrigen widersprechen sich die Entscheidungen des BSG und des LSG nicht. Es ist durch die Entscheidung des Senats vom 24.11.1993 (6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4) vielmehr geklärt, dass für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nur solche Leistungen einbezogen werden dürfen, die ein Tätigwerden des Arztes voraussetzen. Folgerichtig können dann solche Leistungen im Rahmen der Gesamtbehandlungszeit nicht berücksichtigt werden, die der Arzt zulässigerweise nicht persönlich erbracht hat. Denn die Plausibilitätsprüfung befasst sich mit der Frage, ob es für den Arzt möglich war, die abgerechneten Leistungen persönlich, vollständig, den Regelungen entsprechend oder auch überhaupt zu erbringen.
2. Soweit die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg. Eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen besteht nicht.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5; BSG Beschluss vom 15.10.2020 - B 6 KA 16/20 B - juris RdNr 8). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4). Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde oder wenn die Bedeutung über den Einzelfall hinaus fehlt, weil eine weitergehende Bedeutung der Rechtsfrage für weitere Fälle nicht erkennbar ist oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 17/18 B - juris RdNr 7).
Die Beklagte hält die folgenden Rechtsfragen für klärungsbedürftig:
"ob die vom Bewertungsausschuss im Anhang 3 des EBM festgelegten Prüfzeiten Rechtsnormcharakter haben und somit den postoperativen Überwachungsleistungen nach den GOPen 31501, 31502, 31503, 31504, 31505, 31506 und 31507 EBM die im Anhang 3 des EBM aufgeführten Mindestzeiten zu beachten sind und/oder
aufgrund der nach dem Wortlaut des EBM gegebenen Möglichkeit der Mitwirkung mehrerer Ärzte an der Leistungserbringung die Kassenärztliche Vereinigung trotz des Vorhandenseins von Prüfzeiten nachweispflichtig ist, welcher Arzt die Leistungen tatsächlich erbracht hat."
a. Die erste aufgeworfene (Teil-)Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung bereits aus den gesetzlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Senats ergibt. Schon aus § 106a Abs 2 Satz 2 SGB V(hier noch idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190 ≪im Folgenden: aF≫; heute: § 106d Abs 2 Satz 2 SGB V) folgt, das Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes ist. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen zugrunde zu legen (§ 106a Abs 2 Satz 4 SGB V aF; heute: § 106d Abs 2 Satz 4 SGB V). Nach § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V muss der BewA die im EBM-Ä bewerteten Leistungen soweit möglich auch mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes versehen. Dem hat der BewA durch die Bekanntgabe der im Anhang 3 des EBM-Ä enthaltenen und den einzelnen GOP unmittelbar zugeordneten Kalkulations- und Prüfzeiten entsprochen. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass diese Kalkulations- und Prüfzeiten normativen Charakter haben und so bemessen sein müssen, dass sie auch von erfahrenen und zügig arbeitenden Ärzten für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung benötigt werden (BSG Urteil vom 15.7.2020 - B 6 KA 15/19 R - SozR 4-5531 Nr 31822 Nr 1 RdNr 24). Auch hat der Senat den "gleichen normativen Rang" von Leistungslegende und Prüfzeit betont (BSG aaO RdNr 24). Zudem ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass auch bei der Festlegung der Zeitvorgaben im EBM-Ä nach § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V die Gerichte den dem BewA in seiner Funktion als Normgeber zukommenden Gestaltungsspielraum zu respektieren haben (BSG Urteile vom 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr 19, RdNr 13 und B 6 KA 43/17 R - juris RdNr 14).
b. Auch hinsichtlich der von der Beklagten aufgeworfenen weiteren Fragestellung zur "Beweisführung" bzw "Beweislast" besteht keine grundsätzliche Bedeutung. Wenn die Beklagte vor diesem Hintergrund formuliert, sie habe sich nicht nur auf "Vermutungen gestützt, vielmehr die infolge der Plausibilitätsprüfungen vermerkten Auffälligkeiten zum Anlass genommen, weitere Prüfungen und Feststellungen im Sinne des § 12 AbrPR-RL zu treffen", dieses Vorgehen führe nach "allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen dazu, dass die Beklagte sich die volle Überzeugung von der fehlerhaften Abrechnung verschafft hat" und der Kläger habe "außer der bloßen Behauptung, dass er nicht sämtliche postoperative Überwachungsleistungen selbst erbracht hat, den genauen Geschehensablauf nicht glaubhaft gemacht", spricht sie keine abstrakten Rechtsfragen, sondern Tatsachenfragen und die Frage der Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht an. Dass ein Beteiligter das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann aber gerade nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 20.2.2020 - B 6 KA 12/19 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Auch soweit die Beklagte ausführt, nach der Rechtsprechung des BSG sei die Beweisführung mit Tagesprofilen dem Indizienbeweis zuzuordnen, folgt hieraus nichts anderes. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann aus der Überschreitung von Tages- und Quartalszeitprofilen im Wege des Indizienbeweises auf die Unrichtigkeit der Abrechnung geschlossen werden (BSG Urteil vom 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234, 238 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 13 f; BSG Urteil vom 26.1.1994 - 6 RKa 29/91 - BSGE 74, 44, 50 = SozR 3-1300 § 45 Nr 21 S 67 = juris RdNr 26; BSG Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 27/11 B - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr 19, RdNr 20). Zwar folgt aus entsprechenden Auffälligkeiten noch nicht unmittelbar, dass Leistungen im Umfang der entsprechenden Überschreitung nicht ordnungsgemäß erbracht sind. Vielmehr hat die KÄV beim Vorliegen von Abrechnungsauffälligkeiten nach § 12 Abs 2 und 3 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen (AbrPr-RL) "mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen" darüber zu entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang die Abrechnung unrichtig ist oder ob sich die Auffälligkeiten zugunsten des Arztes erklären lassen. Wenn der Arzt sodann die Streichung der über die Auffälligkeitsgrenze hinaus abgerechneten Leistungen als fehlerhafte Schätzung in Frage stellen will, muss er Gesichtspunkte anführen, aus denen sich ergeben kann, dass sein Leistungsverhalten korrekt war, obwohl grundsätzlich die Überschreitung der Zeitgrenzen nach § 8 AbrPr-RL eine Unkorrektheit der Abrechnung indiziert. Welche Gesichtspunkte insoweit gleichwohl die korrekte Abrechnung belegen können, entzieht sich jedoch einer generellen Festlegung (BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr 19, RdNr 26). Dass sich vorliegend weitergehende oder neue Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu diesem Themenkreis stellen könnten, ist nicht erkennbar.
Gleiches gilt soweit die Beklagte in Frage stellt, ob sie - die Beklagte - nachweisen müsse, dass der Kläger die postoperativen Leistungen an einzelnen Tagen tatsächlich selbst erbracht habe. Es ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es in erster Linie Sache des Arztes ist, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen. Diese Obliegenheit ist umso ausgeprägter, je gravierender die Hinweise auf Abrechnungsfehler sind. Als Anspruchsteller trifft den Arzt grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch (BSG Beschluss vom 6.9.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 17.3.2016 - B 6 KA 60/15 B - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr 8 RdNr 27). Das gilt vor allem, wenn sich der Arzt auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG Beschluss vom 17.3.2016 - B 6 KA 60/15 B - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr 8 RdNr 27; vgl zur Wirtschaftlichkeitsprüfung BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 mwN). Auch im Zuge der Prüfung der Richtigkeit der Honorarabrechnung ist der Arzt insoweit zur Mitwirkung verpflichtet. Die Ausgestaltung des Verfahrens der sachlich-rechnerischen Richtigstellung (hier noch nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V; jetzt § 106d Abs 2 Satz 1 SGB V) zielt darauf ab, unter den Bedingungen der zahlenmäßig hohen Abrechnungen durch Ärzte eine für Ärzte und die KÄVen gleichermaßen tragfähige wie inhaltlich zutreffende Überprüfung der Abrechnungen sicherzustellen. Dabei ist der Arzt bei der Prüfung der Richtigkeit der Honorarabrechnung zur Mitwirkung verpflichtet, indem er bei entsprechenden Zweifeln die allein ihm bekannten Tatsachen aus seiner Sphäre vorträgt. Wenn der Arzt diesen Anforderungen nicht entspricht und wenn Voraussetzungen für die Abrechnung von Leistungen aus diesem Grunde nicht festzustellen sind, dann geht dies zu Lasten des Arztes (vgl zB BSG Beschluss vom 6.9.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris RdNr 8; BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 41/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 46 RdNr 23; BSG Urteil vom 26.6.2019 - B 6 KA 68/17 R - SozR 4-2500 § 106d Nr 6 RdNr 26; vgl zur Zulässigkeit von Quoten bei sachlich-rechnerischer Richtigstellung von Laborleistungen in einer Notfallambulanz eines Krankenhauses: BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr 8 RdNr 39). Auch wenn nach diesen Grundsätzen die Schlussfolgerung des LSG, (allein) die Beklagte müsse den Nachweis der Leistungserbringung führen, möglicherweise unzutreffend ist, folgt hieraus keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtlich (vgl BSG Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris RdNr 6).
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
C. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht dem Regress in den streitbefangenen Quartalen.
Fundstellen
Dokument-Index HI15403688 |