Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über April 2015 hinaus.
Ihre gegen den Bescheid der Beklagten vom 5.3.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.6.2015 gerichtete Klage hat das SG abgewiesen, nachdem es zwei Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eingeholt hatte, eines davon auf Antrag der Klägerin beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie F mit psychometrischer Zusatzbegutachtung (Urteil vom 19.4.2018). Die Klägerin hat sich während des dagegen von ihr angestrengten Berufungsverfahrens für knapp zwei Wochen und nochmals für gut vier Wochen in teilstationärer psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung befunden. Das LSG hat ein weiteres Gutachten beim Facharzt für Nervenheilkunde/Psychotherapie P1 mit testpsychologischer Zusatzbegutachtung sowie ergänzende Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Mit Urteil vom 26.3.2021 hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, auch mit den im Berufungsverfahren ergänzend gewonnenen Erkenntnissen lasse sich nicht feststellen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im relevanten Zeitraum auf unter sechs Stunden täglich abgesunken sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsmarkt für die Klägerin aufgrund der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen verschlossen sei, bestünden nicht.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 11.8.2021 begründet hat. Sie macht geltend, das Berufungsurteil stelle sich "als fehlerhaft in revisionsrechtlicher Hinsicht" dar.
II
1. Nach Schließung des 13. Senats zum 1.7.2021 durch Erlass des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24.6.2021 (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG) ist nach dem Geschäftsverteilungsplan nunmehr der 5. Senat des BSG zuständig.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Die Klägerin bezeichnet die von ihr allenfalls sinngemäß geltend gemachten Verfahrensmängel nicht anforderungsgerecht.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
a) Der Senat versteht das Vorbringen der Klägerin dahin, dass sie eine Verletzung der Begründungspflicht (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG und § 136 Abs 1 Nr 6 SGG) rügt. Nach den genannten Vorschriften sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht muss nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 1.12.2020 - B 12 KR 48/20 B - juris RdNr 9 mwN). Aus den Entscheidungsgründen muss aber ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Die Klägerin legt nicht dar, dass es hieran in Bezug auf das angegriffene Urteil fehlen könne. Ausgehend von ihren Angaben in der Beschwerdebegründung ist das LSG insbesondere der Einschätzung des Sachverständigen P1 gefolgt, dessen Gutachten es für in sich schlüssig und überzeugend gehalten hat. Das LSG hat hierzu ausgeführt, von den herangezogenen Sachverständigen nehme nur der Sachverständige F eine quantitative Leistungseinschränkung an; dessen Gutachten vermöge jedoch ua deswegen nicht zu überzeugen, weil es sich weder mit der bei der Klägerin gut erhaltenen Tagesstruktur auseinandersetze noch mit den von ihr im Einzelnen angegebenen Aktivitäten. Die Einschätzung des Sachverständigen F lasse sich auch nicht durch die Ausführungen der behandelnden Ärztin Z stützen, die nicht konsistent seien. Die im Entlassungsbericht der A Klinik P2 geäußerte Einschätzung, die Klägerin habe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich, werde allein mit dem - aus Sicht des LSG nicht überzeugenden - Gutachten des Sachverständigen F gestützt. Damit ist nicht dargetan, dass die angegriffene Entscheidung unverständlich geblieben sein könnte. Die Klägerin zeigt im Gegenteil auf, dass das LSG die divergierenden Gutachtenergebnisse und ärztlichen Einschätzungen gewürdigt und die dabei vorgenommenen Wertungen im Berufungsurteil dargestellt hat.
Die Klägerin wendet sich letztlich gegen die Beweiswürdigung durch das LSG, indem sie vorbringt, dieses habe die "falschen Schlüsse" gezogen und die für sie günstigen Begutachtungen und Feststellungen "aus dem Blick verloren", habe die Einschätzung des Sachverständige F nicht wegen einer aus Sicht des LSG zu knappen Darstellung des Tagesablaufs verwerfen und habe das von der A K P2 mitgeteilte Leistungsbild nicht in Frage stellen dürfen. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das Gleiche gilt für das Vorbringen der Klägerin, die von der A Klinik P2 mitgeteilte Fixierung auf das Rentenverfahren sei Teil ihres Krankheitsbilds und ihre unzureichende Beschwerdeschilderung in der Berufungsverhandlung Ausdruck ihrer Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Soweit die Klägerin vorträgt, ihr stehe wegen der bereits erfolgten Rentengewährung eine Beweiserleichterung zu, behauptet sie die inhaltlich Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Auch das kann nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
b) Falls die Klägerin mit ihrem Vorbringen, es wäre Sache des LSG gewesen, den Sachverständigen F zu etwaigen Mängeln seines Gutachtens zu befragen, eine unterbliebene Rückfrage an den Sachverständigen nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO rügen will und damit eine Verletzung der tatrichterlichen Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), wäre eine solche Sachaufklärungsrüge nicht anforderungsgerecht erhoben. Die Klägerin bringt schon nicht vor, einen entsprechenden Beweisantrag gegenüber dem LSG gestellt zu haben (vgl zu den Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Dass sie ihr eigenes Fragerecht aus § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) als verletzt ansieht, lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Im Übrigen wäre eine solche Gehörsrüge schon deswegen nicht anforderungsgerecht erhoben, weil die Klägerin nicht aufzeigt, hinsichtlich einer Befragung des Sachverständigen F ihrerseits alles getan zu haben, um sich mit zumutbarer Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (vgl zu dieser Anforderung zB BSG Beschluss vom 24.2.2021 - B 13 R 37/20 B - juris RdNr 11 mwN).
Sofern die Klägerin sinngemäß eine weitere Sachaufklärungsrüge erheben will, indem sie vorbringt, das LSG hätte aufklären müssen, dass es sich bei den Angaben von Frau Z zum Behandlungsbeginn um einen bloßen Schreibfehler gehandelt habe, benennt sie auch insoweit keinen übergangenen Beweisantrag.
c) Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe sie frühzeitig darauf hinweisen müssen, dass es der Einschätzung des Sachverständigen F nicht zu folgen gedenke, macht die Klägerin sinngemäß eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 Halbsatz 1 SGG) in Form einer sog Überraschungsentscheidung geltend. Eine derartige Entscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl zB BSG Beschluss vom 11.8.2021 - B 5 R 162/21 B - juris RdNr 12 mwN). Die Klägerin legt keine Umstände dar, die eine unerwartete Prozesswendung zu begründen in der Lage wären. Dass das LSG der Einschätzung des Sachverständigen F nicht gefolgt ist, vermochte schon deswegen nicht zu überraschen, weil dessen Annahmen bereits das SG nicht überzeugt haben, wie die Klägerin in der Beschwerdebegründung mitteilt. Zudem legt die Klägerin selbst dar, dass das LSG in der Berufungsverhandlung deutlich gemacht habe, mit welcher Beweiswürdigung sie rechnen könne. Dass die Klägerin diese Beweiswürdigung für falsch hält, vermag wie ausgeführt ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu tragen. Im Übrigen gibt es im einfachrechtlichen Prozessrecht keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit ihnen zu erörtern (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 9.10.2014 - B 13 R 157/14 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 2.3.2021 - B 5 RE 18/20 B - juris RdNr 22 - jeweils mwN).
Sollte die Klägerin eine Gehörsverletzung in Form einer unzureichenden Äußerungsmöglichkeit in der Berufungsverhandlung rügen wollen, indem sie vorbringt, die Ausführungen seitens des LSG in der mündlichen Verhandlung seien für sie "erschütternd" gewesen, sie sei davon "geschockt" worden und habe wenig entgegnen können, zeigt die Beschwerde schon nicht auf, an welchem Berufungsvorbringen die im Termin anwaltlich vertretene Klägerin hierdurch gehindert worden sei und inwiefern das angegriffene Urteil auf diesem Sachverhalt beruhen könne.
d) Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel anforderungsgerecht bezeichnet, indem die Klägerin vorbringt, das LSG sei voreingenommen gegenüber dem Sachverständigen F gewesen. Es sei auch ihr gegenüber voreingenommen gewesen, indem es ihr die Auswahl dieses Sachverständigen vorgehalten und sie letztlich verdächtigt habe, gegenüber der A Klinik P2 unzutreffende Angaben zu dessen Gutachten gemacht zu haben. Sofern die Klägerin damit sinngemäß die Verletzung ihres aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren rügen will, wäre auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet. An dem Recht auf ein faires Verfahren sind diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen der grundgesetzlichen Verfahrensgrundrechte nicht erfasst werden (vgl zB BVerfG Beschluss vom 15.1.2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248 = juris RdNr 69 mwN). Es ist (nur) verletzt, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten ergibt, dass das Fachgericht rechtsstaatlich unverzichtbare (Verfahrens-)Erfordernisse nicht gewahrt hat (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 14.11.2018 - 1 BvR 433/16 - juris RdNr 11 mwN). Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, inwiefern das prozessuale Vorgehen des LSG über die schon nicht anforderungsgerecht bezeichnete Verletzung speziellerer Verfahrensgrundrechte hinaus grundlegende Rechtsschutzstandards unterlaufen haben könnte und zB als widersprüchlich oder willkürlich anzusehen wäre. Die Klägerin zeigt insbesondere nicht auf, dass das LSG der Einschätzung des Sachverständigen F aus sachfremden Erwägungen nicht gefolgt sein könnte.
Sollte die Klägerin mit ihrem Vorwurf der Voreingenommenheit ein Ablehnungsgesuch gegen Mitglieder des LSG-Senats verbinden wollen, wäre dieses jedenfalls verspätet. Ein Antrag auf Ablehnung einer Gerichtsperson nach § 60 SGG iVm §§ 41 bis 46 Abs 1 und §§ 47 bis 49 ZPO kann nur bis zum Ende des betroffenen Rechtszugs gestellt werden (vgl etwa Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 60 RdNr 11 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14949602 |