Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Urteil vom 23.02.2018; Aktenzeichen L 9 AS 18/14) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 19.08.2014; Aktenzeichen S 26 AS 501/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 23. Februar 2018 - L 9 AS 18/14 - wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt J. ..., S. ..., beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als von grundsätzlicher Bedeutung erachtet sie, ohne insoweit jeweils bestimmte abstrakte Rechtsfragen klar zu formulieren, Fragen nach der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelbedarfe und hierbei insbesondere unter Berücksichtigung der Bedarfe von Menschen mit Behinderungen sowie Fragen nach der Vereinbarkeit des SGB II insgesamt mit dem Verfassungs- und Völkerrecht und hierbei insbesondere die Vereinbarkeit mit dem Zitiergebot des Art 19 Abs 1 Satz 2 GG. Hierzu unterbleibt eine zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit gebotene Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG und des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des SGB II zur Deckung existenznotwendiger Bedarfe durch Regelbedarfe und Mehrbedarfe ebenso wie die Darlegung der Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren (vgl insgesamt BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - BVerfGE 137, 34 = SozR 4-4200 § 20 Nr 20; vgl zum Völkerrecht BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - BVerfGE 132, 134, RdNr 68). Für die Darlegung von deren Klärungsbedürftigkeit genügt es insbesondere nicht, die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG anzuzweifeln oder für unrichtig zu halten.
Soweit der Kläger zudem die Frage formuliert "Kann einem Behinderten Leistungsempfänger der Mehrbedarf vorenthalten werden, wenn der Leistungsträger die Leistungen dem Grunde nach genehmigt hat, aber die weitere Ausführung (Umsetzung) verzögert bzw. verweigert?", stellt diese ganz auf den Einzelfall des Klägers ab, wie dieser ihn nach seinem Rechtsverständnis bewertet. Dass und warum diese Frage dennoch grundsätzliche Bedeutung haben könnte, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG oder BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG oder BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG oder BVerfG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG oder BVerfG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34, SozR 3-1500 § 160 Nr 36; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sich aus ihr nicht ergibt, dass das LSG dem BSG oder BVerfG widersprochen und von deren rechtlichen Aussagen abweichende, dh mit diesen unvereinbare rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Schon konkrete Rechtssätze der jeweiligen Gerichte werden nicht bezeichnet und einander gegenübergestellt.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit als ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) gerügt wird, das LSG habe eine Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG oder an ein europäisches bzw internationales Gericht unterlassen, setzt diese Rüge voraus, dass das LSG die vom Kläger als von grundsätzlicher Bedeutung erachteten verfassungs- und völkerrechtlichen Fragen in bestimmter Weise beantwortet hat oder hätte beantworten müssen, es insbesondere von der Verfassungswidrigkeit des SGB II hätte überzeugt sein müssen. Dies lässt sich der Beschwerdebegründung indes nicht entnehmen.
Soweit als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gerügt wird, das LSG habe seine Entscheidung nicht begründet, ist der Beschwerdebegründung nur zu entnehmen, dass den Kläger die Begründung des LSG nicht überzeugt; hieraus folgt jedoch keine Gehörsverletzung. Soweit als Gehörsverletzung eine unzureichende Auseinandersetzung des LSG mit dem Vorbringen des Klägers gerügt wird, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, dass und inwieweit diese ausgehend vom Rechtsstandpunkt des LSG erforderlich war. Soweit eine unzureichende Amtsermittlung (§ 103 SGG) des LSG gerügt wird, kann hierauf ein Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG); dies lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen, die weder einen konkreten Beweisantrag des im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägers bezeichnet noch sonst erkennen lässt, zu welchen Ermittlungen sich das LSG ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt hätte gedrängt sehen müssen. Soweit auch Verfahrensmängel des SG gerügt werden, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass und warum diese bei ihrem Vorliegen im Berufungsverfahren fortwirkten; dies ist indes erforderlich, weil der Verfahrensrüge grundsätzlich nur Verfahrensfehler der Berufungsinstanz und allenfalls ausnahmsweise fortwirkende Fehler des SG unterliegen (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 16a mwN).
Soweit der Kläger es zudem als willkürlich rügt, dass das LSG die PKH-Ablehnung durch das SG aufgehoben und ihm PKH bewilligt habe, nicht aber das Verfahren an das SG zurückverwiesen habe, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, dass und warum dies eine Willkürlichkeit der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung des LSG in der Hauptsache begründen könnte.
PKH ist dem Kläger nicht zu bewilligen, da seine Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12719936 |