Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. September 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 6.9.2017 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für eine im Jahr 2014 durchgeführte stationäre Heilbehandlung am Toten Meer verneint und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Berlin vom 14.9.2016 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt als Rechtsfrage vor, der er grundsätzliche Bedeutung beimisst,
"ob die besondere Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 SGB VI für Klimaheilkuren am Toten Meer im DMZ in Israel grundsätzlich mit einer Ermessensreduzierung auf "Null" zu bejahen ist, wenn der jeweilige Rentenversicherungsträger in einer Vor- oder Nachentscheidung für vorangegangene oder Folgezeiträume oder für den beantragten Zeitraum die besondere Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 SGB VI bereits bejaht hatte, und folgende Kriterien erfüllt sind:
- Ausgeprägte Krankheitsanamnese mit schwer chronifiziertem, über Jahrzehnte hinweg progredientem Verlauf der Psoriasis,
- ständige ambulante ärztliche Betreuung unter Einschluss erfolgloser sogenannter "systemischer Therapien" (Fumarsäureesther, Methothrexat u.a.),
- Durchführung stationärer inländischer Rehabilitationsmaßnamen mit nachweislich geringem Erfolg und kürzeren Remissionszeiten, oder alternativ individuelle Betätigung durch behandelnde Ärzte wie beauftragte Sachverständige, dass für den betroffenen Versicherten letztlich erfolgsversprechend alleine eine Heilmaßnahme am Toten Meer ist,
- ausgeprägter Akutbefund mit schweren Haut-Efloreszenzen,
- in jedem Fall individuelle Bestätigung durch behandelnde Ärzte wie beauftragte Sachverständige, dass für den betroffenen Versicherten letztlich erfolgversprechend (innerhalb der Vierjahresfrist nach § 12 SG VI) alleine eine Maßnahme am Toten Meer ist?"
Der Kläger formuliert damit schon keine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - Juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). In der Sache rügt der Kläger vielmehr eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall, das irrtümlich die Voraussetzungen eines Anspruchs auf vorzeitige Leistungsgewährung nach § 12 Abs 2 S 2 SGB VI und die weiteren Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs (Anspruch des Klägers auf die konkret durchgeführte Maßnahme) verneint habe. Der Kläger entnimmt die in seiner Frage formulierten Kriterien fast wortgleich der von ihm in seiner Beschwerdebegründung an späterer Stelle zitierten Entscheidung des Bayerischen LSG, das bei Vorliegen dieser besonderen Umstände ausnahmsweise einen gebundenen Anspruch auf die konkret durchgeführte Klimaheil-Kur bejaht hat (vgl Bayerisches LSG, Urteil vom 25.6.2013 - L 6 R 921/11 - RdNr 35-39). Zurecht hat das Bayerische LSG ausdrücklich betont, dass es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung handelte (vgl Bayerisches LSG, aaO RdNr 34).
Auch hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen "Rechtsfrage" nicht hinreichend begründet. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage sogar dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Eine Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung findet insoweit nicht statt (zu den Voraussetzungen einer gebundenen Verwaltungsentscheidung vgl zB BSG, Urteil vom 7.4.2016 - B 5 R 26/15 R - SozR 4-2600 § 89 Nr 3 RdNr 37 mwN).
Soweit der Kläger auf Seite 16 der Beschwerdebegründung ausführt, es bestehe ein Bedürfnis "zur Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes an der der Klärung dieser Rechtsfrage", kann eine Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zwar auch aus einer Verletzung von Verfassungsrecht ableiten. Sie darf sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargelegt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 123/12 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6). Der Kläger verweist lediglich auf die Entscheidung des Bayerischen LSG (Bayerisches LSG, aaO). Ausführungen zum Verfassungsrecht enthält die Beschwerdebegründung keine.
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Soweit der Kläger zunächst geltend macht, es treffe nicht zu und sei vom LSG "daher nicht nach §§ 103, 106 SGG ausreichend aufgeklärt worden, dass die Antragsabstände zu einer entscheidungserheblichen relevanten Krankheitstendenz […] geführt haben", dem LSG hätte sich "zum Problem der jährlichen Rehabilitation eine ärztliche Begutachtung aufdrängen" müssen und es habe sich nach §§ 103, 106 SGG weder angemessen mit den Risiken von alternativen medikamentösen noch dem Nutzen von rheumatologischen Therapiemöglichkeiten befasst, fehlt es bereits an der Bezeichnung von entsprechenden Beweisanträgen. Auch wenn ein Beteiligter - wie hier der Kläger - im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten war, muss er nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG darlegen, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben, und deshalb angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um den Fall weiter aufzuklären. Daher müssen auch unvertretene Kläger dem Berufungsgericht verdeutlichen, dass und ggf aus welchem Grund sie die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansehen und deshalb im Berufungsverfahren auf die weitere Sachverhaltsaufklärung hinwirken (vgl BSG Beschluss vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - BeckRS 2013, 69985 RdNr 8 mwN). Ebenso wie bei vor dem LSG rechtskundig vertretenen Klägern ist im Rahmen der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Beweisantrag so genau zu bezeichnen, dass ihn das Revisionsgericht ohne Weiteres auffinden kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Nr 21 RdNr 5). Es ist daher auch bei unvertretenen Klägern darzulegen, wann und wie sie dem LSG gegenüber den aus ihrer Sicht noch notwendigen Aufklärungsbedarf geltend gemacht haben (vgl BSG Beschluss vom 18.1.2011 - B 5 RS 55/10 B - BeckRS 2011, 68263 RdNr 9).
Soweit der Kläger vorträgt, er sei dadurch in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil das LSG ihn nicht auf die Notwendigkeit eines Beweisantrags hingewiesen habe, enthält auch dieses Vorbringen keine ausreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein Gericht nicht auf die Stellung von Beweisanträgen hinwirken oder vorab Hinweise auf eine mögliche Beweiswürdigung zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten geben muss (BSG, Beschluss vom 12.2.2002 - B 11 AL 249/01 B - Juris RdNr 7). Die vom Kläger zur Begründung einer entsprechenden Hinweispflicht zitierte Entscheidung des Senats betraf dagegen die Voraussetzungen einer zulässigen Verfahrensrüge der unterlassenen persönlichen Anhörung eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung (vgl BSG, Beschluss vom 14.4.2009 - B 5 R 206/08 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 6).
Eine Gehörsverletzung ist darüber hinaus auch nicht ausreichend begründet, soweit der Kläger eine Überraschungsentscheidung des LSG geltend macht. Eine Verletzung von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8a, 8b mwN). Der Kläger verweist selbst in der Beschwerdebegründung auf seinen schriftsätzlichen Vortrag vor dem LSG zur Notwendigkeit der jährlichen Klimakuren zur Verbesserung seiner Beschwerden. Allein der Umstand, dass das LSG den Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet indessen keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11650429 |