Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 12.01.2017; Aktenzeichen S 2 SO 22/16) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 31.07.2017; Aktenzeichen L 20 SO 101/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Juli 2017 - L 20 SO 101/17 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der 1948 geborene Kläger bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen; vor Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze bezog er von der Beklagten ergänzend Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Er lebt in einer Wohnung, deren Kosten nach Auffassung der Beklagten die maßgeblichen Angemessenheitsgrenzen übersteigen. Nach entsprechendem Hinweis, die Kosten seien zu senken, berücksichtigte sie seit November 2011 als Kosten der Unterkunft lediglich noch den von ihr als abstrakt angemessen angesehenen Betrag für das Stadtgebiet Herne, der auf der Wohngeldtabelle nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) fußt. Wegen einer Rentennachzahlung in Höhe von 22 277,76 Euro erhielt der Kläger von November 2012 bis Oktober 2014 keine Leistungen. Zuletzt lehnte die Beklagte einen Antrag vom 18.8.2014 ab, weil der Kläger den Verbrauch von Vermögen nicht hinreichend nachgewiesen habe (Bescheid vom 3.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014; Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Gelsenkirchen vom 7.10.2015 - S 2 SO 273/13 - und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 31.7.2017 - L 20 SO 512/15; Beschluss des Senats vom 13.9.2018 - B 8 SO 23/18 B).
Auf seinen Antrag vom 7.11.2014 lehnte die Beklagte Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab, weil der Kläger die Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe. Zugleich bewilligte sie - ausdrücklich beschränkt auf November 2014 - Leistungen nach dem 3. Kapitel (Bescheid vom 9.3.2015; Widerspruchsbescheid vom 22.6.2016). Für die Monate Dezember 2014 bis Juli 2016 überwies sie solche Leistungen in unregelmäßigen Abständen, ohne jeweils eine ausdrückliche Bewilligung auszusprechen. Gegen die Überweisung für den Monat Januar 2016 legte der Kläger erneut Widerspruch ein (am 4.1.2016), auf den die Beklagte vom Januar 2016 an höhere Leistungen unter Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft bewilligte und den Widerspruch im Übrigen zurückwies (Widerspruchsbescheid vom 22.6.2016). Die Klage gegen den Bescheid vom 9.3.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.6.2016 hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des SG vom 12.1.2017; Urteil des LSG vom 31.7.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zu entscheiden sei in der Sache über den Zeitraum vom 1.11.2014 bis zum 31.7.2016. Zwar sei die Ablehnung von Leistungen mit Bescheid vom 3.9.2014 zukunftsoffen erfolgt. Mit der erneuten Beantragung von Leistungen habe sich dieser Bescheid für die Zeit ab dem 1.11.2014 erledigt, ohne dass der Bescheid vom 9.3.2015 Gegenstand des dortigen Gerichtsverfahrens (L 20 SO 512/15) geworden sei. Sämtliche (durch Auszahlung konkludent erfolgten) Bewilligungen bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids seien dagegen in entsprechender Anwendung des § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Ein weiteres Widerspruchsverfahren brauche insoweit nicht stattzufinden. In der Sache bestünden keine Ansprüche auf höhere Leistungen, wobei im Höhenstreit wegen des gleichen Leistungsniveaus von Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel offenbleiben könne, ob ein Leistungsausschluss nach § 41 Abs 4 SGB XII vorliege. Weder die Regelleistung noch die Leistungen für Unterkunft und Heizung habe die Beklagte zu niedrig bestimmt; ein pauschaler Mehrbedarf wegen Warmwasserbereitung (vgl § 30 Abs 7 SGB XII) scheide aus, weil die Beklagte bereits die Kosten für den Betrieb der Gastherme als Kosten der Heizung übernehme.
Der Kläger beantragt beim Bundessozialgericht (BSG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen wegen der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelsatzes für die Jahre 2014, 2015 und 2016 stellen sich in Anbetracht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.7.2014 (BVerfGE 137, 34), die für die Höhe des Regelsatzes im streitigen Zeitraum maßgeblich ist, nicht. Ob die Beklagte und in der Folge das SG und das LSG im Einzelfall die abstrakte Angemessenheitsgrenze zutreffend bestimmt haben und ob dem Kläger Kostensenkungsmaßnahmen zumutbar waren, wirft keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze wie auch der Frage nach der Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen liegt gefestigte Rechtsprechung des BSG vor, die das LSG im Einzelnen in Bezug genommen hat. Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung zu § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bereits angeschlossen, auch wenn § 35 SGB XII im Wortlaut abweicht (vgl nur BSG SozR 4-3500 § 29 Nr 1). Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen sich schließlich nicht wegen der Frage nach einem Mehrbedarf auf Grundlage von § 30 Abs 7 SGB XII. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass ein solcher Mehrbedarf ausscheidet, wenn Wasser zwar dezentral in der Wohnung über eine Gastherme bereitet wird, sämtliche Kosten insoweit aber von den Zahlungen für Heizung erfasst werden. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Insbesondere die Ausführungen des LSG, dass sämtliche Bescheide, die wegen des streitigen Zeitraums im Laufe des Widerspruchsverfahren ergangen sind (auch wenn sie lediglich konkludent durch Auszahlung erfolgt sind), Gegenstand des Verfahrens geworden sind, lassen keinen Verfahrensfehler erkennbar werden (vgl dazu zuletzt BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 31/16 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Im Ergebnis ist deshalb auch zutreffend, dass ein Widerspruchsverfahren wegen der in dieser Zeit ergangenen Folgebescheide nicht durchgeführt zu werden brauchte. Die Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bezogen auf den gesamten Streitgegenstand ist auch erfüllt, wenn im Widerspruchsbescheid - wie hier - über einen Teil des Streitgegenstands unzutreffend nicht in der Sache entschieden wird, weil die Beklagte die Einbeziehung von Folgebescheiden nach § 86 SGG analog in das Widerspruchsverfahren verkennt und eine Entscheidung in der Sache insoweit ausdrücklich ablehnt. Die Frage, wann ein Widerspruchsverfahren entbehrlich sein könnte, stellt sich vorliegend deshalb nicht. Soweit das LSG auch den (weiteren) Widerspruchsbescheid analog § 86 SGG in das Verfahren einbezogen hat, ist dies zwar unzutreffend. Der Widerspruch im Januar 2016 war nach dem Gesagten nicht statthaft; der Widerspruchsbescheid war aber gleichwohl mit einer gesonderten Klage anfechtbar (vgl im Einzelnen den Beschluss in der Sache B 8 SO 44/17 BH). Die "Einbeziehung" in das vorliegende Verfahren hat in der Sache selbst aber keine Auswirkungen auf die Entscheidung des LSG gehabt, weil - wie oben ausgeführt - der Streitgegenstand als solcher zutreffend erfasst worden ist.
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.
Fundstellen
Dokument-Index HI13124867 |