Verfahrensgang

SG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 30.08.2022; Aktenzeichen S 24 SB 124/20)

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.11.2023; Aktenzeichen L 13 SB 238/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. November 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache im Wege der Untätigkeitsklage die Bescheidung eines 1988 gestellten Antrags auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises.

Das LSG hat den Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das SG verneint. Weder liege ein an den Beklagten gerichteter Antrag noch ein Widerspruch des Klägers gegen eine Antragsablehnung vor. Auch im Übrigen sei die Einleitung des Verfahrens auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises nicht nachgewiesen(Urteil vom 14.11.2023) .

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt, mit der er als Verfahrensmangel eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht(§ 103 SGG ) rügt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil er weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch einen Verfahrensmangel ordnungsgemäß dargetan hat(vgl§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie diejenige des Klägers - darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) , müssen bei der Bezeichnung dieses Mangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden(vglBSG Beschluss vom 31.7.2023 - B 9 V 2/23 B - juris RdNr 6 mwN) . Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Danach hat der Kläger die als Verfahrensmangel allein gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht(§ 103 SGG ) nicht hinreichend substantiiert bezeichnet. Für eine solche Rüge muss die Beschwerdebegründung Darlegungen zu folgenden Punkten enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(stRspr; zBBSG Beschluss vom 10.3.2023 - B 9 SB 43/22 B - juris RdNr 6 ;BSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 9 ) . Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein - wie der Kläger - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und zumindest noch hilfsweise aufrechterhalten hat(stRspr; zBBSG Beschluss vom 11.6.2022 - B 9 V 5/22 B - juris RdNr 4 ;BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 13 R 40/20 B - juris RdNr 5 ) . Ergeht die angefochtene Entscheidung ohne mündliche Verhandlung muss aufgezeigt werden, dass dieser Antrag trotz der Erteilung des Einverständnisses mit dieser Verfahrensweise(vgl§ 124 Abs 2 SGG ) weiter aufrechterhalten worden ist(vgl zu diesem ErfordernisBSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 9 SB 28/22 B - juris RdNr 8 mwN). Denn ein Beweisantrag hat Warnfunktion. Er soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen bloße Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, weil es sich insoweit nur um Hinweise oder bloße Anregungen handelt(BSG Beschluss vom 10.3.2023 - B 9 SB 43/22 B - juris RdNr 6 mwN) .

Diese Anforderungen an die Darlegung einer Sachaufklärungsrüge erfüllt der Vortrag des Klägers nicht. Vielmehr räumt er selbst ein, mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.8.2023 keinen förmlichen Beweisantrag gestellt, sondern die Ladung des darin genannten Zeugen Dr. A lediglich "angeregt" zu haben. Bloße Beweisanregungen haben aber prozessual, wie ausgeführt, nicht dieselbe Bedeutung wie ein Beweisantrag; sie können ihn deshalb nicht ersetzen(vglBSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 9 SB 28/22 B - juris RdNr 8 mwN) .

Unabhängig davon hat der Kläger auch nicht dargelegt, sein Beweisbegehren aufrechterhalten und auf einer Beweiserhebung bestanden zu haben, obwohl er einer Entscheidung des LSG ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hatte(vglBSG Beschluss vom 24.10.2023 - B 5 R 93/23 B - juris RdNr 14 ;BSG Beschluss vom 25.11.2013 - B 13 R 339/13 B - juris RdNr 6 und 10) .

Soweit der Kläger schließlich zum Beleg seines vermeintlich noch offenen Antrags auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises aus dem Jahr 1988 den Inhalt weiterer schriftlicher Unterlagen anführt, wendet er sich gegen deren Auswertung und Würdigung durch das LSG und damit im Kern gegen dessen Beweiswürdigung(vgl§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) . Damit kann er indes von vornherein keine Revisionszulassung erreichen, wie sich aus § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ergibt. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 10 EG 1/20 BH - juris RdNr 11 ;BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) .

2. Ebenso wenig substantiiert dargelegt hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 14 ;BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6 ).

Diese Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger misst "der Prüfung" grundsätzliche Bedeutung zu,

"ob ein zu DDR-Zeiten betriebenes Verwaltungsverfahren aufgrund einer entsprechenden Antragstellung betrieben wurde".

Damit und mit seinen weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung hat der Kläger indes schon keine hinreichend konkrete Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts(vgl§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht bezeichnet. Die Beschwerdebegründung benennt insbesondere kein Tatbestandsmerkmal einer bestimmten Norm, dessen Auslegung nach seiner Ansicht grundsätzlicher Bedeutung zukommt.

Unabhängig davon fehlt es auch an der Darlegung, warum die vom Kläger angedeutete Fragestellung auf der Grundlage der für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG ) in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Danach ließ sich die von der Frage thematisierte Antragstellung in einem DDR-Verwaltungsverfahren durch den Kläger gerade nicht beweisen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2,§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) .

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des§ 193 SGG .

Kaltenstein

Othmer

Röhl

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16327001

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