Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 28.02.2001) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2001 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) gerichtete Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat die Klägerin, die ihre Beschwerde auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf eine Abweichung des Berufungsurteils von einer Entscheidung des BSG stützt, nicht hinreichend Rechnung getragen.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Entsprechend den Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl Krasney/Udsching, aaO, RdNrn 56 ff) ist zunächst darzulegen, welcher konkreten abstrakten Rechtsfrage in dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits. Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, aaO, RdNr 181). Es muß sich um eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß bei der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65 ff; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 160 ff). Voraussetzung hierfür ist stets, daß eine Rechtsfrage zur Entscheidung ansteht, die klärungsfähig ist, dh in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Die Beschwerdeführerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob ein zum Anscheinsbeweis tauglicher Erfahrungssatz besteht, daß eine Person, deren Blutprobe nicht lege artis entnommen worden ist und die nach ungeklärter Aufbewahrung erst nach nicht unerheblicher Zeit untersucht worden ist, eine BAK zum Zeitpunkt der Entnahme gehabt hat, die der BAK der Blutprobe zum Zeitpunkt der Untersuchung entspricht”.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei überhaupt um eine abstrakte Rechtsfrage handelt. Denn die Beschwerdeführerin hat die allgemeine Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung ist nicht gegeben, soweit die Beurteilung einer Rechtssache ausschlaggebend von der Würdigung des konkreten Einzelfalles abhängt, mithin durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägt ist (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 60 mwN). Daß dies hier nicht der Fall ist, hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend aufgezeigt. Sie hat insoweit lediglich vorgetragen, es komme immer wieder vor, daß Blutproben nicht entsprechend den Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes entnommen und bzw oder nach der Entnahme nicht ausreichend gekühlt würden; ob unter solchen Voraussetzungen noch ein Anscheinsbeweis zulässig sei, bedürfe der Klärung über diesen Fall hinaus. Da ein über den vorliegenden Fall hinausgehendes Auftreten einer Verkettung von möglichen Fehlerquellen in dieser Art nicht ohne weiteres aus bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt oder allgemeiner Erfahrung entspricht, hätte im einzelnen dargelegt werden müssen, aufgrund welcher Gegebenheiten ein eine abstrakte Klärung erforderndes häufigeres Auftreten einer solchen Fallkonstellation zu erwarten sein soll. Im Kern rügt die Beschwerdeführerin mit diesem Vortrag die Beweiswürdigung durch das LSG. § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG schließt es indes ausdrücklich aus, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen.
Auch die Divergenzrüge der Beschwerdeführerin kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn schlüssig aufgezeigt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien – ausdrücklich – widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 196 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 29; BSG Beschluß vom 28. September 1998 – B 4 RA 200/97 B – = HVBG-Info 1999, 3008; BSG Beschlüsse vom 18. Juli 2000 – B 2 U 160/00 B – und 18. September 2000 – B 2 U 244/00 B –).
Diesen Anforderungen entspricht der Vortrag der Beschwerdeführerin nicht. Sie trägt vor, das LSG sei von der Entscheidung des BSG vom 27. Juni 1978 – 2 RU 89/76 – (= Meso B 330/39) abgewichen und nennt als abstrakten Rechtssatz daraus: „Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob ein ermittelter Blutalkoholgehalt im gerichtlichen Verfahren verwertbar ist, wenn bei der Blutentnahme die Richtlinien und Anweisungen des Gutachtens des Bundesgesundheitsamts nicht eingehalten worden sind.” Diesem von ihr angenommenen Rechtssatz soll der von ihr dem Berufungsurteil entnommene Rechtssatz widersprechen: „Eine Blutprobenentnahme entgegen den Richtlinien des Bundesgesundheitsamts ist grundsätzlich als vollständige Beweisführung anzuerkennen, wenn nicht andere, geeignete Beweismittel den Beweiswert in Frage stellen”. Da das LSG dem im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, das es im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, im Wege der freien Beweiswürdigung entnommen hat, daß eine Verfälschung der Meßergebnisse angesichts der vorliegenden Umstände nicht nachweisbar sei, also insoweit die Umstände des Einzelfalls gewürdigt hat, hätte dargelegt werden müssen, inwiefern hiermit vom LSG ausdrücklich andere, von denen des BSG abweichende abstrakte Kriterien entwickelt sein sollen und nicht lediglich eine dessen Anforderungen nicht genügende unrichtige Anwendung im Einzelfall getroffen hat. Auch insoweit rügt die Klägerin im Kern in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen