Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 22.05.2018; Aktenzeichen S 5 SO 481/18) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.01.2019; Aktenzeichen L 7 SO 2214/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit sind Umzugs- und Einlagerungskosten.
Der Altersrente in Höhe von monatlich 1126,97 Euro beziehende Kläger, der nicht im Bezug von laufenden Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) steht, lebte mit seiner Ehefrau langjährig in einer Obdachlosenunterkunft im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, bis die Eheleute zum 1.11.2017 von der Stadt B. in eine dortige möblierte Wohnung eingewiesen wurden. Den am 14.11.2017 beim Beklagten gestellten Antrag des Klägers auf Übernahme von Umzugskosten nebst Kosten für die Einlagerung von Hausrat lehnte dieser unter Hinweis auf das Renteneinkommen und fehlende Angaben zu einer neuen Unterkunft bzw nach Kenntnis vom Aufenthalt in B. wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit ab (Bescheid vom 24.11.2017, Widerspruchsbescheid vom 23.1.2018). Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat die auf Erstattung von 989 Euro angefallener Umzugs- und Einlagerungskosten gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22.5.2018). Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger zunächst weiterhin die Erstattung von 989 Euro begehrt, jedoch im späteren Verlauf des Berufungsverfahrens gesondert die Erstattung weiterer "ca. 700 Euro für Unterkunfts-, Verpflegungs- und Benzinkosten" geltend gemacht und schließlich seine Erstattungsforderung auf insgesamt 1729 Euro beziffert. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die über den Betrag von 989 Euro hinausgehende Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2019). Für den im Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von 989 Euro sei der Beklagte örtlich unzuständig gewesen, da der Kläger im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung bereits im Zuständigkeitsbereich der Stadt B. seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Die im Berufungsverfahren geltend gemachten weiteren Kosten seien nicht im Wege einer sachdienlichen Klageänderung in das Verfahren einzubeziehen und auch nicht Gegenstand der Verwaltungsentscheidung gewesen. Von einer Beiladung der Stadt B. habe abgesehen werden können, da der Kläger dort andere Ansprüche geltend mache und ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde liege.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend, wozu er die Frage aufwirft, ob "bei der Bestimmung des Zeitpunktes für die Bewertung der örtlichen Zuständigkeit im Sinne des § 46b Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2a AG SGB XII auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Forderung abzustellen" sei. Außerdem liege ein Verfahrensfehler vor, da das LSG es zu Unrecht unterlassen habe, die Stadt B. beizuladen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) dargelegt noch ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlen hinreichende Ausführungen zum Klärungsbedarf sowie zur Klärungsfähigkeit.
Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit hätte sich der Kläger mit der Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigungsfähigen Bedarfen für Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten (§ 42a Abs 1 iVm § 35 Abs 2 Satz 5 SGB XII) auseinandersetzen müssen. Hierzu hat der Senat ausgeführt, dass die Fälligkeit einer Forderung der maßgebliche Zeitpunkt für den Bedarfsanfall ist (vgl BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 25/11 R - SozR 4-3500 § 35 Nr 3 RdNr 14, 17 mwN; zu Umzugskosten siehe auch BSG vom 12.5.2017 - B 8 SO 23/15 R - FEVS 69, 154 = juris RdNr 31 mwN). Auch hinsichtlich einmaliger Kosten für Unterkunft und Heizung hat der Senat ausgeführt, sie stellten einen Bedarf im Monat der Fälligkeit dar (BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R - SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 17). Der Kläger hätte darlegen müssen, weshalb seine Frage nicht bereits anhand dieser Rechtsprechung beantwortet werden kann oder jedenfalls ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage gibt. Ausführungen hierzu fehlen jedoch gänzlich.
Zur Darlegung der konkreten Klärungsfähigkeit trägt der Kläger vor, es sei auf den "Eintritt der gegenwärtigen Notlage" abzustellen. Grundsätzlich setze der Anspruch auf Sozialhilfeleistungen voraus, dass der Bedarf vom Hilfebedürftigen noch nicht gedeckt sei. Hierzu hätte der Kläger aber erläutern müssen, wann die von ihm favorisierte "gegenwärtige" Notlage eingetreten ist, welcher Art diese Notlage war und welchen Bedarf sie ausgelöst hat. Er hätte aufzeigen müssen, dass zukünftig anfallende Kosten einen aktuellen Bedarf begründen können. Der Kläger hätte für einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter auch Ausführungen zu dem den Leistungsanspruch auslösenden Antragserfordernis (§ 44 Abs 1 SGB XII) oder für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt zur Kenntnis nach § 18 SGB XII machen müssen. Ausführungen hierzu fehlen aber. Angesichts des monatlichen Renteneinkommens des Klägers von 1126,97 Euro wäre schließlich Vortrag zu der von ihm selbst thematisierten Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit, die auch Vermögenslosigkeit voraussetzt, erforderlich gewesen. Hierauf konnte schon deshalb nicht verzichtet werden, weil der Kläger nicht im Leistungsbezug stand. Zu den erst im Berufungsverfahren geltend gemachten weiteren Kosten über 740 Euro fehlen jegliche nachvollziehbare Ausführungen zu der vom LSG verneinten Zulässigkeit sowie zu Grund und Höhe des Anspruchs, mit denen sich das LSG aus seiner rechtlichen Sicht nicht auseinandersetzen musste.
Der Kläger hat auch einen Verfahrensfehler des LSG nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36). Hinsichtlich der gerügten unterlassenen Beiladung der Stadt B. hat der Kläger lediglich die Norm des § 75 Abs 2 Satz 1 Alt 2 SGG genannt, aber nicht aufgezeigt, dass tatsächlich ein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Insoweit wäre eine Darlegung erforderlich gewesen, dass gegenüber der Stadt B. eine Identität des Streitgegenstandes gegeben ist (vgl zu diesem Erfordernis BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 10 mwN; BSG vom 24.3.2016 - B 12 KR 6/14 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 27 RdNr 24), was nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG aber nicht der Fall war ("anderer Lebenssachverhalt"). Entsprechende substantiierte Ausführungen wären erforderlich gewesen, weil nur eine unterbliebene notwendige Beiladung einen Verfahrensmangel darstellt, der die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eröffnet und auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl etwa BSG vom 18.7.2017 - B 13 R 110/17 B - juris RdNr 9; BSG vom 10.4.2017 - B 6 KA 22/17 B - juris RdNr 6 mwN). Das Unterlassen einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG stellt hingegen grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im vorgenannten Sinne dar (vgl BSG vom 18.12.2019 - B 13 R 340/18 B - juris RdNr 15; BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 11).
Im Übrigen fehlen nach oben Gesagtem auch Ausführungen dazu, dass die Entscheidung des LSG auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht. Der Kläger hätte hierzu auch aufzeigen müssen, weshalb trotz der bestandskräftigen Ablehnung von Umzugs- und Einlagerungskosten durch die Stadt B. (Bescheid vom 19.3.2018) deren Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG möglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14193864 |