Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. September 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).
Der Kläger ist als selbstständiger Rechtsanwalt seit 1990 Pflichtmitglied des berufsständischen Versorgungswerks. Seinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV für die auf die Zeit vom 1.9.2017 bis zum 31.8.2020 begrenzte nebenberufliche Tätigkeit als Hochschullehrer an der Hochschule B im Bereich "Recht und Energiewirtschaft" lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 15.9.2017; Widerspruchsbescheid vom 10.9.2018).
Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29.1.2021). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Bescheid vom 15.9.2027 sei inzwischen durch den Bescheid vom 19.4.2021 vollständig ersetzt worden. Der Befreiungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI sei nicht erfüllt, da die Tätigkeit als Hochschullehrer keine Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung begründe. Die Befreiung könne auch nicht auf § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI gestützt werden, weil eine Befreiung nach § 6 Abs 1 SGB VI nicht erteilt worden sei. Der Kläger übe seine Rechtsanwaltstätigkeit selbstständig aus; eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Rechtsanwalt habe zu keiner Zeit vorgelegen. § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI sei auch nicht analog anzuwenden. Die Erstreckungsvorschrift sei auf die Fälle beschränkt, in denen zum Zeitpunkt der Aufnahme der anderen Beschäftigung eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Satz 1 SGB VI fortwirke. Nach den Gesetzesmaterialien solle sichergestellt werden, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit - insbesondere die Zeit des Wehrdienstes - nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führe. Grundrechte des Klägers seien nicht verletzt. Im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Gruppen der grundsätzlich versicherungspflichtigen beschäftigten Rechtsanwälte und der selbstständigen Rechtsanwälte fehle die erforderliche Vergleichbarkeit. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, daran jeweils andere Rechtsfolgen zu knüpfen. Diese Rechtsauffassung werde durch das Urteil des BSG vom 11.3.2021 (B 5 RE 2/20 R) gestützt. Mit Hilfe einer ausnahmsweisen Erstreckung der bisherigen Befreiung für die Dauer einer befristeten Anschlussbeschäftigung solle insbesondere der lückenlose Aufbau einer einheitlichen Altersversorgung im bisherigen System des Versorgungswerks im Fall der anschließenden Übernahme einer wiederum zur Befreiung berechtigenden Beschäftigung möglich bleiben. Dieser grundsätzlich auf eine bestimmte Umbruchssituation zugeschnittene Zweck der Regelung entspreche dem Ausnahmecharakter der Vorschrift. Die Differenzierung des Gesetzgebers bewege sich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, zumal sich auch der Status als selbstständiger Rechtsanwalt wegen der damit verbundenen größeren Gestaltungsmöglichkeiten von der Tätigkeit eines abhängigen Rechtsanwalts deutlich unterscheide. Auch ein Verstoß gegen Art 12 und Art 14 GG sei nicht ersichtlich (Urteil vom 27.9.2022).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger benennt als Frage von grundsätzlicher Bedeutung,
"ob § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht für eine befristete berufsfremde Tätigkeit keine vorherige formale Befreiung von der Versicherungspflicht für eine berufsspezifische Tätigkeit durch den Versicherungsträger verlangt, sondern die grundsätzliche Versicherungsfreiheit der berufsspezifischen Tätigkeit aufgrund Gesetzes genügt, wenn alle materiellen Voraussetzungen für eine Erstreckung vorliegen".
Dazu führt der Kläger aus, dass die Entscheidung des LSG gegen Art 3 Abs 1 GG verstoße. Es habe die Vergleichsgruppen falsch gebildet. Am Gleichheitssatz zu messen seien die konkreten Sachverhalte, die ungleich behandelt würden. Gehe es um die Befreiung von der GRV für eine Nebentätigkeit, sei die Gruppe der selbstständigen Rechtsanwälte mit der Gruppe der durch Bescheid befreiten angestellten Rechtsanwälte zu vergleichen. Insoweit lasse sich kein sachlicher Grund für die Differenzierung finden. Die Entscheidung des BSG vom 31.10.2012 (B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9) lasse Raum für eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI. Denn danach müssten für eine Erstreckung letztlich nur die materiellen Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI vorliegen. Erstreckt werde nicht ein (Befreiungs-)Bescheid, sondern ein Befreiungsstatus. Insoweit könne es keinen Unterschied machen, ob dieser auf einer konkret-individuellen Befreiungsentscheidung des Versicherungsträgers oder auf einer abstrakt-generellen Befreiungsentscheidung des Gesetzgebers in Gestalt des § 1 SGB VI beruhe. Daher müsse für den Fall, dass die Tätigkeit im Kammerberuf von vorneherein nicht der Versicherungspflicht unterliege, unmittelbar auf § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI abgestellt werden. Dem stehe auch das Urteil des BSG vom 11.3.2021 (B 5 RE 2/20 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 21) nicht entgegen. Dort habe der erforderliche Zusammenhang mit der Tätigkeit, für die die Befreiung ursprünglich erteilt wurde, nicht mehr vorgelegen. Vorliegend habe hingegen wegen der durchgängigen Zulassung als selbstständiger Rechtsanwalt keine Versicherungspflicht bestanden. Der Zweck des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI, für eine befristete Tätigkeit einen Wechsel der Alterssicherungssysteme zu vermeiden, gelte für den selbstständigen Rechtsanwalt erst recht.
Der Kläger hat damit die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Er geht zwar auf Entscheidungen des BSG ein, entnimmt diesen aber nur Aussagen, die seiner Auffassung angeblich nicht entgegenstünden. Zur Darlegung einer Verfassungsverletzung müssen aber der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt und die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert werden (BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7 mwN). Der Kläger beschäftigt sich jedoch nicht hinreichend mit dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellten Zweck des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI. Danach soll die Vorschrift des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI insbesondere nach Beendigung einer von § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 oder 2 SGB VI erfassten Beschäftigung für den Fall einer folgenden, zeitlich begrenzten und an sich in der GRV versicherungspflichtigen Anschlussbeschäftigung wegen der Ungewissheit über die weitere Entwicklung keinen sofortigen Wechsel des Alterssicherungssystems erzwingen. Mit Hilfe einer ausnahmsweisen Erstreckung der bisherigen Befreiung für die Dauer einer befristeten Anschlussbeschäftigung soll der lückenlose Aufbau einer einheitlichen Altersversorgung im bisherigen System des Versorgungswerks im Fall der anschließenden Übernahme einer wiederum zur Befreiung berechtigenden Beschäftigung möglich bleiben (vgl BSG Urteil vom 11.3.2021 - B 5 RE 2/20 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 29). Schon vor dem Hintergrund, dass § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI als Ausnahmevorschrift nicht extensiv ausgelegt werden darf (BSG Urteil vom 11.3.2021 - B 5 RE 2/20 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 28), hätte der Kläger daher näher darlegen müssen, inwieweit der von ihm geltend gemachte Nachteil eines wegen der (versicherungspflichtigen) Nebenbeschäftigung nur reduzierten Aufbaus der Versorgungsanwartschaft mit dem von § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI zu vermeidenden vorübergehenden Wechsel der Alterssicherungssysteme eines (befreiten) Rechtsanwalts im Rahmen einer Umbruchsituation vergleichbar sein soll.
Zudem wäre zur Darlegung der Klärungsfähigkeit aufzuzeigen gewesen, dass und inwieweit § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI angesichts des dargestellten Zwecks auf eine Tätigkeit anwendbar ist, die "neben" einer zur Befreiung von der Versicherungspflicht führenden Tätigkeit ausgeübt wird (verneinend LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.7.2015 - L 3 R 442/12 - juris RdNr 25 ff; offengelassen BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 8/10 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 8 RdNr 27 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 11.3.2021 - B 5 RE 2/20 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 29, wonach entgegen der Verwaltungspraxis der Beklagten die Vorschrift nicht dazu dient, immer wieder neue befristete Beschäftigungen von der Versicherungspflicht freizustellen). Denn nur unter dieser Prämisse können überhaupt potentiell - wie die vom Kläger formulierte Frage impliziert - die "materiellen" Voraussetzungen für eine Erstreckung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI gegeben sein und - möglicherweise - zu einer Gleichheitsproblematik führen. Außerdem hätte der Kläger auch dartun müssen, dass der Versorgungsträger für die Zeit der (Neben-)Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet (§ 6 Abs 5 Satz 2 Halbsatz 2).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15766849 |