Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Grundsicherung für Arbeitsuchende
Orientierungssatz
1. Zur nicht ausreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit etwaiger Rechtsfragen zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zugunsten der Grundsicherung für Arbeitsuchende für Leistungsempfänger, die eine Erklärung nach § 428 SGB 3 abgegeben haben, und zur Einkommensberücksichtigung.
2. Az. des BVerfG: 1 BvR 2628/07.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; SGB 2 § 65 Abs. 4; SGB 3 § 428 Abs. 1; SGB 2 § 11 Abs. 2 Nr. 3 Fassung: 2004-07-30; AlgIIV § 3 Nr. 1 Fassung: 2004-10-20
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob den Klägern ab 1. Januar 2005 ein Leistungsanspruch zusteht.
Der am 14. Juni 1946 geborene Kläger zu 1. bezog bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Er gab am 21. Juni 2004 die Erklärung ab, wonach er Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen beziehen wolle (Erklärung nach § 428 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch ≪SGB III≫).
Den Antrag des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2., seiner Ehefrau, auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) lehnte die Beklagte wegen des erzielten Einkommens (Rente wegen Berufsunfähigkeit und Betriebsrente des Klägers zu 1.; Mieteinnahmen) mangels Hilfebedürftigkeit ab (Bescheid vom 23. November 2004; Widerspruchsbescheid vom 6. April 2005).
Das Klageverfahren verlief erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 8. Februar 2007 die Berufungen der Kläger gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 17. Januar 2006 zurückgewiesen: Der Kläger zu 1. habe keinen Anspruch auf Weitergewährung von Alhi über den 31. Dezember 2004 hinaus. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R entschieden, dass die Abschaffung der Alhi auch für Personen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hätten, nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen habe. Dieser Rechtsprechung schließe sich der Senat nach eigener Überprüfung an. Der Anspruch auf Leistung nach dem SGB II scheitere im Übrigen an der fehlenden Hilfebedürftigkeit der Kläger. Insbesondere habe die Beklagte zu Recht private Versicherungsbeiträge nur in Höhe der Pauschale von 30,- Euro vom Einkommen der Kläger abgesetzt. Insoweit liege nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. November 2006 - B 7b 18/06 R) die Festlegung des konkreten Betrages noch in der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers und es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber diese Pauschale nur einmal für die Bedarfsgemeinschaft vorgesehen habe. Die Voraussetzung für eine Absetzung der Beiträge zu den von den Klägern abgeschlossenen Lebensversicherungen als Altersvorsorgeaufwendungen lägen ebenfalls nicht vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde. Sie sind der Auffassung, das Urteil des LSG verletze sowohl einfaches Recht als auch ihre Rechte aus Art 14 Grundgesetz (GG) und Art 3 Abs 1 GG. Der einfach-rechtliche Anspruch der Kläger auf Fortzahlung der Alhi ergebe sich aus öffentlich-rechtlichem Vertrag gemäß § 55 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X). Soweit das LSG es ablehne, ihnen weiterhin einen Anspruch auf Alhi gegen die Bundesagentur für Arbeit einzuräumen oder einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, die der zuvor geleisteten Alhi entsprächen, würden sie auch in ihrem Recht auf Eigentum aus Art 14 Abs 1 GG verletzt. Soweit es das LSG abgelehnt habe, die Aufwendungen für ihre Lebensversicherungen zumindest angemessen abzusetzen, verletze dies ihr Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG. Der in § 3 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) geregelte Pauschbetrag verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, soweit von ihm auch die Beiträge zu Lebensversicherungen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft erfasst werden sollten, bei denen der Versicherungsaufwand und -ertrag in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zueinander stünden. Im Rahmen der Sozialhilfe werde allein darauf abgestellt, welche Versicherungsbeiträge "nach Grund und Höhe angemessen" seien (Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ vom 24. Juni 1999 - 5 C 18/98). Eine derartige Prüfung der Angemessenheit der Versicherungsbeiträge werde durch den Pauschbetrag der Alg II-V ausgeschlossen. Die Frage der Anrechenbarkeit von Beiträgen zu privaten Lebensversicherungen im Rahmen des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II sei vom BSG noch nicht abschließend geklärt.
Die Beklagte hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn die als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise dargelegt.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und gegebenenfalls des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 21. Mai 2007 nicht. Soweit dem Vorbringen zu entnehmen ist, dass der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht werden soll, werden schon keine in einem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfragen aufgezeigt, sondern die Beschwerdebegründung greift lediglich die Rechtsauffassung des LSG an. Damit verkennt die Beschwerdebegründung den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, das nicht auf eine Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung, sondern lediglich der Nebenentscheidung über die Zulassung der Revision gerichtet ist.
Unabhängig von den vorstehenden Anforderungen wird zudem die Klärungsbedürftigkeit etwaiger Rechtsfragen zur Abschaffung der Alhi für Leistungsempfänger, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, nicht dargelegt. Liegt zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so ist die Klärungsbedürftigkeit regelmäßig zu verneinen (BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 7). Zwar kann die Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang und mit nicht von vornherein abwegigen Einwänden entgegengetreten wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13); derartiges ist der Beschwerdebegründung jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr waren die in der Beschwerdebegründung aufgeführten Argumente bereits sämtlich Gegenstand der Entscheidungen des 11b-Senats (Urteile vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/06 R, - B 11b AS 9/06 R, - B 11b AS 17/06 R, - B 11b AS 25/06 R; vgl auch Urteil des 11a-Senats vom 21. März 2007 - B 11a AL 43/06 R) und des 7b-Senats (Urteile vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R, - B 7b AS 4/06 R).
Soweit dem Vortrag der Kläger zur Berücksichtigung ihrer Beiträge zu den von ihnen abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen als Einkommen Rechtsfragen zur Anwendung von § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II und des § 3 Nr 1 Alg II-V zu entnehmen sein sollten, wird deren Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht dargelegt. Die Beschwerdebegründung selbst weist darauf hin, dass der 7b-Senat des BSG in seinem Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R bereits zur Ermächtigungskonformität des in § 3 Nr 1 Alg II-V festgesetzten Pauschbetrages Stellung bezogen hat. Darüber hinausgehender Klärungsbedarf wird in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Die Beschwerdebegründung befasst sich schon nicht mit der Argumentation des LSG, wonach eine Berücksichtigung derartiger Beiträge jedenfalls deshalb ausscheidet, weil die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB II (ua Befreiung von der Versicherungspflicht) nicht vorliegen. Auch durch den Hinweis auf die Rechtslage nach dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) wird der Klärungsbedarf nicht aufgezeigt, denn die in der Beschwerdebegründung zitierte Entscheidung des BVerwG vom 24. Juni 1999 - 5 C 18/98 zum Bundessozialhilfegesetz betrifft freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Dass die in der Entscheidung des BVerwG entwickelten Grundsätze auf eine Kapitallebensversicherung übertragen werden könnten, wird nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise begründet und hätte im Übrigen auch nicht begründet werden können.
Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2, § 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen