Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 01.09.2022; Aktenzeichen S 7 U 269/22) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.02.2024; Aktenzeichen L 8 U 2836/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Februar 2024 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das LSG die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung des SG(Gerichtsbescheid vom 1.9.2022) zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde eingelegt und diese mit einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht ordnungsgemäß dargelegt hat(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit, also Entscheidungserheblichkeit, sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, die sog Breitenwirkung, darlegen(stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 6.11.2023 - B 2 U 14/23 B - juris RdNr 5 , vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 5 und vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5, jeweils mwN) .
Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung legt bereits nicht den vom LSG festgestellten Sachverhalt(§ 163 SGG ) und die maßgebliche Verfahrensgeschichte dar, obwohl eine verständliche Sachverhaltsschilderung zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge gehört(stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 24.5.2023 - B 2 U 81/22 B - juris RdNr 6 , vom 23.2.2022 - B 2 U 197/21 B - juris RdNr 7 und vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 = juris RdNr 3, jeweils mwN; zur Verfassungskonformität dieser Anforderungen vgl zB BVerfG Kammerbeschluss vom 24.10.2000 - 1 BvR 1412/99 - SozR 3-1500 § 160a Nr 31 S 61 = juris RdNr 9 mwN) . Hierfür genügt das Vorbringen des Klägers schon deshalb nicht, weil die bloße Benennung einzelner Aspekte zur Feststellung der Berufskrankheit (BK) nach Nr 2301 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Lärmschwerhörigkeit - BK Nr 2301) die verfahrensrechtliche Einbettung des Streitgegenstandes offenlässt. Deshalb kann der Senat zB nicht prüfen, ob eine zur Beantwortung gestellte Frage im beabsichtigten Revisionsverfahren überhaupt entscheidungserheblich (klärungsfähig) wäre.
Auch im Übrigen erfüllt die Beschwerdebegründung die Voraussetzungen einer zulässigen Grundsatzrüge nicht. So gibt sie keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage an. Dies erfordert eine klar formulierte abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts(§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) . Nicht ausreichend sind Fragestellungen, deren Beantwortung von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, denn im Kern zielen Rechtsfragen iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auf die Entwicklung abstrakter Rechtssätze durch das BSG ab. Erforderlich ist es daher grundsätzlich, dass der Senat die Rechtsfrage mit "ja" oder "nein" beantworten könnte, wenn dies auch Fragen nicht ausschließt, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulassen(vgl BSG Beschlüsse vom 11.1.2024 - B 2 U 17/23 B - juris RdNr 7 , vom 10.1.2024 - B 2 U 77/23 B - juris RdNr 6 und vom 6.11.2023 - B 2 U 14/23 B - juris RdNr 8, jeweils mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160 RdNr 28, § 160a RdNr 55; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 86, Stand 17.11.2023) . Die Beschwerdebegründung enthält keine den genannten Anforderungen genügende Fragestellung. Sie lässt bereits offen, welche Normen zur Überprüfung gestellt werden sollen. Es ist auch nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aus dem Beschwerdevorbringen selbst herauszufiltern(zB BSG Beschlüsse vom 10.1.2024 - B 2 U 77/23 B - juris RdNr 6 , vom 7.12.2022 - B 2 U 14/22 B - juris RdNr 7 und vom 13.9.2022 - B 2 U 7/22 B - juris RdNr 9, jeweils mwN).
Soweit der Kläger darauf abstellt, dass im Rahmen der BK Nr 2301 bereits bei einem Schalldruckpegel unter 85 db(A) bzw ab 75 db(A) von einer Lärmbelastung auszugehen sei, auch weil nach den europäischen Vorgaben Hörschutz bereits deutlich unterhalb von 85 db(A) getragen werden müsse, vermag dieser Vortrag keine taugliche Rechtsfrage zu begründen. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die zB in Konsensempfehlungen oder Merkblättern Niederschlag gefunden haben, entfalten keine normative Wirkung und stellen daher keine in einem Revisionsverfahren überprüfbaren Rechtsnormen dar. Sie beinhalten medizinische Erfahrungssätze, die von den Sachverständigen zu berücksichtigen sind und in die Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) der Gerichte einfließen(zBBSG Beschluss vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 7 mwN; s auchBSG Urteile vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 10 RdNr 26 und vom 27.6.2017 - B 2 U 17/15 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3102 Nr 1 = juris RdNr 19) .
Auch für den Fall, dass die Beschwerdebegründung sinngemäß auf die Auslegung von§ 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2301 der Anl 1 BKV abzielt, kann ihr keine revisible Rechtsfrage entnommen werden. Eine Rechtsfrage zielt auf die Auslegung des Tatbestandes einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung ab. Die Anforderungen an das von der Beschwerdebegründung erwähnte Ausmaß einer Lärmbelastung als arbeitstechnische Voraussetzung ist indes nicht Teil des Tatbestandes der BK Nr 2301. Auch wenn es sich um sog generelle Tatsachen handeln sollte, können Fehler bei deren Ermittlung allenfalls mit der Sachaufklärungsrüge geltend gemacht werden(BSG Beschluss vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 8 mwN; s auchBSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 24 mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160 RdNr 29 mwN; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 7 mwN) .
Schließlich enthält die Beschwerdebegründung keine taugliche Rechtsfrage, wenn sie eine unzureichende Berücksichtigung einer beim Kläger bereits bestehenden Hyperakusis rügt. Im Kern wendet sie sich damit gegen die Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) durch das Tatsachengericht im konkreten Einzelfall des Klägers. Darauf kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision jedoch nicht gestützt werden, wenn dadurch die Voraussetzungen für einen Verfahrensmangel(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ) umgangen werden(stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 21.2.2023 - B 2 U 47/22 B - juris RdNr 16 , vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 10 und vom 7.12.2022 - B 2 U 14/22 B - juris RdNr 8, jeweils mwN) .
Dessen unbeschadet zeigt die Beschwerdebegründung weder den abstrakten Klärungsbedarf einer denkbaren Rechtsfrage auf(zu den Anforderungen vgl zB BSG Beschlüsse vom 6.11.2023 - B 2 U 14/23 B - juris RdNr 9 mwN und vom 1.12.2022 - B 2 U 194/21 B - juris RdNr 8 mwN) noch - wie dargelegt - die konkrete Klärungsfähigkeit(zu den Anforderungen zB BSG Beschlüsse vom 6.11.2023 - B 2 U 170/22 B - juris RdNr 14 mwN und vom 24.5.2023 - B 2 U 77/22 B - juris RdNr 11 mwN).
2. Soweit der Kläger sich gegen die Richtigkeit der Entscheidung des LSG wendet, führt allein dies nicht zur Zulassung der Revision(vgl BSG Beschlüsse vom 11.1.2024 - B 2 U 17/23 B - juris RdNr 13 mwN, vom 7.12.2022 - B 2 U 14/22 B - juris RdNr 9 mwN und vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) .
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2,§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) .
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der§§ 183 ,193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16526331 |