Verfahrensgang
SG Rostock (Entscheidung vom 23.05.2016; Aktenzeichen S 10 SB 9/13) |
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 29.10.2020; Aktenzeichen L 3 SB 33/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 40. Das LSG hat - anders als zuvor das SG - den angefochtenen Herabsetzungsbescheid des Beklagten vom 22.6.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.1.2013 für rechtmäßig erachtet. Die wesentliche Änderung der Sachlage liege mit Ablauf der Heilungsbewährung nach einem Mammakarzinom rechts vor, so dass der Grad der Behinderung (GdB) neu zu bewerten sei. Die Behinderungen, die bei der Klägerin bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids im Januar 2013 vorgelegen hätten, seien ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die seelische Erkrankung und einem leichten Lymphödem des rechten Armes mit einem Einzel-GdB von 10 bis 20 allenfalls mit einem Gesamt-GdB von 40 zu bewerten. Die Feststellung einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit einem GdB von mindestens 10 bezogen auf Januar 2013 scheide aus, weil die Klägerin erstmalig im Juli 2014 Wirbelsäulenbeschwerden gegenüber ihrem behandelnden Facharzt für Orthopädie Dr. J angegeben habe. Bis dahin seien auch keine entsprechenden Befunde erhoben worden. Auch wenn sich die Wirbelsäulenverkrümmung nach dem Sachverständigen Facharzt für Orthopädie Dr. V schon im Wachstumsalter entwickelt haben dürfte, hätten sich bei der Klägerin dadurch bedingte Beschwerden erst Mitte 2014 eingestellt (Urteil vom 29.10.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie macht eine Divergenz zu mehreren Entscheidungen des BSG geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil sie den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Beschluss oder Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin trägt vor, das LSG weiche von dem Urteil des BSG vom 10.9.1997 (9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 = SozR 3-3870 § 3 Nr 7) ab. Danach sei maßgeblich, ob der Herabsetzungsbescheid bei seinem Erlass der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bzw Widerspruchsbescheids entsprochen habe. Entgegen dieser Rechtsprechung habe das LSG nicht alle ihre Erkrankungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids berücksichtigt. Das LSG gehe davon aus, dass die Wirbelsäulenerkrankung nicht zu berücksichtigen sei, weil diese erstmals im Jahr 2014 diagnostiziert worden sei. Dies widerspreche der vorgenannten BSG-Entscheidung. Vielmehr sei mit dem SG und dem Sachverständigen Dr. V davon auszugehen, dass die Wirbelsäulenerkrankung bereits bei Antragstellung vorgelegen habe. Da das LSG den Sachverständigen Dr. V zum Zeitpunkt des Vorliegens dieser Erkrankung nicht befragt habe, habe es auch gegen die Grundsätze des Beschlusses des BSG vom 13.9.2005 (B 2 U 365/04 B - juris) verstoßen. Danach seien bei der Beurteilung medizinischer Sachverhalte die Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung überschritten, wenn der Richter in einer medizinischen Frage trotz fehlender Sachkenntnis seine eigene abweichende Meinung an die Stelle derjenigen des ärztlichen Gutachtens setze. Auch mit seinen fehlerhaften Feststellungen zum Zeitpunkt des Vorliegens und zur Ausprägung des Lymphödems des rechten Arms habe das LSG gegen die Entscheidung des BSG vom 10.9.1997 (aaO) verstoßen. Schließlich habe das Berufungsgericht die Bedeutung des Urteils des BSG vom 7.4.2011 (B 9 SB 3/10 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 13) für ihren Fall verkannt.
Mit diesem und ihrem weiteren Beschwerdevortrag hat die Klägerin keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bezeichnet. Insbesondere hat sie bereits keinen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG zu den zitierten Entscheidungen des BSG benannt. Im Kern ihres Vorbringens wendet sie sich vielmehr gegen die vom LSG vorgenommene Auswertung und Würdigung der aktenkundigen medizinische Befunde und Sachverständigengutachten und damit gegen dessen Beweiswürdigung. Diese ist jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Beurteilung durch das Revisionsgericht entzogen. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar - zB wie hier über eine Divergenzrüge - angegriffen werden (vgl Senatsbeschluss vom 4.12.2019 - B 9 V 29/19 B - juris RdNr 11). Sofern die Klägerin darüber hinaus eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG in ihrem Einzelfall rügt, weil es die Wirbelsäulenschäden und das Lymphödem zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Januar 2013) nicht oder nicht hinreichend als Behinderungen bei der GdB-Bemessung berücksichtigt habe, geht ihr Vorbringen nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge demgegenüber hinaus. Die Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt die Darlegung voraus, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des BSG in dem angefochtenen Urteil infrage stellt. Dies ist aber selbst dann nicht der Fall, wenn es - wie die Klägerin offenbar meint - einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 6.3.2020 - B 9 SB 86/19 B - juris RdNr 10; Senatsbeschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - juris RdNr 26).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14434253 |