Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 30.10.2020; Aktenzeichen S 7 R 1725/19) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.12.2021; Aktenzeichen L 8 R 3671/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Dezember 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die im Jahr 1966 geborene Klägerin begehrt eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte den entsprechenden Antrag nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen und - im Widerspruchsverfahren - eines orthopädischen Gutachtens ab, weil die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen leichte bis mittelschwere Tätigkeiten noch im Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich ausführen könne (Bescheid vom 27.3.2018, Widerspruchsbescheid vom 19.3.2019). Das SG hat die Klage nach zusätzlichen sozialmedizinischen Ermittlungen - insbesondere nach weiterer Begutachtung durch eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie - abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.10.2020). Die hiergegen erhobene Berufung hat das LSG zurückgewiesen und dabei ergänzend ausgeführt, dass bei der Klägerin keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege, welche die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde (Urteil vom 1.12.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie rügt einen Verfahrensmangel.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht ausreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Beschwerdebegründung der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie trägt vor, im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 24.11.2021 einen Antrag gemäß § 109 SGG auf Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens angebracht zu haben. Dieser Antrag habe zugleich einen Beweisantrag nach § 103 SGG enthalten, zumal ihr Prozessbevollmächtigter bereits in der Berufungsbegründung vom 28.6.2021 eine weitere medizinische Sachverhaltsermittlung angeregt habe. Es wäre ein übertriebener Formalismus, wenn allein darauf abgestellt würde, dass der Antrag vom 24.11.2021 die Vorschrift des § 103 SGG nicht erwähne. Ein weiteres fachmedizinisches Gutachten hätte ergeben, dass das Leistungsvermögen der Klägerin zumindest ab dem Zeitpunkt der Einlegung der Berufung hinsichtlich leichter Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich abgesunken sei.
Damit hat die Klägerin nicht aufgezeigt, dass sie bis zum Schluss einen Beweisantrag iS des § 103 SGG aufrechterhalten habe, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass ein im Berufungsverfahren anwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 103 SGG gehört werden kann, wenn er ihn bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 22.6.2021 - B 13 R 29/21 B - juris RdNr 11 mwN). Wird ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG(vgl BSG Beschluss vom 29.9.2021 - B 9 SB 40/21 B - juris RdNr 8 mwN). Die Beschwerdebegründung der im Verfahren vor dem LSG bereits anwaltlich vertretenen Klägerin lässt nicht erkennen, ob sie den Beweisantrag im Schriftsatz vom 24.11.2021 im weiteren Verlauf des Verfahrens bekräftigt oder aber nicht mehr weiter verfolgt hat. Unter diesen Umständen kommt es auf die Frage, ob der ausdrücklich nach § 109 SGG gestellte Antrag zugleich einen Antrag auf Ermittlungen von Amts wegen nach § 103 SGG enthält, hier nicht an (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 5.1.2000 - B 9 SB 46/99 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 22.6.2004 - B 2 U 78/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 4 RdNr 4 f; BSG Beschluss vom 27.6.2019 - B 5 R 1/19 B - juris RdNr 18). Im Übrigen könnte der von der Klägerin wiedergegebene Antrag "auf Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens" schon deshalb nicht zugleich als prozessordnungsgemäßer Beweisantrag nach § 103, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO angesehen werden, weil er trotz zweier bereits eingeholter neurologisch-psychiatrischer Sachverständigengutachten keinerlei Angaben zu den konkret noch aufklärungsbedürftigen Punkten enthält (vgl dazu BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Düring Hannes Gasser
Fundstellen
Dokument-Index HI15148913 |