Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die 2006 geborene Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle von bisher 20 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G wegen einer bei ihr bestehenden Enchondromatose (Morbus Ollier).
Diesen Anspruch hat das LSG - wie zuvor bereits der Beklagte und das SG - mit Urteil vom 21.6.2022 verneint. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens seien die Gesundheitsstörungen der Klägerin mit einem Gesamt-GdB von 20 zu bewerten. Da die Klägerin ausweislich aller drei im Gerichtsverfahren eingeholter Sachverständigengutachten das linke Bein normal bewegen könne und eine Ermüdung der Muskulatur sowie Unsicherheiten vorrangig bei Belastung aufträten, sei der Einzel-GdB an der unteren Grenze des Rahmens anzusetzen. Die von der Klägerin angeführte Analogie zur Bewertung der Glasknochenkrankheit komme mangels Vorliegens von Spontanfrakturen nicht in Betracht. Die erstmals von R in seinem Gutachten vom 18.3.2022 festgestellte Fehlhaltung im Bereich der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Der altersuntypische und dauerhafte Schmerzmittelgebrauch habe noch keine Folgeschäden verursacht und sei bereits bei den Einzel-GdB-Werten mitberücksichtigt. Der Gesamt-GdB sei mit 20 festzusetzen, weil der Teil-GdB von 10 den Gesamt-GdB nicht erhöhe. Da die Klägerin nicht schwerbehindert mit einem GdB von 50 sei, habe sie auch keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens G.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie rügt als Verfahrensmangel die unzureichende Sachaufklärung durch das LSG. Es hätte weitere Ermittlungen durchführen müssen, weil die eingeholten Gutachten bedeutsame Mängel aufwiesen. Auch hätte es sich aufgrund der von ihrer behandelnden Ärztin Frau H im Mai 2017 gestellten Diagnose einer distalen Radiusfraktur rechts zu einer weiteren Beweisaufnahme gedrängt fühlen müssen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie diejenige der Klägerin - darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), müssen bei der Bezeichnung dieses Mangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.
Für den von der Klägerin gerügten Verfahrensmangel einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG), muss die Beschwerdebegründung Darlegungen zu folgenden Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; zB BSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein - wie die Klägerin - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (strRspr,zB BSG Beschluss vom 11.6.2022 - B 9 V 5/22 B - juris RdNr 4 mwN; Beschluss vom 25.3.2021 - B 13 R 40/20 B - juris RdNr 5 mwN). Ein solcher Antrag hat Warnfunktion. Er soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält. Diese Warnfunktion verfehlen bloße Beweisgesuche, die lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, weil es sich insoweit nur um Hinweise oder bloße Anregungen handelt (BSG Beschluss vom 22.9.2022 - B 9 SB 8/22 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 8, jeweils mwN). Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung schon nicht dar, einen entsprechenden Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zumindest hilfsweise aufrechterhalten zu haben. Die Ansicht, das Gericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, kann dagegen mangels Beweisantrags nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 28.11.2022 - B 2 U 84/22 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 13 R 40/20 B - juris RdNr 5).
Unabhängig hiervon ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin aber auch nicht, dass das LSG angesichts der bereits vorliegenden Gutachten ausnahmsweise zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet gewesen sein könnte. Ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines oder mehrerer Sachverständigengutachten durch ein sog Obergutachten besteht nicht. Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den vorliegenden Gutachten auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 23.12.2022 - B 5 R 170/22 B - juris RdNr 6 mwN). Lediglich dann, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben, ist das Tatsachengericht zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet. Insoweit hätte die Klägerin neben der Aufrechterhaltung eines Beweisantrags aber vortragen müssen, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll (vgl BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 13 R 49/19 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 8 mwN). Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht. Tatsächlich kritisiert die Klägerin mit ihrem Vorbringen gegen die Auswertung und Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten und Befundberichte durch das LSG dessen Beweiswürdigung (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG), womit sie nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15670388 |