Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.09.2020; Aktenzeichen L 11 KA 32/19)

SG Köln (Entscheidung vom 25.01.2019; Aktenzeichen S 26 KA 17/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 2020 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird auf 60 000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner vertragsärztlichen Zulassung. Der 1950 geborene Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und seit 1987 in Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit 2010 hat er bei der zu 5. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) keine Quartalsabrechnungen mehr eingereicht, sondern ausschließlich Notdienstfälle abgerechnet.

Der Zulassungsausschuss entzog dem Kläger die vertragsärztliche Zulassung (Beschluss vom 11.3.2015). Der Beschluss wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger keine validen Nachweise zum Umfang seiner vertragsärztlichen Tätigkeit vorgelegt habe. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Eine Abrechnung der in seiner Praxis erbrachten vertragsärztlichen Leistungen sei nicht möglich. Aus privaten Gründen (schwere und lebensbedrohliche Erkrankung seines Bruders) habe er aus Zeitmangel auf administrative Tätigkeiten verzichtet. Mit dem vorhandenen EDV-System sei es auch nicht möglich, ein oder mehrere Abrechnungsquartale zu überspringen und nunmehr wieder reguläre Quartalsabrechnungen zu erstellen. Seine vertragsärztliche Tätigkeit habe er jedoch während der gesamten Zeit vollumfänglich ausgeübt. Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Beschluss vom 22.7.2015). Nachdem der Kläger auszugsweise Stammblätter seiner Patienten vorgelegt habe, sei davon auszugehen, dass trotz der fehlenden Abrechnungen eine "irgendwie geartete vertragsärztliche Tätigkeit" erfolgt sei. Der Kläger habe jedoch seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt, da er es seit fünf Jahren versäumt habe, seine vertragsärztlichen Leistungen abzurechnen. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des SG vom 25.1.2019 und des LSG vom 9.9.2020). Das LSG hat ausgeführt, die Zulassungsentziehung sei berechtigt, da der Kläger seine vertragsärztliche Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung gröblich verletzt habe. Gegen diese Pflicht verstoße nicht nur derjenige, welcher nicht erbrachte Leistungen zu Unrecht abrechne, sondern auch derjenige, der tatsächlich erbrachte Leistungen und Leistungsfälle nicht oder nicht vollständig abrechne.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG). Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160 Abs 2 Satz 3 SGG).

Der Beschwerdebegründung ist schon nicht zu entnehmen, auf welchen der drei Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 SGG der Kläger sich stützt. Soweit er (möglicherweise) eine Grundsatzrüge erheben will, wenn einer Wendung in der Begründung zu entnehmen ist, dass er "unstreitig seine Pflicht zur Abrechnung seiner vertragsärztlichen Leistungen verletzt" habe, es aber für "grundsätzlich klärungsbedürftig" halte, welchen " 'Stellenwert' dieses Fehlverhalten innerhalb des Tatbestandsmerkmals 'gröblich' " habe, "insbesondere ob dieses Fehlverhalten ohne Weiteres einer manipulierten und/oder betrügerischen Abrechnung nicht erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gleichgesetzt werden" könne, hat er jedenfalls eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfG Beschluss vom 14.6.1994 - 1 BvR 1022/88 - BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f; BSG Beschluss vom 12.9.2018 - B 6 KA 12/18 B - juris RdNr 5) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist.

Hier fehlt es bereits an einer klar formulierten Rechtsfrage und es ist auch nicht Aufgabe des Senats, die Darlegungen des Klägers darauf zu untersuchen, ob sich aus ihnen evtl eine Rechtsfrage herausfiltern lässt (vgl BSG Beschluss vom 12.9.2018 - B 6 KA 12/18 B - juris RdNr 6). Zudem legt der Kläger nicht dar, dass den von ihm aufgeworfenen Fragestellungen Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommt. Er selbst trägt vor, es sei "unwahrscheinlich", dass außer ihm "ein weiterer Vertragsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein … in dem hier ersichtlichen Umfang auf die Abrechnung seines Honorars verzichtet" habe. Vielmehr sei dies ein "skurriler Fall mit ganz geringem 'Stellenwert', der die Entziehung der Zulassung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung nicht erforderlich" mache. Damit ist nicht dargetan, dass die Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10; BSG Beschluss vom 19.1.2017 - B 6 KA 38/16 B - juris RdNr 7; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 7a). Vielmehr zielt die Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellungen auf den konkreten Einzelfall. Der Sache nach rügt der Kläger, dass das Berufungsgericht zu rechtsfehlerhaften Annahmen gelangt sei. Mit inhaltlichen Angriffen gegen die materiell-rechtliche Auffassung der Vorinstanz kann die Zulassung der Revision aber nicht erreicht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Der Streitwert ist - abweichend von der Entscheidung des LSG - auf 60 000 Euro festzusetzen. Maßgebend ist in Zulassungsstreitigkeiten die Höhe des aus der vertragsärztlichen Tätigkeit bzw deren Fortsetzung zu erzielenden Gewinns in einem Zeitraum von drei Jahren. Dabei kann bei einer Klage gegen die Zulassungsentziehung auf die konkret erzielten Umsätze der Arztpraxis (abzüglich des Praxiskostenanteils) bzw, soweit konkrete Umsatzzahlen nicht vorliegen, auf die durchschnittlichen Umsätze der jeweiligen Arztgruppe abgestellt werden (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2005 - B 6 KA 69/04 B - juris RdNr 1; BSG Beschluss vom 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B - juris RdNr 2). Wenn allerdings die durchschnittlichen Umsätze der Arztgruppe nicht das wirtschaftliche Interesse des klagenden Arztes widerspiegeln, ist für jedes Quartal des maßgeblichen Dreijahreszeitraumes iS des § 42 Abs 1 GKG der Regelstreitwert von 5000 Euro anzusetzen (vgl BSG Beschluss vom 12.9.2006 - B 6 KA 70/05 B - SozR 4-1920 § 47 Nr 1 RdNr 4; BSG Beschluss vom 10.5.2017 - B 6 KA 8/17 B - juris). Da hier nähere Anhaltspunkte für das konkrete wirtschaftliche Interesse des Klägers fehlen, hält der Senat den Ansatz des Auffangstreitwertes von 5000 Euro für jedes Quartal des Dreijahreszeitraumes für sachgerecht.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14456175

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