Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 18.01.1993) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Januar 1993 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist der von der Klägerin beschrittene Rechtsweg.
Die Klägerin ist Diplompsychologin. Sie wendet sich dagegen, daß die beklagte Krankenkasse (KK) aufgrund einer zwischen ihr und dem Bundesverband deutscher Psychologen e.V. (BDP) getroffenen Regelung (sog TK-Regelung iVm mit einer modifizierten Verfahrensbeschreibung der Beklagten) nur unter bestimmten Voraussetzungen Kostenerstattung für nicht im Delegationsverfahren vorgenommene psychotherapeutische Behandlungen leistet. Danach sind Diplompsychologen nach näherer Maßgabe der Ziffer 2 der Verfahrensbeschreibung berechtigt, psychotherapeutische Leistungen an Mitglieder der Beklagten außerhalb des Ersatzkassenvertrages (EKV) zu erbringen, wenn Versicherte keine Behandlungsmöglichkeit im Rahmen des EKV gefunden haben oder eine Therapie erst nach unzumutbarer Wartezeit begonnen werden könnte oder in Akutfällen, in denen eine sofortige Behandlung unbedingt notwendig ist. Nach Rechnungstellung durch den Behandler hat der Versicherte die Rechnung zu bezahlen und sodann bei der Beklagten zur Erstattung einzureichen. Nach Ziffer 2 der Verfahrensbeschreibung iVm Ziffer 2 der TK-Regelung ist die Erstattungsfähigkeit davon abhängig, daß der Diplompsychologe bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Hierzu zählt ua eine mindestens 100 Stunden umfassende Fortbildung mit der Anerkennung als “klinischer Psychologe-BDP”. Die Abrechnungsfähigkeit hängt ferner davon ab, daß der Diplompsychologe sich durch einen vom BDP ausgestellten “TK-Registrierstempel” ausweisen kann. Die hiernach anerkannten Diplompsychologen werden in einer sog Behandlerliste geführt, die auf den Geschäftsstellen der Beklagten ausliegt.
Mit ihrer im August 1991 beim Sozialgericht (SG) erhobenen Klage will die Klägerin erreichen, auch ohne Anerkennung durch den BDP in die von der Beklagten geführte Behandlerliste aufgenommen zu werden. Die von der Beklagten mit dem BDP geschlossene Vereinbarung hält sie für rechtswidrig. Schließlich macht sie noch einen Schadensersatz- und einen Auskunftsanspruch geltend. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt hat, daß die Vereinbarung der Beklagten mit dem BDP rechtswidrig ist, hat das SG das Verfahren abgetrennt. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin vor dem SG beantragt,
- die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Anerkennung als klinische Psychologin gemäß Ziffern 2.1a und d, unter Ausschluß der sonstigen Ziffern der Verfahrensbeschreibung der Beklagtenregelung “psychotherapeutische Behandlung durch Diplompsychologen” vom 11. Juni 1990, in ihre Behandlerliste der “anerkannten Diplompsychologen” aufzunehmen.
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist und entstehen wird, daß die Beklagte sie nicht zur Erbringung von psychotherapeutischen Leistungen außerhalb des Delegationsverfahrens gegenüber ihren Mitgliedern zuläßt, wenn der Vertragsweg nicht eingehalten werden kann und/oder ihren Mitgliedern nicht im Erstattungswege die von der Klägerin erbrachten Leistungen ersetzt.
- Die Beklagte wird verpflichtet, Auskunft zu geben über die Höhe der in der Zeit von 1985 bis August 1991 für Inhaber des Zertifikats “Klinischer Psychologe/in BDP” erbrachten Leistungen.
Das SG hat den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bezüglich aller Anträge für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hamburg verwiesen (Beschluß vom 21. Oktober 1992). Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) den Beschluß des SG hinsichtlich des Klageantrags zu 1. aufgehoben; im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Klageantrag zu 1. ziele auf unmittelbarer Zulassung der Klägerin zur psychotherapeutischen Versorgung aufgrund der von ihr angenommenen Verpflichtung der Beklagten, sie und jeden geeigneten und behandlungsbereiten Diplompsychologen wie einen zugelassenen Kassenarzt an der Behandlung der Mitglieder der Beklagten zu beteiligen. Hierbei handele es sich um ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Art. Hinsichtlich der Klageanträge zu 2. und 3 hat sich das LSG der Auffassung des SG angeschlossen.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – weiteren Beschwerde macht die Klägerin geltend, auch für die Klageanträge zu 2. und 3. sei der Rechtsweg zu den SGen gegeben. Den Anträgen lägen Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen zugrunde. Insoweit würden auch Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten gemäß § 40 Abs 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht den Zivilgerichten zugewiesen. Zudem stünden diese Anträge im Sachzusammenhang mit dem Klageantrag zu 1.
Das LSG hat es durch Beschluß vom 11. Februar 1993 abgelehnt, der Beschwerde abzuhelfen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat hat über die weitere sofortige Beschwerde gemäß § 17a Abs 4 Satz 4 und 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden. Gemäß § 12 Abs 1 Satz 2 iVm §§ 165 und 153 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wirken die ehrenamtlichen Richter bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit (so auch in bezug auf das arbeitsgerichtliche Verfahren: BAG AP Nr 19 zu § 2 ArbGG 1979 = NJW 1994, 1172).
Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde sind nur die auf Verpflichtung zur Auskunft und auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Begehren der Klägerin. Soweit das LSG – hinsichtlich des Begehrens der Klägerin auf Aufnahme in die Behandlerliste – den Rechtsweg zu den SGen angenommen hat, ist seine Entscheidung nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten worden.
Die Zuständigkeit der SGe für den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ergibt sich auch im Hinblick auf den Klageanspruch zu 1, für den der Sozialrechtsweg angenommen wurde, nicht aus § 17 Abs 2 GVG (idF vom 17. Dezember 1990, BGBl I 2809). Danach entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit – unbeschadet der Art 3, 14 Abs 3 Satz 4 und 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) – unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Ausweislich der Gesetzesmaterialien ging der Gesetzgeber davon aus, daß “das angerufene Gericht den Rechtsstreit grundsätzlich umfassend entscheidet, sofern der zu ihm beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund zulässig ist” (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, BT-Drucks 11/7030, S 37). Hieraus folgt jedoch nicht, daß wegen der Annahme des sozialgerichtlichen Rechtsweges in bezug auf den Klageantrag zu 1. auch über die weiteren, hier streitigen Ansprüche von den SGen zu entscheiden ist. Bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche hindert § 17 Abs 2 GVG nF das Gericht nicht, für einzelne Ansprüche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu verneinen. Ziel der Gesetzesänderung ist es vielmehr, in Fällen, in denen der Klageanspruch auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Grundlagen gestützt ist, das angerufene Gericht zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe zu verpflichten, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist (BGHZ 114, 1 = NJW 1991, 1686). Diese Voraussetzung des § 17 Abs 2 GVG nF liegt hier nicht vor. Die Ansprüche der Klägerin auf Auskunftserteilung und Schadensersatz sind gegenüber den von ihr weiter geltend gemachten und vom LSG dem sozialgerichtlichen Rechtsweg zugeordneten Anspruch auf Aufnahme in die Behandlerliste im prozessualen Sinn selbständig. Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist daher für die im Beschwerdeverfahren streitigen Ansprüche gesondert zu prüfen.
Die Zuständigkeit der SGe für die Entscheidung über die Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunft wird weder durch § 51 Abs 1 SGG noch durch § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG begründet. Nach § 51 Abs 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Die Klägerin leitet einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld gegen die Beklagte aus deren Verpflichtung ab, sie zur psychotherapeutischen Behandlung der Mitglieder der Beklagten außerhalb des Delegationsverfahrens zuzulassen. Ob es sich hierbei um eine Pflicht handelt, die dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist, kann dahinstehen. Selbst wenn es sich um einen Schadensersatzanspruch aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten handelte, wäre der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben. Denn § 51 Abs 1 SGG läßt die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtswegzuständigkeit der Zivilgerichte für Amtshaftungsansprüche (Art 34 Satz 3 GG iVm § 839 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) unberührt. Dementsprechend weist § 40 Abs 2 VwGO Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten den Zivilgerichten zu. Von der Zuweisung an die Zivilgerichte ausgenommen sind allein Ansprüche auf Schadensersatz aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Verträge, die wegen der besonderen Zuweisung in § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG unter den dort genannten Voraussetzungen in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen können.
Einen solchen Schadensersatzanspruch aus Vertrag macht die Klägerin nicht geltend. Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen dem Schadensersatzanspruch und der von der Beklagten vereinbarten “TK-Regelung” (nebst der modifizierten Verfahrensbeschreibung). Insoweit nimmt die Klägerin an, die Beklagte sei entgegen den dort getroffenen Regelungen verpflichtet gewesen, auch sie an der Behandlung der Mitglieder der Beklagten außerhalb des Delegationsverfahrens zu beteiligen. Die Klägerin macht jedoch nicht geltend, ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunft ergäben sich aus der genannten Regelung oder deren Verletzung. Die Klägerin wird von der “TK-Regelung” bzw der hierzu ergangenen Verfahrensbeschreibung gerade nicht erfaßt.
Eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG. Nach dieser durch Art 32 Nr 3 Gesundheitsreform-Gesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) mit Wirkung vom 1. Januar 1989 in das SGG eingefügten Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V) aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände entstehen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch aus der Entscheidung der beklagten KK ableitet, sie nicht in die Behandlerliste aufzunehmen. Denn auch § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG läßt die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtswegzuständigkeit der Zivilgerichte für Amtshaftungsansprüche (Art 34 Satz 3 GG iVm § 839 Abs 1 BGB) unberührt. Geht man mit der Klägerin von einer Rechtspflicht der Beklagten aus, auch diejenigen Diplompsychologen zur Behandlung zuzulassen, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in die vom BDP geführte Behandlerliste nicht erfüllen, so stellt sich die Verletzung dieser Pflicht als Amtspflichtverletzung dar, die ggf zum Schadensersatz in Geld nach § 839 Abs 2 BGB iVm Art 34 GG verpflichtet. Da die Klägerin Schadensersatz in Geld begehrt, ist auf die Rechtsprechung nicht näher einzugehen, daß die Rechtswegzuweisung des § 40 Abs 2 VwGO nicht für den Herstellungsanspruch auf Schadensersatz durch eine Amtshandlung gilt (vgl BSGE 41, 126, 127).
An der in § 40 Abs 2 VwGO iVm Art 34 GG festgelegten besonderen Zuweisung der Amtshaftungsansprüche zur Zivilgerichtsbarkeit vermag auch der von der Beschwerde geltend gemachte Sachzusammenhang des Schadensersatzanspruchs mit dem Anspruch auf Aufnahme in die Behandlerliste nichts zu ändern. Amtshaftungsansprüche stehen typischerweise in einem Sachzusammenhang mit speziellen Regelungsbereichen des Verwaltungsrechts Der Gesetzgeber hat dies jedoch nicht zum Anlaß genommen, die Rechtswegzuweisung bei Amtshaftungsansprüchen in der Weise zu regeln, daß es auf die Zuordnung der vermeintlich verletzten Sachnormen ankommen soll. Auch die Neuregelung des § 17 Abs 2 GVG im 4. VwGO-Änderungsgesetz (vom 17. Dezember 1990, BGBl I 2809) hat die Zuordnung der Amtshaftungsansprüche zu den Zivilgerichten nicht geändert.
Der Rechtsweg zu den SG en ist auch für den mit dem Schadensersatzanspruch verbundenen Auskunftsanspruch nicht gegeben. Hierbei handelt es sich um einen Hilfs- bzw Nebenanspruch zum Anspruch auf Schadensersatz, der in bezug auf die Rechtswegzuständigkeit denselben Regeln folgt wie der Schadensersatzanspruch (BGHZ 67, 81, 91).
Fundstellen