Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 07.05.2020; Aktenzeichen S 9 BA 2361/19) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.03.2021; Aktenzeichen L 11 BA 1575/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin und die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 3. bis 5.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 126 375,36 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um eine Beitragsnachforderung von 126 375,36 Euro für die Tätigkeiten der zu 1. und 2. beigeladenen Gesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH in der Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2016.
Vom Stammkapital der klagenden GmbH von 50 000 DM (nunmehr 26 000 Euro) hält deren Gründer 60 vH und die Beigeladenen zu 1. und 2. je 20 vH. Sie vereinbarten die einheitliche Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung. Alle drei waren zu Geschäftsführern bestellt, der Gründer gegen eine monatliche Zahlung von 200 Euro und nur bis zum 31.12.2014. Die Beigeladenen zu 1. und 2. schlossen mit der Klägerin Anstellungsverträge und führten die Geschäfte aufgeteilt entsprechend ihren Meistertiteln.
Die Beklagte forderte für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung von 126 375,26 Euro für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2016 (Betriebsprüfungsbescheid vom 28.7.2017, Widerspruchsbescheid vom 24.6.2019). Die Beigeladenen zu 1. und 2. seien aufgrund Beschäftigung sozialversicherungs- und beitragspflichtig.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 7.5.2020, Urteil des LSG vom 30.3.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beigeladenen zu 1. und 2. hätten keine ausreichende Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung der Klägerin gehabt, um Weisungen an sich verhindern zu können. Daran ändere die den Beigeladenen zu 1. und 2. vom Gründer außerhalb des Gesellschaftsvertrags erteilte widerrufliche persönliche Generalvollmacht nichts. Die Klägerin könne aus dem vorangegangenen Betriebsprüfungsbescheid vom 10.9.2013 keine Rechte herleiten. Vertrauensschutz in die "Kopf-und-Seele"-Rechtsprechung des BSG habe nicht bestanden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben sich mit am 7.7.2021 beim BSG eingegangenem Fax der Beschwerdebegründung angeschlossen und ebenfalls die Zulassung der Revision beantragt.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat keinen der im Gesetz genannten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts im Sinne des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob mit der Frage, "ob der Rechtsgedanke des Art. 103 Abs. 2 GG nicht analog anzuwenden ist", eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) aufgeworfen und derart konkret formuliert worden ist, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (vgl Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97). Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Die Beschwerdebegründung der Klägerin erschöpft sich im Wesentlichen darin, die Rechtsprechung des BSG zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern und die Entscheidung des LSG in der Sache zu kritisieren. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 8 mwN).
Selbst wenn die Rüge der Klägerin, das BSG sei mit seiner Entscheidung vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24) ohne Not von der bisherigen Rechtsprechung zu Kopf und Seele des Unternehmens und vor allem von dem von ihm selbst aufgestellten Grundsatz abgewichen, dass stets die tatsächlichen Umstände maßgeblich seien, als Rechtsfrage nach der zutreffenden Auslegung des § 7 SGB IV bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Geschäftsführern einer Familien-GmbH verstanden würde, fehlte es an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).
Die Klägerin setzt sich weder mit der Rechtsprechung des Senats zum Vertrauensschutz von GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern in die sog "Kopf-und-Seele"-Rechtsprechung (BSG Urteile vom 19.9.2019 - B 12 KR 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 27 Nr 43 und B 12 KR 21/19 R - BSGE 129, 106 = SozR 4-2400 § 7 Nr 45) oder zur sozialversicherungsrechtlichen Statuszuordnung von Geschäftsführern einer GmbH (zuletzt BSG Urteile vom 19.9.2019 aaO; BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R - BSGE 129, 254 = SozR 4-2400 § 7 Nr 46; BSG Urteile vom 12.5.2020 - B 12 R 5/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 50, B 12 R 11/19 R - juris und B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47) noch mit jeglicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl zB Nichtannahmebeschluss vom 5.11.2015 - 1 BvR 1667/15 - juris) zu verfassungsrechtlich garantiertem Vertrauensschutz auseinander. Das wäre insbesondere deshalb angezeigt gewesen, weil bereits das LSG hinsichtlich des geltend gemachten Vertrauensschutzes auf die Entscheidungen des Senats vom 19.9.2019 verwiesen hat.
Dasselbe gilt, soweit die Ausführungen der Klägerin auf Seite 6 der Beschwerdebegründung zur den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilten Generalvollmacht des Gründers der Klägerin als Frage nach den sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer vom Vater an seine Söhne auch betreffend sein Vermögen erteilten Vollmacht ausgelegt würden. Auch insofern setzt sich die Klägerin nicht hinreichend mit der genannten Rechtsprechung des BSG, insbesondere zu den Auswirkungen von Treuhandvereinbarungen (BSG Urteile vom 12.5.2020 aaO) auseinander. Sie legt nicht dar, weshalb sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll.
2. Im Übrigen hat die Klägerin weder eine Abweichung des angefochtenen Urteils des LSG von einer Entscheidung des BSG oder des BVerfG (Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bezeichnet.
3. Die Begründung der Beigeladenen zu 1. und 2. führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch sie haben im Kern die Richtigkeit des angefochtenen Urteils beanstandet. Das kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 8 mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO und berücksichtigt, dass auch die Beigeladenen zu 1. und 2. die Zulassung der Revision beantragt haben.
6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14813530 |