Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 25.05.2016; Aktenzeichen L 13 SB 101/14) |
SG Stade (Aktenzeichen S 2 SB 111/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 ab Februar 2006. Bei dem Kläger war zuletzt ein GdB von 20 wegen eines operierten Bandscheibenleidens festgestellt. Die beantragte Neufeststellung wegen unfallbedingter Behinderung beider Hände war bei dem Beklagten erfolglos (Bescheid vom 25.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 20.4.2007). Das SG hat die Klage abgewiesen, nachdem der Kläger die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht erklärt hatte (Gerichtsbescheid vom 13.2.2008). Das LSG hat den Beklagten auf die Berufung des Klägers nach angenommenem Teilanerkenntnis über einen GdB von 30 ab April 2015 zur Feststellung eines GdB von 40 verurteilt und zur Begründung ua ausgeführt, eine Höherbewertung sei wegen der Handgelenksbeschwerden angezeigt. Der bisherige Einzel-GdB von 20 entspreche nur unzureichend den Vorgaben für die Beurteilung paariger Funktionsbeeinträchtigungen und sei mit 20 bis 30 in Ansatz zu bringen. Ausgehend von hinzugekommenen psychischen Beeinträchtigungen mit einem zwischenzeitlichen Einzel-GdB von 20 ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40. Der beantragten Aussetzung bis zur Vorlage eines (psychiatrischen) Zusammenhangsgutachtens im parallelen Arbeitsunfallverfahren habe es mangels Relevanz nicht bedurft. Ebenso wenig habe dem Beweisantrag zur Einholung eines medizinisch-wissenschaftlichen Gutachtens zur Frage des GdB beim Kläger stattgegeben werden müssen, da die Bemessung des GdB richterliche Aufgabe sei (Urteil vom 25.5.2016).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt der Kläger Verfahrensmängel.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der aufgeführte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt, das LSG sei seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt. Das LSG habe sich nicht ausreichend mit dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 15.6.2010 im parallelen Arbeitsunfallverfahren auseinandergesetzt, welches die gesundheitlichen Störungen auf diesem Gebiet bereits mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 bewertet habe. Der Beweisantrag zu 1) in der Sitzung vom 25.5.2016 sei geeignet gewesen, den Sachverhalt näher aufzuklären, auch nachdem es im Jahr 2015 im Zusammenhang mit einer Lungenembolie zu einer Verschlechterung der psychischen Störungen gekommen sei. Dem Beweisantrag zu 2) in der Sitzung vom 25.5.2016 habe das LSG nachgehen müssen, weil es seinen eigenen medizinischen Erkenntnisstand nicht nachgewiesen habe. Mit diesen Ausführungen legt der Kläger einen Aufklärungsmangel nicht hinreichend dar.
Zur Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung des § 103 SGG muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG Beschluss vom 15.9.2015 - B 13 R 201/15 B - Juris RdNr 5). Daran fehlt es. Hinsichtlich des so bezeichneten Beweisantrags zu 1) legt die Beschwerdebegründung schon nicht dar, dass der zu Protokoll erklärte Antrag auf Aussetzung des Verfahrens - unbeschadet der Voraussetzungen des § 114 SGG - den Anforderungen an einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag entsprechen könnte. Dafür hätte die Beschwerdebegründung nicht nur die Stellung eines Antrags aufzeigen müssen, sondern auch, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte mit welchem voraussichtlichen Ergebnis Beweis erhoben werden sollte. Denn wesentliche Merkmale eines hinreichend substantiierten Beweisantrags sind eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst eindeutig und präzise zu bezeichnen und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte (vgl BSG Beschluss vom 13.8.2015 - B 9 V 13/15 B - Juris RdNr 10). Unabhängig davon wird aber auch nicht deutlich, wieso es für die hier allein entscheidungserhebliche Frage nach vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen noch - worauf das LSG hinweist - auf das im Arbeitsunfallverfahren in Auftrag gegebene Zusammenhangsgutachten ankommen können sollte. Hinsichtlich des Beweisantrags zu 2) setzt sich die Beschwerdebegründung zudem auch nicht damit auseinander, dass es ureigene Aufgabe des Tatrichters ist ausgehend von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung anhand der feststehenden medizinischen Tatsachen vorzunehmen und den Gesamt-GdB anhand der Versorgungsmedizin-Verordnung selbst zu beurteilen (vgl BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 27.5.2015 - B 9 SB 66/14 B, stRspr). Soweit die Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang den Vorwurf erhebt, das LSG habe sich bei der Bewertung der psychischen Störungen eine ihm nicht zukommende medizinische Sachkunde angemaßt, hätte sie sich nicht darauf beschränken dürfen aufzuzeigen, dass das LSG dem Gutachten vom 15.6.2010 aus dem parallelen Arbeitsunfallprozess nicht folgt. Vielmehr hätte es der Darlegung bedurft, dass das LSG seine Beweiswürdigung - ohne Hinweis auf das Bestehen eigener Sachkunde - allein auf eine von ihm selbst entwickelte Beurteilung stützt (vgl BSG Beschluss vom 15.9.2011 - B 2 U 157/11 B). Auch dies erörtert die Beschwerdebegründung nicht. Sollte sich die Beschwerdebegründung im Kern gegen die Beweiswürdigung wenden, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese der Nichtzulassungsbeschwerde entzogen ist (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Soweit der Kläger darüber hinaus die Entscheidung des LSG für fehlerhaft halten sollte, wäre auch dies kein Grund für die Zulassung der Revision (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10571833 |