Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahr 1966 geborene Kläger begehrt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Zahlung von Zwischenübergangsgeld. Er fordert dies für den Zeitraum nach Erschöpfung seines Anspruchs auf Krankengeld (ab 10.2.2015) bis zum 1.2.2017, dem Tag des Erlasses eines Bescheids, mit dem ihm die Beklagte rückwirkend ab dem 1.2.2015 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bewilligte. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Zwischenübergangsgeld ab (Bescheid vom 17.2.2015, Widerspruchsbescheid vom 8.7.2015). Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 9.1.2019 zurückgewiesen (Urteil vom 27.11.2020). Die Voraussetzungen für die Weiterzahlung von Leistungen nach § 51 Abs 1 SGB IX(in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung - aF) lägen nicht vor, da die vom Kläger angestrebte Umschulung zum Jugend- und Heimerzieher mit weiterem Bescheid vom 17.2.2015, der nach Klagerücknahme Bestandskraft erlangt habe, im Hinblick auf die bestehende HIV-Infektion abgelehnt worden sei. Weitere konkrete Teilhabeleistungen seien nicht bewilligt worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beantragt Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen. Sie ist nicht fristgerecht begründet; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Darüber hinaus ist auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht formgerecht dargelegt.
1.a) Die Beschwerdebegründung im Schriftsatz vom 6.4.2021 wahrt die Begründungsfrist von zwei Monaten gemäß § 160a Abs 2 Satz 1 SGG nicht. Das Urteil des LSG ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.1.2021 zugestellt worden. Somit ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am 11.3.2021 abgelaufen (vgl § 64 Abs 2 Satz 1 SGG). Ein Antrag auf Verlängerung dieser Frist (vgl § 160a Abs 2 Satz 2 SGG) wurde nicht gestellt.
b) Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist kann nicht gewährt werden.
aa) Nach § 67 Abs 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, sofern ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Gemäß § 67 Abs 2 Satz 2 SGG sollen die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht werden. Dazu muss jedenfalls ein rechtskundiger Prozessbevollmächtigter iS des § 73 Abs 4 Satz 2 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl den unterschiedlichen Wortlaut des § 67 Abs 2 SGG gegenüber § 236 Abs 2 Satz 1 ZPO bzw § 60 Abs 2 Satz 2 VwGO) die maßgebenden Tatsachen durch eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe darlegen. Sie muss aufzeigen, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht und auf welche Weise sowie - soweit aufklärbar - durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist (vgl BGH Beschluss vom 20.10.2020 - VIII ZA 15/20 - juris RdNr 14 mwN). Auf Grundlage dieser Schilderung muss, sofern die genannten Tatsachen nicht anderweitig infrage gestellt werden, ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (vgl BSG Beschluss vom 11.9.1964 - 7 RAr 11/64 - SozR Nr 39 zu § 67 SGG = juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 21.8.2000 - B 2 U 230/00 B - SozR 3-1500 § 67 Nr 19 S 50 = juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 19.2.2018 - B 14 AS 49/17 R - juris RdNr 6).
bb) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers begründet den Antrag auf Wiedereinsetzung wie folgt:
"Nachdem vom Bundessozialgericht mit Schreiben vom 12.02.2021, zugegangen am 17.02.2021, mitgeteilt worden ist, dass die Nichtzulassungsbeschwerde am 11.02.2021 eingegangen ist, wurde handschriftlich notiert, dass die Mitteilung des Bundessozialgerichtes vom 12.02.2021 an den Beschwerdeführer weiterzuleiten ist und dass die Monatsfrist zum 11.03.2021 zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzutragen ist. Mit der Mitteilung des Bundessozialgerichtes vom 22.03.2021, dass die laufende Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abgelaufen sei, wurde festgestellt, dass die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in der Akte nicht eingetragen war. Die Akte wurde überprüft. Es war aber nachträglich nicht mehr nachvollziehbar, warum die Beschwerdebegründungsfrist nicht eingetragen worden ist. Zuständig für die Einhaltung der Fristen ist Frau M. Frau M ist eine zuverlässige Mitarbeiterin. Sie ist für die Notierung der Fristen im Anwaltsbereich zuständig. Bisher hat es keine Beanstandungen gegeben. Die stichprobenartige Überprüfung vom Formular, ob die Fristen richtig eingetragen worden sind, ergaben bisher keine Beanstandungen. Dieser Sachverhalt wird vom Unterzeichner eidesstattlich versichert."
cc) Aus dieser Sachverhaltsschilderung ergibt sich nicht, dass den Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kein Verschulden an der versäumten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde trifft. Der Kläger muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 73 Abs 6 Satz 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO). Dieser darf Hilfstätigkeiten zwar auf gut ausgebildete und sorgfältig überwachte Angestellte übertragen, hat aber für eigenes Auswahl-, Überwachungs- und Organisationsverschulden einzustehen (vgl BSG Beschluss vom 28.6.2018 - B 1 KR 59/17 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 15 RdNr 6 f). Das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten ist nicht schuldhaft, wenn er darlegen kann, dass es zu einem Büroversehen gekommen ist, obwohl er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl BSG aaO RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 27.11.2020 - B 9 V 21/20 B - juris RdNr 5).
Entsprechende Darlegungen enthält der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 6.4.2021 nicht. Ihm kann nicht entnommen werden, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumnis der Frist gekommen ist. Die Angabe, es "wurde handschriftlich notiert", lässt sowohl die konkret handelnde Person als auch den Ort der Notiz (in der Handakte, auf einem Klebezettel oder in sonstiger Weise) im Dunkeln. Dabei hätte es dem Prozessbevollmächtigten unschwer möglich sein müssen, anhand der Handschrift anzugeben, welche Person die Anweisung zum Notieren der Frist in welcher Weise erteilt hat. Es fehlen auch Angaben dazu, wo genau diese Frist hätte notiert werden sollen und auf welcher organisatorischen Grundlage die Eintragung der Beschwerdebegründungsfrist (einschließlich Vorfrist: vgl BGH Beschluss vom 23.9.2020 - IV ZB 18/20 - juris RdNr 9) nicht spätestens bei Einlegung der Beschwerde, sondern erst nach Erhalt der gerichtlichen Eingangsbestätigung hätte vorgenommen werden sollen. Der Vortrag, es hätte für die Begründung der Beschwerde ab deren Eingang bei Gericht eine "Monatsfrist" zur Verfügung gestanden, weist darauf hin, dass den handelnden Personen die gesetzliche Regelung in § 160a Abs 2 Satz 1 SGG (Zweimonatsfrist ab Zustellung des LSG-Urteils) nicht bekannt war. Dem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei ein Fristenkalender geführt wird, in den die Rechtsmittelfristen eingetragen werden und anhand dessen ihre Einhaltung überwacht wird (zur Erforderlichkeit eines Fristenkalenders zusätzlich zur Eintragung der Rechtsmittelfrist in der Handakte vgl BGH Beschluss vom 5.2.2003 - VIII ZB 115/02 - juris RdNr 8; BGH Beschluss vom 19.2.2020 - XII ZB 458/19 - juris RdNr 12 und zur Notwendigkeit von Gegenkontrollen auch bei elektronischer Aktenführung vgl BGH Beschluss vom 23.6.2020 - VI ZB 63/19 - juris RdNr 11). Mitgeteilt wird lediglich, dass die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde "in der Akte nicht eingetragen war". Auf welche Weise allein anhand der Handakten eine wirksame Fristenkontrolle möglich sein könnte, wird nicht erläutert.
Zudem fehlt jeglicher Vortrag dazu, welche allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigte getroffen hat, um eine wirksame Fristenüberwachung zu gewährleisten. Das lässt den Schluss zu, dass ausreichende organisatorische Vorkehrungen für eine wirksame Fristenkontrolle gefehlt haben (vgl BGH Beschluss vom 23.9.2020 - IV ZB 18/20 - juris RdNr 13). Das pauschale Behaupten einer bislang beanstandungsfreien "stichprobenartigen Überprüfung vom Formular, ob die Fristen richtig eingetragen worden sind" - ohne Angabe näherer Einzelheiten hierzu - ist ebenso wenig geeignet, ein fehlendes Überwachungsverschulden des Prozessbevollmächtigten überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen.
2. Ungeachtet der versäumten Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger aber auch den allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Daran fehlt es hier.
Der Kläger trägt vor, es stelle sich folgende Rechtsfrage:
"Ist den Betroffenen Zwischenübergangsgeld zu gewähren, wenn ihnen dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einem bestimmten Bereich bewilligt worden ist, ohne dass ihnen bereits eine konkrete Zusage für eine Teilnahme am Arbeitsleben erteilt worden ist."
Dabei handelt es sich schon nicht um eine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 5 R 218/20 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 1.12.2020 - B 12 KR 30/20 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 14.12.2020 - B 3 P 11/20 B - juris RdNr 7, jeweils mwN). Der Kläger benennt kein Tatbestandsmerkmal einer bestimmten Vorschrift, dessen Regelungsgehalt durch Auslegung in verallgemeinerungsfähiger Weise in einem Revisionsverfahren zu klären wäre. Soweit er im Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen auf die Regelung in "§ 53 Abs 1 SGB IX" Bezug nimmt (wohl gemeint: § 51 Abs 1 SGB IX aF), findet der Umstand, dass diese Vorschrift durch Art 26 Abs 1 Satz 2 Bundesteilhabegesetz (BTHG vom 23.12.2016, BGBl I 3234) außer Kraft gesetzt wurde und eine entsprechende Regelung seitdem in § 71 Abs 1 SGB IX(idF von Art 1 BTHG) enthalten ist, keine Erwähnung (zur Klärungsbedürftigkeit bei ausgelaufenem Recht vgl BSG Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 21.1.2020 - B 12 KR 60/19 B - juris RdNr 7). Der lediglich pauschale Hinweis, dass sich "aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher keine Kriterien zur Beantwortung dieser Rechtsfrage ergeben", lässt eine Befassung mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung des BSG zu § 51 SGB IX aF (bzw zu den Vorgängervorschriften in § 17 Abs 1 RehaAnglG und § 1241e RVO) nicht erkennen.
Auch zur Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der angeführten Frage fehlt ausreichender Vortrag. Die Frage setzt voraus, dass einem Betroffenen dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben "in einem bestimmten Bereich" bewilligt wurden. Aus den Darlegungen des Klägers erschließt sich bereits nicht, dass die vormals für ihn zuständige DRV Berlin-Brandenburg ihm im Bescheid vom 13.5.2014 dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einem bestimmten Bereich bewilligt hat. Außerdem setzt sich der Kläger nicht mit der Frage auseinander, in welchem Verhältnis die bestandskräftig gewordene Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (vgl § 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI) rückwirkend ab dem 1.2.2015 zu dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zwischenübergangsgeld ab dem 10.2.2015 steht (zur Problematik vgl den Ausschlusstatbestand in § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI sowie hierzu Günniker in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 12 RdNr 17, Stand der Einzelkommentierung März 2013; Luthe in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl 2021, § 12 RdNr 47 f). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG selbst erklärt, dass er "mit der Rente eigentlich einverstanden" sei und es ihm letztlich um die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs wegen der aus seiner Sicht zu Unrecht verweigerten Bewilligung einer Umschulung zum Heimerzieher gehe.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14693307 |