Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 30.01.2019; Aktenzeichen S 12 R 3489/16) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.10.2019; Aktenzeichen L 13 R 489/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Einbehaltung eines monatlichen Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung der Rentner von 0,9 vH ab 1.3.2015 und von 1,5 vH ab 1.3.2016 von der Rente für langjährig Versicherte (Rentenbescheid vom 17.2.2016, Rentenbescheid vom 28.4.2016, Widerspruchsbescheid vom 24.8.2016). Das SG Freiburg hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.1.2019), das LSG Baden-Württemberg die Berufung zurückgewiesen. Die Erhebung des Zusatzbeitrags sei nach der Rechtsprechung des BSG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verletzung der Art 3 Abs 1, 14 Abs 1 und 19 Abs 4 GG sei nicht zu erkennen (Urteil vom 15.10.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst folgender Frage eine grundsätzliche Bedeutung bei:
"Verstößt § 242 SGB V in seinen Absätzen 1 und 2 gegen Art. 14 Abs. 1 GG und gegen Art. 19 Abs. 4 GG und ist deswegen der Kläger zu Unrecht benachteiligt?"
a) Es ist bereits zweifelhaft, ob damit eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden ist. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 R 57/18 B - juris RdNr 5). Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, genügt es nicht, nach der Vereinbarkeit einer Vorschrift des Bundesrechts mit der Verfassung an sich zu fragen. Die Rechtsfrage muss vielmehr derart klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche konkrete Regelung des einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der Kläger zusätzlich nach einer Benachteiligung fragt. Die Rechtsfrage wird nicht dadurch konkret, dass der Kläger den Gesetzestext des § 242 Abs 1 und 2 SGB V wiedergibt.
b) Unabhängig davon ist auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Sie ergibt sich nicht schon aus der Behauptung, Verfassungsrecht sei verletzt. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7 mwN). Die Behauptung, man habe unter die für einschlägig gehaltene Norm des Grundgesetzes ordnungsgemäß subsumiert, genügt diesen Anforderungen nicht.
Der Kläger setzt sich mit der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 21.1.2009 - B 12 R 1/07 R - juris; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 R 21/06 R - BSGE 99, 19 = SozR 4-2500 § 241a Nr 1) und des BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 3.6.2014 - 1 BvR 79/09 ua - SozR 4-2600 § 68 Nr 4) zur Erhebung von Zusatzbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auseinander. Die Rechtsprechung betrifft zwar die bis zum 31.12.2008 geltende Regelung des § 241a SGB V, eine Rechtsfrage ist aber auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Dass sich die zu Art 14 Abs 1 GG aufgeworfene Frage nicht anhand der genannten Urteile beantworten lässt, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Die Behauptung, es sei herrschende Meinung, dass Renten von Art 14 Abs 1 GG geschützt seien und Eingriff bleibe, weil Renten kein "Selbstbedienungsladen" seien und dass alles "schon längst aus- und durchentschieden und bekannt" sei, erfüllt die Anforderungen nicht.
Soweit der Kläger meint, es verstoße gegen Art 14 Abs 1 GG, dass die Krankenkassen in ihren Satzungen Zusatzbeiträge bestimmen könnten und dass es insofern an einer Ermächtigungsgrundlage fehle, setzt er sich ebenso wenig mit der Rechtsprechung des BSG zur Beitragserhebung auf der Grundlage untergesetzlicher Normen (ausführlich BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17, RdNr 22 ff mwN; BSG Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 31/00 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 38; BSG Urteil vom 21.12.2011 - B 12 KR 22/09 R - BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16 RdNr 31; vgl zuletzt auch BSG Urteil vom 28.5.2019 - B 1 A 1/18 R - SozR 4-2500 § 11 Nr 5, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) wie mit den Auswirkungen der Möglichkeit eines Krankenkassenwechsels (§ 175 Abs 4 Satz 5 SGB V) auf die behauptete Verfassungswidrigkeit der Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrags auseinander. Inwiefern sich aus dem Gesetz Vorgaben für Satzungen zur Erhebung von Zusatzbeiträgen ergeben, untersucht der Kläger ebenso wenig wie er erläutert, wie sich aus den Argumenten "nichts bringen", "Selbstbedienungsladen" und "Tür und Tor geöffnet" die Klärungsbedürftigkeit der Frage ergeben soll, ob § 242 Abs 1 und 2 SGB V gegen Art 14 GG oder Art 19 Abs 4 GG verstößt. Der Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt nicht.
Auch mit der Ausprägung der Rechtsweggarantie durch das BVerfG setzt sich der Kläger nicht auseinander. Die Behauptung, die Erhebung von Zusatzbeiträgen sei eine Prognoseentscheidung und "nach gängiger Rechtsprechung und herrschender Meinung" seien "Prognoseentscheidungen nur eingeschränkt justiziabel", genügt den Anforderungen nicht. Auch sofern der Kläger beanstandet, dass richtiger Ansprechpartner die beigeladene Krankenkasse und nicht die beklagte Rentenversicherung sei, legt er eine grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Frage nach der Vereinbarkeit des § 242 SGB V mit Art 19 Abs 4 GG nicht dar. Selbst wenn unterstellt wird, dass er sich gegen die Satzung der Beigeladenen wenden möchte, hätte er sich zumindest mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Bedeutung die Beiladung seiner Krankenkasse vor dem Hintergrund der Wirkung der Rechtskraft eines Urteils für die Beteiligten (§ 141 Abs 1, § 69 SGG) hätte.
2. Soweit der Kläger auf Seite 5 f seiner Beschwerdebegründung eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LSG behauptet, fehlt es an jeglicher Darlegung, worin diese Verletzung liegen könnte. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN). Der Kläger führt nur aus, das LSG habe "hier bei Art. 14 GG wie auch bei Art. 19 Abs. 4 GG wunderbar an der Sache vorbeigeschrieben und dem Kläger eben nicht zugehört."
3. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ebenfalls unzulässig, soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend macht, ob "die Norm des § 192 SGG verfassungswidrig" ist "vor dem Hintergrund eines zu unbestimmten Tatbestandes" und gegen "Art. 19 Abs. IV GG und Art. 3 GG" verstößt. Liegt bei einer Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde kein Zulassungsgrund vor, kann lediglich wegen der Kostenentscheidung die Revision nicht zugelassen werden (BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 3 P 9/17 B - juris RdNr 10). Das würde selbst dann gelten, wenn an sich ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 SGG in Bezug auf die Entscheidung über die Mutwillenskosten vorläge (BSG Beschluss vom 23.10.2003 - B 11 AL 199/03 B - juris). Auch § 192 Abs 3 Satz 2 SGG erlaubt dem Senat eine Aufhebung der Kostenentscheidung des LSG im Rahmen der unzulässigen Beschwerde nicht (BSG Beschluss vom 28.10.2010 - B 13 R 229/10 B - SozR 4-1500 § 192 Nr 1 RdNr 14-15). Da die Beschwerde zu verwerfen ist, kann der Kostenausspruch des LSG auch nicht (isoliert) geändert werden (vgl BSG Beschluss vom 10.7.2016 - B 11 AL 30/16 B - juris RdNr 10). Eine Überprüfung der Anwendung von § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG wäre eine isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung, die gemäß § 165 Satz 1 iVm § 144 Abs 4 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen könnte und deshalb auch nicht gesondert mit der Beschwerde geltend gemacht werden kann (stRspr; zuletzt BSG Beschluss vom 28.10.2010 - B 13 R 229/10 B - SozR 4-1500 § 192 Nr 1 RdNr 14-15 mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14113875 |