Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Durch Urteil vom 19.7.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von 1,0 anstelle eines gekürzten Zugangsfaktors (0,892) verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie ist nicht formgerecht begründet.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger formuliert als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Ist die Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI im Hinblick auf die versicherungsmathematischen Abschläge (Erniedrigung des Zugangsfaktors) verfassungswidrig geworden durch das zum 01.07.2014 in Kraft getretene RV-Leistungsverbesserungsgesetz unter Verstoß gegen Art. 14 GG und Art. 3 GG?"
Er hat allerdings deren Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dargetan.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
1. Der Kläger selbst verweist auf den Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 (1 BvR 3588/08, 555/09 - BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9), nach dem die Kürzung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung mit dem GG vereinbar ist. Er führt dazu aus, das BVerfG habe entschieden, dass § 77 Abs 2 SGB VI nur dann mit Art 14 GG vereinbar sei, "wenn die finanzielle Notsituation der gesetzlichen Rentenversicherung den Eingriff in die Anwartschaft" rechtfertige. Mit der Einführung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes sei bewiesen, dass eine Notlage nicht mehr bestehe. Der Rentenversicherung seien erhebliche Mehrbelastungen durch die "Verdoppelung der Kindererziehungszeiten für die Zeit vor 1992 und Rente mit 63 ohne Abschläge für bestimmte Jahrgänge" auferlegt worden. Damit sei die finanzielle Notlage weggefallen und der geschmälerte Zugangsfaktor ab 1.7.2014 "automatisch verfassungswidrig" geworden.
Den Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Vortrag zur Begründung dafür, dass die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage durch das BVerfG noch nicht beantwortet ist, genügt dieses Vorbringen nicht. Das BVerfG hat nämlich in dem vom Kläger nicht vollständig zitierten Beschluss betont, dass das Ziel der Verbesserung der Finanzierungssituation der gesetzlichen Rentenversicherung für sich allein zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Art 14 GG nicht genügt (vgl BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 555/09 - BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9, RdNr 40). § 77 Abs 2 SGB VI ist nach den Ausführungen des BVerfG aber deshalb verfassungsgemäß, weil mit der Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten auf die Inanspruchnahme der Rente vor Eintritt des Regelalters für die Altersrente und damit auf eine Verlängerung der Rentenbezugszeit reagiert wurde (BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 555/09 - BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9, RdNr 41). Aus welchen Gründen dies nach Inkrafttreten des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes nicht mehr gelten soll, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Allein der Hinweis des Klägers, vom RV-Leistungsverbesserungsgesetz sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG "noch nichts bekannt" gewesen, ist zur Erfüllung der Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG an eine hinreichende Begründung nicht ausreichend (so schon BSG vom 17.4.2019 - B 5 R 312/18 B - Juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 10.7.2019 - B 13 R 73/18 B).
2. Ebenso wenig setzt sich der Kläger mit der Rechtsprechung des BVerfG zu Art 3 Abs 1 GG auseinander. Nach dem Verständnis des Senats sieht die Beschwerdebegründung eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes insbesondere darin, dass der Gesetzgeber mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz eine abschlagsfreie vorzeitige Rente für besonders langjährig Versicherte (§ 236b SGB VI idF vom 23.6.2014) und die sog "Mütterrente" (§ 249 Abs 1, § 307d SGB VI idF vom 23.6.2014) eingeführt hat, ohne die Abschläge bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente nach § 77 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB VI abzuschaffen.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfG vom 6.5.2014 - 1 BvL 9/12, 1 BvR 1145/13 - BVerfGE 136, 152, 180 - Juris RdNr 70). Aus dem Vortrag, den Bestandsrentnern werde auferlegt, trotz homogener Versichertengemeinschaft mit ihren Abschlägen die Wohltaten der Neurentner zu finanzieren, anstatt bei Wegfall der Notlage als erstes diese Abschläge zu beseitigen, erschließt sich bereits nicht, woraus sich im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG eine Vergleichbarkeit der vom Kläger in Bezug genommenen Versichertengruppen ergibt. Zudem nimmt die Beschwerdebegründung keinerlei Bezug auf die bereits ergangenen Ausführungen des BVerfG zum gekürzten Zugangsfaktor bei Erwerbsminderungsrenten, wonach sich die Inhalts- und Schrankenbestimmung (wegen der Verlängerung der Rentenbezugszeit) als sachgerecht erweist und auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstößt (vgl BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 555/09 - BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9, RdNr 53). Aus welchen Gründen diese Entscheidung nicht mehr gelten solle, lässt die Beschwerdebegründung offen.
Zudem mangelt es an einer Auseinandersetzung damit, dass das BVerfG in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass dem Gesetzgeber - anders als in der Beschwerdebegründung angenommen - nicht vorgegeben werden kann, in welchen Bereichen des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung Einsparungen erzielt werden sollen (vgl zB BVerfG vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 - BVerfGE 116, 96 - Juris RdNr 90; BVerfG vom 25.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 - Juris RdNr 65; BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 - BVerfGE 122, 151 - Juris RdNr 84). Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Gesetzgeber geeignetere Maßnahmen hätte ergreifen können.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13372334 |