Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Beschluss des BSG vom 16.7.2008 - B 6 KA 79/07 B, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 08.11.2001; Aktenzeichen S 8 KA 221/00) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.11.2002; Aktenzeichen L 5 KA 76/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte haben einander ihre außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren je zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger betrieb - bis zu seinem Zulassungsverzicht im Jahr 2000 - zusammen mit anderen Radiologen und Nuklearmedizinern in wechselnder Zusammensetzung eine Praxis in Koblenz. Er wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen einen Bescheid, mit dem gegenüber einem seiner Partner rückwirkend die Genehmigung der Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis zurückgenommen wurde.
Der Zulassungsausschuss hatte dem Kläger im Dezember 1989 die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erteilt. Er genehmigte zudem ihm und zwei weiteren Radiologen die Führung einer Gemeinschaftspraxis mit Wirkung ab dem 1.1.1990. Einer der Radiologen - Dr. F. - verzichtete zum 31.8.1990 auf seine Zulassung.
Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vom Oktober 1999 beschloss der Zulassungsausschuss am 6.12.1999, dass Dr. F. mit Rückwirkung zum 1.1.1990 die Zulassung entzogen wird, weil er während seiner Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis nur den Status eines angestellten Arztes gehabt habe. Der Zulassungsausschuss nahm mit weiterem Bescheid vom 6.12.1999 - offenbar, ohne dass die weiteren beiden Radiologen zu dieser Sitzung geladen waren - auch die Genehmigung der Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis, ebenfalls mit Rückwirkung zum 1.1.1990, zurück.
Beide Bescheide stellte er allen drei Radiologen, darunter dem Kläger zu Händen seines Bevollmächtigten, am 15.12. und 29.12.1999, zu. Dieser erhob gegen beide am 17.1.2000 (Montag) und am 27.1.2000 Widerspruch, mit der Ankündigung, die Begründung nachzureichen, was aber nicht geschah.
Der Beklagte verwarf die Widersprüche des Klägers mit Bescheiden vom 26.1. und 16.2.2000 mangels fristgerechter Begründung als unzulässig.
Die Klagen und Berufungen des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des Landesozialgerichts ≪LSG≫ vom 21.11.2002). Das LSG hat im Urteil betreffend die Rücknahme der Genehmigung der Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis ausgeführt, die Einwände des Klägers dagegen, dass er den Widerspruch binnen eines Monats hätte begründen müssen (§ 44 Satz 1 Ärzte-Zulassungsverordnung ≪Ärzte-ZV≫ damaliger Fassung) und dass er zu der Sitzung des Zulassungsausschusses in dem Verfahren über die Rücknahme der Genehmigung der Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis hätte geladen werden müssen, griffen nicht durch. Die Begründungspflicht und -frist sei, wie vom BSG in seinem Urteil vom 9.6.1999 (SozR 3-5520 § 44 Nr 1) ausgeführt, rechtmäßig; den vom Kläger erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken könne nicht gefolgt werden.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Der Senat hat in diesem und in zahlreichen weiteren Beschwerdeverfahren des Klägers auf die übereinstimmenden Anträge von ihm und dem Beklagten hin das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 8.10.2003). Dies ist erfolgt, nachdem in zwei anderen Beschwerdeverfahren die Revision zugelassen worden war (Az B 6 KA 12/03 B und B 6 KA 18/03 B, später B 6 KA 69/03 R und B 6 KA 70/03 R). In diesen beiden Revisionsverfahren ist der Senat zum Ergebnis gekommen, dass das Erfordernis, Widersprüche in Zulassungsangelegenheiten binnen eines Monats mit Angabe von Gründen einzulegen, verfassungskonform einschränkend auszulegen ist. Es gilt nicht für Drittbetroffene, die nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen wurden (einschränkende Klarstellung zu BSG, Urteil vom 9.6.1999, SozR 3-5520 § 44 Nr 1). In diesen Verfahren ist der Senat weiterhin zu folgenden Ergebnissen gekommen: Wird einem Partner einer Gemeinschaftspraxis die Zulassung für einen zurückliegenden Zeitraum entzogen, so können die übrigen Partner dies anfechten (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 10). Wird einem Partner die Genehmigung der Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis widerrufen oder zurückgenommen, so können sie dies ebenfalls anfechten, es sei denn, dem liegt ein Zulassungsverzicht oder eine bestandskräftige Zulassungsentziehung zugrunde (SozR 4-5520 § 33 Nr 5). In beiden Verfahren hat das BSG den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückverwiesen (Urteile vom 23.2.2005 aaO).
Gestützt auf diese Ergebnisse hat der Kläger im Januar 2008 beantragt, dem ruhenden Verfahren nunmehr Fortgang zu geben und über die Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Erfolglosigkeit ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Klageberechtigung des Klägers durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen entfallen wäre. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt die Berechtigung des Betroffenen unberührt, den gegenüber einem Praxispartner erfolgten Widerruf bzw die Rücknahme der Genehmigung zur Teilnahme an der Gemeinschaftspraxis anzufechten, sodass das vorliegende Verfahren auch keiner Unterbrechung gemäß § 202 SGG iVm § 240 ZPO unterliegt. Die Berechtigung zu einer solchen Drittanfechtung gehört ebenso wie die Zulassung als Vertragsarzt und die Befugnis, über den Vertragsarztsitz zu verfügen, zu der höchstpersönlichen Rechtssphäre, die nicht der Insolvenzmasse zuzuordnen ist (vgl dazu BSGE 86, 121, 123-125 = SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 16-18). Die Stellung als Partner einer Gemeinschaftspraxis ist dem persönlichen Status der Zulassung eng verbunden (s dazu BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 5 RdNr 6). Nur Sekundäransprüche, die sich im Zusammenhang mit der Gemeinschaftspraxis oder im Zuge ihrer Auflösung ergeben - zB Ansprüche auf Honorar(nach)zahlungen oder Ansprüche aus einer Auseinandersetzung der Gesellschaft -, können der Insolvenzmasse zuzurechnen sein.
Der vom Kläger begehrten Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache steht aber entgegen, dass eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht gegeben ist. Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mit weiteren BSG- und BVerfG-Angaben). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der Kläger hat in seiner Beschwerdebegründung vom April 2003 die Rechtsschutzmöglichkeiten für den drittbetroffenen Partner einer Gemeinschaftspraxis, der zu dem gegen einen anderen Partner durchgeführten Verfahren des Widerrufs bzw der Rücknahme der Genehmigung zur Teilnahme an einer Gemeinschaftspraxis nicht hinzugezogen worden ist, als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet. Für eine diesbezügliche Klärung fehlt es indessen an der Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit). Diese besteht nicht mehr, seitdem die gegenüber Dr. F. ausgesprochene Entziehung der Zulassung dadurch bestandskräftig geworden ist, dass das LSG den Rechtsbehelf des Dr. F. zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 15.5.2003 - L 5 KA 2/02) und keiner der Beteiligten ein weiteres Rechtsmittel eingelegt hat.
Dieses Urteil entfaltet gemäß § 141 Abs 1 Nr 1 SGG Bindungswirkung gegenüber allen Beteiligten, dabei auch gegenüber dem in jenem Verfahren beklagten Berufungsausschuss sowie gegenüber dem Kläger, der dort als Beigeladener beteiligt gewesen war (§ 141 Abs 1 Nr 1 iVm § 69 Nr 2 und 3, § 75 SGG). Deshalb muss sich der Kläger auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens im Verhältnis zum auch hier beklagten Berufungsausschuss entgegenhalten lassen, dass die gegenüber Dr. F. rückwirkend erfolgte Entziehung der Zulassung bestandskräftig ist. Dadurch besteht bezogen auf Dr. F. keine Grundlage mehr für eine Genehmigung der Betreibung einer Gemeinschaftspraxis, und gemäß dem Urteil des BSG vom 23.2.2005 (SozR 4-5520 § 33 Nr 5) ist kein Raum mehr, einen Dritten - wie den Kläger - als berechtigt anzusehen, den gegenüber Dr. F. erfolgten Widerruf bzw die Rücknahme der Genehmigung der Teilnahme an einer Gemeinschaftspraxis anzufechten (hierzu siehe ausdrücklich den zweiten Satz des Leitsatzes von BSG aaO und dort RdNr 7, 8, 10).
Damit ist die Grundlage für die im vorliegenden Verfahren verfolgte Drittanfechtung entfallen, und über die vom Kläger als grundsätzlich angesehene Frage des Rechtsschutzes für den drittbetroffenen Partner einer Gemeinschaftspraxis im Zusammenhang mit dem gegen einen anderen Partner durchgeführten Verfahren des Widerrufs bzw der Rücknahme der Genehmigung der Teilnahme an einer Gemeinschaftspraxis kann nicht mehr entschieden werden.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG (hier anzuwenden in der bis zum 1.1.2002 in Kraft gewesenen Fassung). Dabei hat der Senat einerseits berücksichtigt, dass das Rechtsbegehren des Klägers bis zur Rechtskraft des Urteils des LSG vom 15.5.2003 Erfolgsaussicht hatte. Andererseits hat der Kläger die durch dieses Urteil eintretende Änderung der Sachlage, obgleich er im dortigen Verfahren als Beigeladener beteiligt war (mit Vertretung auch durch denselben - hier im Verfahren tätigen - Prozessbevollmächtigten), nicht zum Anlass genommen, das vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren zum Abschluss zu bringen. Vielmehr hat er hier zunächst noch das Ruhen des Verfahrens beantragt und dieses zudem später wieder aufgerufen, ohne dem Wegfall der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage - zB durch gleichzeitige Erledigterklärung oä - Rechnung zu tragen.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206907 |