Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 03.05.2021; Aktenzeichen S 23 SB 327/18) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 10.02.2023; Aktenzeichen L 5 SB 63/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. Februar 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt im Wege eines Änderungsverfahrens die Feststellung eines GdB von 50 insbesondere wegen psychischer Beeinträchtigungen.
Das LSG hat wie vor ihm der Beklagte und das SG einen Anspruch auf Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 40 verneint. Insbesondere sei das psychische Leiden des Klägers nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 30 zu bewerten (Urteil vom 10.2.2023).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN). Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung.
Der Kläger hält folgende Fragen für klärungsbedürftig:
"Kann Entscheidungsgrundlage eines Urteils auch bei komplexem medizinischen Sachverhalt für die Beurteilung einer Gesundheitsstörung als Grundlage für die Feststellung eines Grad der Behinderung juristischer Sachverstand sein, kann also das Gericht die diesbezügliche Beurteilung und Feststellung des Grades der Behinderung vornehmen, oder ist dieses einfach gelagerten medizinischen Sachverhalten vorbehalten und ist im ersten Fall, komplexer medizinischer Sachverhalt, für die diesbezügliche Beurteilung eines Grades der Behinderung die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erforderlich?
Kann also das Gericht, insbesondere bei Gesundheitsstörungen auf fachpsychiatrischem Gebiet, welche auf posttraumatischer Belastungsstörung, Panikattacken, Angststörungen, psychovegetativen Folgen auf internistischem und gastroenterologischem Fachgebiet, mittelgradige depressive Episoden beurteilen, welcher Grad der Behinderung hier festzustellen ist oder aber ist bei diesen komplexen medizinischen Zusammenhängen für die diesbezügliche Beurteilung die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich?"
Damit hat der Kläger aber bereits keine hinreichend konkreten Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen. Seine Beschwerde lässt vollständig offen, welche revisiblen Normen hier zur Klärung gestellt werden sollen.
Abgesehen davon zielen die Fragestellungen auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhalten im Kern letztlich Fragen der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung, also ein nach Auffassung des Klägers verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Berufungsgerichts. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG aber nicht zur Zulassung der Revision führen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG ist die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein Beschwerdeführer kann diese gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht erfolgreich dadurch umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 14.2.2020 - B 9 V 41/19 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - juris RdNr 5). Der Kläger zeigt nicht auf, dass es hier um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.
Selbst aber wenn man die vom Kläger formulierten Fragen als Rechtsfragen ansähe, hat er es unterlassen, die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen darzulegen. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; zB BSG Beschluss vom 17.10.2018 - B 9 V 20/18 B - juris RdNr 9 mwN). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2019 - B 9 SB 23/19 B - juris RdNr 9 mwN). Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Soweit es dem Kläger um die Reichweite der gerichtlichen Pflicht zur Amtsaufklärung aus § 103 SGG geht, fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Norm und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG Beschluss vom 16.9.2020 - B 9 SB 6/20 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 12.1.2016 - B 9 SB 76/15 B - juris RdNr 5).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Kaltenstein |
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Ch. Mecke |
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Röhl |
Fundstellen
Dokument-Index HI16129337 |