Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.08.2022; Aktenzeichen L 21 AS 175/22)

SG Dortmund (Entscheidung vom 24.06.2021; Aktenzeichen S 87 AS 411/17)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. August 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten und des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Dies ist hier nicht der Fall. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, weil die Klage teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet sei. Soweit die Klage unzulässig sei, hat das LSG gemäß § 153 Abs 2 SGG auf die Begründung des Urteils des SG Bezug genommen. Dieses hat die Klage zum einen insoweit als unzulässig angesehen, als der Kläger nicht eigene Ansprüche, sondern vermeintliche Ansprüche Dritter geltend macht. Dies wirft Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf, weil offenkundig ist, dass im auf Individualrechtsschutz angelegten sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nur eigene Ansprüche geltend gemacht werden können (vgl BSG vom 11.5.1999 - B 11 AL 45/98 R - BSGE 84, 67 [69 f] = SozR 3-4300 § 36 Nr 1 S 4 f = juris RdNr 25 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 9 f; Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 54 RdNr 40); ein Ausnahmefall (vgl zur gewillkürten und zur gesetzlichen Prozessstandschaft Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 11a, 11b mwN; Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 54 RdNr 45) liegt nicht vor, sodass insofern auch kein Verfahrensmangel gegeben ist. Auch soweit das SG, auf das das LSG Bezug nimmt, den Feststellungsantrag wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage als unzulässig angesehen hat, wirft dies keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, da die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage in der Rechtsprechung bereits geklärt sind (vgl zur Subsidiarität der Feststellungsklage etwa BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 21; BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 12; vgl auch BSG vom 2.8.2001 - B 7 AL 18/00 R - SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 63 f zum Feststellungsinteresse; BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 16/06 R - SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11 zur Fortsetzungsfeststellungsklage).

Im Übrigen - so das LSG - sei die Klage unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch aus § 44 SGB X auf Rücknahme des Bescheids vom 7.7.2016 in Gestalt späterer Änderungsbescheide und auf Zahlung weiterer 17,50 Euro monatlich habe; der Beklagte habe den Regelbedarf in gesetzlicher Höhe gewährt; die Voraussetzungen für die Gewährung eines Härtefallmehrbedarfs (§ 21 Abs 6 SGB II) lägen nicht vor. Auch dies wirft Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf, sondern betrifft die Umstände des Einzelfalls.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das LSG die mündliche Verhandlung nach 45 Minuten geschlossen hat. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass eine Begrenzung der Redezeit zulässig war, nachdem hinreichend Zeit zum mündlichen Vortrag bestanden hat. Ebenso zutreffend hat das LSG angenommen, dass sich der Äußerungsanspruch nur auf Ausführungen bezieht, die einen Bezug zur streitgegenständlichen Sache haben (vgl Höfling/Burkiczak in Höfling/Augsberg/Rixen, Berliner Komm zum GG, Art 103 RdNr 66 mwN, Stand April 2009; Radtke in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art 103 RdNr 16, Stand 15.8.2022; Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art 103 RdNr 76 mwN, Stand November 2018; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 112 RdNr 7a). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gibt dem Einzelnen nicht das Recht, vor Gericht auch solche Dinge zur Sprache zu bringen, die auch vom Standpunkt eines Unbeteiligten aus "neben der Sache" liegen (BVerwG vom 6.7.1966 - V C 80.64 - BVerwGE 24, 264 [268] = Buchholz 310 § 138 Ziff 3 VwGO Rechtl Gehör Nr 16 = juris RdNr 20). Der Kläger hat die mündliche Verhandlung im Übrigen vor deren Beendigung aus eigenem Entschluss verlassen.

Von vornherein keinen mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbaren Verfahrensmangel kann im vorliegenden Fall der Umstand darstellen, dass das LSG im Vorfeld der mündlichen Verhandlung einen Terminverlegungsantrag des Klägers abgelehnt hat. Denn der Kläger hat an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und dort keine Vertagung oder einen Schriftsatznachlass beantragt; dies aber ist notwendig, um insofern eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen zu können (BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 36-37; BSG vom 10.3.2022 - B 11 AL 64/21 B - juris RdNr 5 mwN). Entsprechendes gilt für die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung einer Reisekostenentschädigung. Schon weil der Kläger zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, begründet die Ablehnung des Antrags keine Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl zu den Maßstäben BSG vom 4.3.2021 - B 4 AS 308/20 B - juris RdNr 6 f; BSG vom 3.1.2022 - B 1 KR 45/21 B - juris RdNr 7 f).

Meßling

B. Schmidt

Burkiczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15641166

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