Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 04.11.2020; Aktenzeichen S 15 U 106/19) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.09.2021; Aktenzeichen L 2 U 244/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit noch über einen Anspruch des Klägers auf Fortgewährung von Übergangsgeld.
Die hierauf gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 4.11.2020). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6.9.2021).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und im Übrigen das Vorliegen von Verfahrensmängeln.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht formgerecht dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Der Kläger hat bereits den vom LSG festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) und die maßgebliche Verfahrensgeschichte nicht dargestellt. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. Denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde die entscheidungserheblichen Tatsachen aus der angegriffenen Entscheidung selbst herauszusuchen. Vielmehr muss die maßgebliche Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdebegründung das BSG in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Beschwerdevortrags ein vollständiges Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 23.3.2022 - B 2 U 197/21 B; BSG Beschluss vom 4.1.2022 - B 9 V 22/21 B - juris RdNr 6 mwN; BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21, juris RdNr 3; BVerfG Beschluss vom 24.10.2000 - 1 BvR 1412/99 - SozR 3-1500 § 160a Nr 31 S 61, juris RdNr 9 mwN). Diesen Anforderungen genügt der alleinige pauschale Verweis auf das gesamte instanzliche Vorbringen und auf den Inhalt der Verwaltungsakte nicht.
2. Unabhängig davon genügt die Beschwerdebegründung aber auch im Weiteren nicht den gesetzlichen Formerfordernissen der geltend gemachten Zulassungsgründe.
a) Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit, also Entscheidungserheblichkeit, sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, sog Breitenwirkung, darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B; BSG Beschluss vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 4.1.2022 - B 9 V 22/21 B - juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Beschwerdebegründung kann sinngemäß noch die Frage entnommen werden,
"ob Übergangsgeld für eine als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligte Maßnahme auch im Zeitraum zwischen der Beendigung des Unterrichts und der Ablegung der Abschlussprüfung (einschließlich Wiederholungen) zu gewähren ist".
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend eine bestimmte abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) formuliert hat. Denn unbeschadet der bloßen Behauptung der Breitenwirkung enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage. So ist eine Rechtsfrage etwa dann klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B; BSG Beschluss vom 27.1.2022 - B 12 R 22/21 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 19, juris RdNr 3). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie enthält keinerlei Vortrag zu der maßgeblichen Rechtsprechung, die sich mit der Auslegung der Normen über die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Kontext der Gewährung von Übergangsgeld (§ 49 iVm § 35 SGB VII) auseinandersetzt. Es wird nicht einmal behauptet, dass die aufgeworfene Frage noch nicht beantwortet sei. Der Kläger wendet sich mit seinem Vortrag gegen die seiner Auffassung widersprechende Rechtsauslegung der Vorinstanzen. Dass er die Entscheidung des LSG für falsch hält, weil dieses das Recht falsch angewendet habe, geht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus (vgl BSG Beschluss vom 23.3.2022 - B 2 U 197/21 B; BSG Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 15.4.1981 - 1 BA 23/81 - SozR 1500 § 160 Nr 44 S 42, juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 28.7.1975 - 8 BU 6/75, 8 RU 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 9 S 12, juris RdNr 2).
Zudem wird auch die Klärungsfähigkeit der Frage nicht näher dargelegt. Soweit aus der Beschwerdebegründung ersichtlich, soll im Hauptverfahren die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsbescheides über die Bewilligung von Übergangsgeld streitgegenständlich sein. Es hätte daher zur Überprüfung der Klärungsfähigkeit einer substantiierten Darlegung der Tatsachenfeststellungen des LSG und daran anknüpfend der weiteren Aufhebungsvoraussetzungen bedurft; ferner der Darlegung, dass diese nicht erfüllt sind und die Entscheidung mithin auf einer fehlerhaften Rechtsauslegung beruht. Diesen Erfordernissen genügt der pauschale und bruchstückhafte Vortrag, die Voraussetzungen des § 48 SGB X hätten nicht vorgelegen und dem Kläger sei ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten nicht vorzuwerfen, nicht. Vielmehr hätte sich die Beschwerdebegründung konkret damit befassen müssen, wieso hiervon ausgehend das im Raum stehende Übergangsgeld dennoch zu gewähren gewesen wäre.
b) Auch der sinngemäß gerügte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ist nicht substantiiert bezeichnet.
Diese Rüge erfordert, dass die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnet, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergibt, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigt, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angibt und (5.) erläutert, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B; BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger bezeichnet bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag, den er im Verfahren vor dem LSG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat. Der förmliche Beweisantrag hat Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung signalisieren, dass ein Beteiligter die gerichtliche Aufklärungspflicht noch für defizitär hält (stRspr; zB BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B; BSG Beschluss vom 14.7.2021 - B 6 KA 42/20 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Der Kläger trägt nicht einmal vor, überhaupt einen prozessrechtlich relevanten Beweisantrag gestellt zu haben. Die Beschwerdebegründung führt allein die Benennung von Zeugen an, wobei völlig offen bleibt, in welchem Stadium des Verfahrens dies erfolgt und welcher Art diese Benennung gewesen sein soll (vgl zur Abgrenzung eines Beweisantrags von einer unbeachtlichen Beweisanregung BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20, juris RdNr 4).
3. Soweit der Kläger wegen fehlender Verwertung von Hinweisen auch eine verfahrensfehlerhafte Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) rügt, ist diese Rüge einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ausdrücklich entzogen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG.
5. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, 169 Satz 2 und 3 SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Roos Hüttmann-Stoll Karl
Fundstellen
Dokument-Index HI15203343 |