Verfahrensgang
SG Osnabrück (Entscheidung vom 14.09.2016; Aktenzeichen S 1 R 471/14) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 30.05.2018; Aktenzeichen L 1 R 534/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat diesen im Berufungsverfahren verneint und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen (Urteil vom 30.5.2018).
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie rügt Divergenz zwischen zwei Entscheidungen des BSG und der Entscheidung des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und macht einen Verfahrensmangel in der Gestalt der ihrer Ansicht nach unzureichenden Würdigung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der beiden von ihr benannten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Die Darlegungen der Klägerin in der Beschwerdeschrift zum Zulassungsgrund der Divergenz entsprechen nicht den Anforderungen an die Begründung einer derartigen Rüge.
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, also das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - Juris RdNr 6).
Diese Anforderungen werden vorliegend von der Klägerin bereits deshalb nicht erfüllt, weil in der Beschwerdebegründung kein Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG herausgearbeitet wird, der von einem Rechtssatz aus einem Urteil des BSG abweichen könnte. Die Klägerin führt lediglich aus, das LSG Niedersachsen-Bremen habe mit Schriftsatz vom 26.9.2017 mitgeteilt, das Antragsrecht sei verbraucht, "da erstinstanzlich bereits (e)in Gutachten nach § 109 SGG eingeholt worden sei". Sie legt jedoch nicht dar, dass das LSG diesen Rechtssatz in der im März 2018 folgenden Entscheidung wiederholt hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, denn nur, wenn das LSG einen eigenen, von dem aus einer Entscheidung des BSG abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat, kommt das Vorliegen von Divergenz in Betracht. Auch legt sie nicht dar, von welchem Rechtssatz des BSG der zitierte Satz des LSG abweichen soll. Sie verweist nur darauf, dass das LSG damit von Entscheidungen des BSG abweiche (Beschlüsse vom 17.3.2010 - B 3 P 33/09 B - und vom 6.5.1958 - 10 RV 813/56 - SozR Nr 18 zu § 109 SGG). Was genau das BSG dort formuliert hat, berichtet die Klägerin nicht. Ein Blick in die Entscheidungen zeigt jedoch, dass dies auch nicht zielführend gewesen wäre. Denn in der Entscheidung des 3. Senats befasst sich dieser mit der Frage, ob auch Nichtmediziner als Sachverständige nach § 109 SGG benannt werden können und führt in diesem Zusammenhang aus, das Antragsrecht gemäß § 109 SGG umfasse … jedenfalls keine weiteren Berufsgruppen …, sodass das LSG diesem Beweisantrag - unbeschadet des Verbrauchs in erster Instanz - gar nicht hätte entsprechen dürfen (BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 3 P 33/09 B - Juris RdNr 12). Zum Verbrauch des Antragsrechts durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG in der ersten Instanz hat sich der 3. Senat des BSG in der benannten Entscheidung mithin nicht verhalten. Auch der von der Klägerin zitierte 10. Senat hat sich nicht für das von ihr behauptete Recht auf grenzenlose Erneuerung eines Antrags nach § 109 SGG in der zweiten Instanz, bei Rückgriff hierauf bereits in der ersten Instanz, ausgesprochen. Er führt zwar aus, dass vielerlei Fälle denkbar seien, die es rechtfertigten, einen derartigen Antrag in der zweiten Instanz zu wiederholen, macht dies allerdings von dem Vorliegen besonderer Umstände abhängig (BSG Beschluss vom 6.5.1958 - 10 RV 813/56 - SozR Nr 18 zu § 109 SGG - Juris RdNr 5, 6).
2. Soweit die Klägerin darüber hinaus einen Verfahrensfehler des LSG rügt, wendet sie sich im Kern gegen die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Urteils. Hierauf kann die Beschwerde jedoch nicht zulässig gestützt werden. Ebenso wenig lässt sich die Beschwerde auf die von der Klägerin formulierte fehlerhafte Beweiswürdigung (Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG) des LSG gründen. Dies wird durch § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG ausdrücklich ausgeschlossen (BSG Beschluss vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13372203 |