Verfahrensgang

SG Dresden (Entscheidung vom 02.11.2017; Aktenzeichen S 11 KA 135/14)

Sächsisches LSG (Urteil vom 16.06.2021; Aktenzeichen L 1 KA 22/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6381,52 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für das Quartal 3/2013.

Die Klägerin ist Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Im streitgegenständlichen Zeitraum unterhielt das MVZ Standorte in C und F. Am Sitz des MVZ in C beschäftigte die Klägerin zwei Allgemeinmediziner, einen Chirurgen und einen fachärztlich tätigen Internisten. Am Sitz des MVZ in F war ein weiterer Chirurg tätig.

Der Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (HVM; idF des Beschlusses vom 22.5.2013, Beilage zu KVS-Mitteilungen 6/2013) sah für das streitgegenständliche Quartal die arztbezogene Zuweisung von Regelleistungsvolumina (RLV) vor (s § 87b Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes - GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Die RLV von Ärzten derselben oder einer verrechnungsfähigen Vergleichsgruppe waren zusammenzufassen (§ 9 Abs 4 UAbs 4 HVM). Auf das RLV war ein Zuschlag zu gewähren von 10 % für Ärzte in vergleichsgruppengleichen Kooperationen und in Höhe des jeweiligen, auf ganze Prozentwerte aufgerundeten Kooperationsgrades, mindestens jedoch in Höhe von 5 % und höchstens in Höhe von 10 %, für Ärzte in vergleichsgruppenübergreifenden Kooperationen. Abweichend hiervon war für Ärzte in standortübergreifenden Kooperationen stets nur ein Zuschlag in Höhe des auf ganze Prozentwerte aufgerundeten Kooperationsgrades zu berücksichtigen, höchstens in Höhe von 10 % (§ 9 Abs 4 UAbs 7 und 8 HVM).

Die Beklagte wies der Klägerin für das streitgegenständliche Quartal für jeden Arzt gesonderte RLV zu, für die Allgemeinmediziner und die Chirurgen jeweils zusammengefasst zu einer Verrechnungsgruppe (Mitteilung vom 9.1.2014). Ausgehend von einem Kooperationsgrad von 1,28 % berücksichtigte die Beklagte dabei jeweils einen Kooperationszuschlag von 2 %. Bei der auf dieser Grundlage erfolgten Honorarfestsetzung (Bescheid vom 27.1.2014; Widerspruchsbescheid vom 16.4.2014) verrechnete sie nicht den nicht ausgeschöpften Teil des RLV der Verrechnungsgruppe der Allgemeinmediziner mit der Überschreitung des RLV durch die Verrechnungsgruppe der Chirurgen bzw durch den Internisten und vergütete deren Leistungen daher zT nur quotiert. Klage und Berufung, mit denen die Klägerin zuletzt einen Zuschlag von insgesamt 10 % auf die RLV der Allgemeinmediziner, einen Zuschlag von insgesamt 5 % auf die RLV der Chirurgen und eine Verrechnung der RLV aller Ärzte begehrt hat, sind erfolglos geblieben (SG Gerichtsbescheid vom 2.11.2017; LSG Urteil vom 16.6.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die Honorarfestsetzung ausgehend vom HVM (§ 9 Abs 4 Satz 11) bei allen Ärzten des MVZ auf der Basis eines Zuschlags von lediglich 2 % für ein standortübergreifendes MVZ nicht zu beanstanden sei. Die entsprechenden Bestimmungen des HVM seien auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Eine Verletzung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei nicht festzustellen. Eine Verrechnung von Honorarvolumina zwischen Hausärzten und Fachärzten innerhalb eines MVZ komme ebenfalls nicht in Betracht.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie hat in ihrer Beschwerdebegründung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfG Beschluss vom 14.6.1994 - 1 BvR 1022/88 - BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f; BSG Beschluss vom 12.9.2018 - B 6 KA 12/18 B - juris RdNr 5) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern die mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu dieser Anforderung vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Zudem muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen (vgl BSG Beschluss vom 19.7.2017 - B 6 KA 6/17 B - juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14d); eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.1994 - 2 BvR 2079/93 - DVBl 1995, 35 = juris RdNr 15). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s zB BVerfG Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14). Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Erfordernissen nicht.

Soweit die Klägerin fragt,

ob den in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bzw einem MVZ tätigen Ärzten RLV-Zuschläge zugewiesen werden dürfen, die so niedrig sind, dass sie bei typisierender Betrachtungsweise die durch die strukturbedingten Fallzählungsverluste entstandenen Nachteile nicht ausgleichen,

ist die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragestellung schon nicht ausreichend dargetan. Dem Beschwerdevortrag nach habe das LSG das Urteil des BSG (vom 16.5.2018 - B 6 KA 15/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 26) unzutreffend auf den Fall der Klägerin angewandt. Hierzu führt sie aus, dass "das genaue Gegenteil" richtig sei (S 8 der Beschwerdebegründung). Die Klägerin hält es demnach für fehlerhaft, dass Fallzählungsverluste nicht komplett kompensiert wurden und sich das LSG hierfür auf die genannte Entscheidung des BSG berufen hat. Dort hat das BSG entschieden, dass der Zuschlag auf das RLV für kooperative Einrichtungen nicht ausschließlich der Kompensation von Fallzählungsverlusten dient, sondern der darüber hinausgehenden Förderung der kooperativen Berufsausübung im Versorgungsinteresse der Versicherten (BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 15/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 24 ff, 27). Die vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung stellt aber keinen der abschließend genannten Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG dar. Vielmehr hätte die Klägerin unter Auseinandersetzung mit der von ihr zitierten Rechtsprechung des BSG darlegen müssen, weshalb sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Frage aus dieser Entscheidung entnehmen lassen. Dies gilt umso mehr, wenn nach dem Beschwerdevortrag und nach den Feststellungen des LSG im Fall der Klägerin Fallzählungsverluste reduziert wurden, indem auch Arztfallzahlen berücksichtigt wurden, in denen ausschließlich QZV-relevante Leistungen bzw die Pseudo-Ziffer 99990 zur Abrechnung gelangten (S 8 der Beschwerdebegründung). Anstelle dessen erläutert die Klägerin lediglich ihre eigene Rechtsansicht, dass eine völlige Nichtberücksichtigung der Zählverluste nach dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten unzulässig sei.

Soweit die Klägerin fragt,

ob Ärzten einer überörtlichen BAG bzw eines überörtlichen MVZ, die an demselben Praxisstandort tätig sind, ein niedrigerer RLV-Zuschlag zugewiesen werden darf als Ärzten, die - bei ansonsten gleicher Konstellation - in einer örtlichen BAG bzw in einem örtlichen MVZ tätig sind,

ist ebenfalls die Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargetan. Die Klägerin setzt sich auch hier nicht ausreichend mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats auseinander. Die Darlegungen der Klägerin gehen von der Prämisse aus, dass die gewährten RLV-Zuschläge vorrangig der Kompensation von Fallzählungsverlusten dienen (S 10 der Beschwerdebegründung). Diese Ausführungen berücksichtigen nicht hinreichend die oben genannte Entscheidung des Senats, dass - wie vom LSG zitiert - die Förderung der kooperativen Berufsausübung auch im Versorgungsinteresse der Versicherten liegt (BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 15/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 24 ff, 28) und dass im Übrigen keine Verpflichtung der KÄV besteht, jede Kooperationsform in die Förderung einzubeziehen (vgl BSG Urteil vom 17.3.2021 - B 6 KA 32/19 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 27 RdNr 31). Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung findet in der Beschwerdebegründung zu der aufgeworfenen Frage nicht statt. Die Klägerin setzt ihr eigenes Konzept eines günstigeren Honorarverteilungsmaßstabes der Entscheidung des LSG entgegen (Seite 10 bis 13 Beschwerdebegründung).

Soweit sich die Klägerin für ihre Argumentation auf eine Ungleichbehandlung bzw Benachteiligung sowohl gegenüber Einzelpraxen und Praxisgemeinschaften als auch gegenüber örtlichen BAG/MVZ beruft und damit sinngemäß eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG) geltend macht, hat sie auch keinen Revisionszulassungsgrund dargelegt. Bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere der des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschluss vom 16.5.2001 - B 6 KA 72/00 B; BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - juris). Entsprechende Ausführungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

Soweit die Klägerin fragt,

ob es zulässig ist, dass den in einer BAG bzw in einem MVZ tätigen Ärzten RLV arztbezogen zugewiesen werden dürfen, ohne dass Unterschreitungen des RLV durch einzelne Ärzte mit Überschreitungen des RLV durch andere Ärzte verrechnet werden dürfen, sofern die beteiligten Ärzte unterschiedlichen Fachgruppen angehören,

fehlt es schließlich sowohl an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit als auch der Klärungsfähigkeit. Die Frage ist zu allgemein formuliert, um sie im angestrebten Revisionsverfahren eindeutig beantworten zu können. Im Kern will die Klägerin damit die Verrechnungsmöglichkeit von Honorarvolumina zwischen Hausärzten und Fachärzten innerhalb eines MVZ klären lassen, die das LSG auf der Grundlage von § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V verneint hat (idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, zuvor § 85 Abs 4 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1999, BGBl I 2626, vgl auch BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 6 KA 67/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 24 RdNr 16). Die Klägerin setzt aber auch insoweit lediglich ihre eigene Rechtsansicht der des LSG entgegen und endet damit, dass die Entscheidungen des BSG (Urteile vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 und vom 24.1.2018 - B 6 KA 23/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 16) den "von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen daher nicht entgegen"-stehen (S 14 der Beschwerdegründung). Dieser Vortrag ist nicht ausreichend, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache unter Auseinandersetzung mit bereits vorhandener und von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG aufzuzeigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 3 GKG und entspricht der Festsetzung des LSG.

Oppermann

Rademacker

Loose

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15343728

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