Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Zulässigkeit der Revision. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Verfahrensmangel
Orientierungssatz
1. Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 = SozR 1500 § 160a Nr 13), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - RdNr 7).
2. Nach § 128 Abs 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Hiervon geht auch § 153 Abs 2 SGG aus. Danach muss aus den Entscheidungsgründen - und sei es auch durch Bezugnahme - bloß ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 = SozR 1500 § 62 Nr 16).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
SG Speyer (Gerichtsbescheid vom 16.07.2012; Aktenzeichen S 7 KR 437/10) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.04.2013; Aktenzeichen L 5 KR 217/12) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2013 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt W., N., beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, von der Beklagten ua künftig Hippotherapie und in der Vergangenheit hierfür angefallene Kosten sowie für Anträge aufgewandte Schreib- und Kommunikationskosten erstattet zu erhalten, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat unter Bezug auf die Entscheidung des SG zur Begründung ua ausgeführt: Die Klägerin habe nach ständiger Rechtsprechung ua keinen Anspruch auf Hippotherapie und die geltend gemachte Kostenerstattung. Die Voraussetzungen der von der Klägerin genannten Anspruchsgrundlagen für die Erstattung von Schreib- und Kommunikationskosten seien nicht erfüllt (Urteil vom 11.4.2013).
Mit der Beschwerde, für die sie Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. begehrt, wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Der erkennende Senat hat das Verfahren auf Gewährung von PKH und das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Entscheidung über Ansprüche auf Behandlungspflege nebst Zinsansprüchen abgetrennt und an den sachlich zuständigen 3. Senat abgegeben (Beschluss vom 4.7.2013).
II. 1. Der Antrag der Klägerin, ihr PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. für die von ihm eingelegte und begründete Beschwerde zu gewähren, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nämlich unzulässig (dazu 2.).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG.
a) Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.
Die Klägerin formuliert zu den insoweit allein noch betroffenen Ansprüchen bezüglich Hippotherapie sowie Schreib- bzw Kommunikationskosten schon keine hinreichend klaren Rechtsfragen. Soweit ihrem Vorbringen sinngemäß die Frage zu entnehmen ist, ob Hippotherapie als Leistung zur Teilhabe dem Rechtskreis des SGB IX zuzuordnen ist, zeigt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit nicht auf. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - RdNr 7). Die Klägerin legt nicht dar, dass nach der zu § 11 SGB V und § 7 SGB IX ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 43 Nr 2 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 23-25 mwN; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 17 f; BSG Beschluss vom 20.7.2005 - B 1 KR 39/05 B - Juris RdNr 7; BSGE 91, 60, 63 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; zur fehlenden Anerkennung der Hippotherapie vgl BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 RdNr 21 ff) noch Klärungsbedarf verbleibt. Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass die Klägerin auch die Entscheidungserheblichkeit der sinngemäß aufgeworfenen Rechtsfrage nicht näher darlegt.
Soweit die Klägerin für die Erstattung von Schreib- und Kommunikationskosten auf die Vorschriften des § 17 SGB I und des § 8 Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (LGGBehM) vom 16.12.2002 (GVBl 481) verweist, zeigt sie keinerlei Klärungsbedarf auf. Sie legt auch die Entscheidungserheblichkeit dieser Regelungen nicht dar, insbesondere nicht, dass und warum das Revisionsgericht von der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen auszugehen habe. Zur zitierten landesrechtlichen Norm macht sie überdies nicht deutlich, wieso es um revisibles Recht geht, das einer Überprüfung im Revisionsverfahren zugänglich ist (vgl BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 74/12 B - Juris RdNr 5).
b) Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG und hierzu zB BSG Beschluss vom 10.8.2007 - B 1 KR 58/07 B - Juris RdNr 4 mwN).
Die Klägerin rügt, der Entscheidung des LSG fehle es an einer eigenständigen, bei neuem Berufungsvortrag erforderlichen Begründung (Hinweis auf Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer/ ders, SGG, 10. Aufl 2012, § 153 RdNr 7 mwN). Es habe bloß auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG Bezug genommen, ohne auf ihren neuen Vortrag in der Berufung einzugehen, dass "die Entscheidungen einen behinderten Menschen grundrechtswidrig benachteiligen". Die Klägerin bezeichnet damit nicht schlüssig einen Verstoß gegen die aus § 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG folgende Begründungspflicht. Die von ihr mit der Kommentarstelle mittelbar zitierten Entscheidungen ziehen die allgemeinen Grundsätze der Begründungspflichten von Urteilen nicht in Zweifel, sondern ergänzen sie. Der bloße pauschale Hinweis in einer Berufungsbegründung auf eine vermeintlich grundrechtswidrige Benachteiligung eines behinderten Menschen nötigt das Berufungsgericht nicht, in den Entscheidungsgründen seines Berufungsurteils hierauf einzugehen. Gerichte überprüfen stets bei ihren Entscheidungen, ob eine grundrechtswidrige Benachteiligung droht, ohne dass sie dies noch besonders erwähnen müssten. Nach § 128 Abs 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Hiervon geht auch § 153 Abs 2 SGG aus. Danach muss aus den Entscheidungsgründen - und sei es auch durch Bezugnahme - bloß ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen