Verfahrensgang
SG Würzburg (Entscheidung vom 19.03.2020; Aktenzeichen S 3 R 876/17) |
Bayerisches LSG (Beschluss vom 15.09.2021; Aktenzeichen L 19 R 228/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. September 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die am 20.11.1965 geborene Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Sie beantragte die Rente am 16.3.2017, nachdem sie bereits 2011 einen erfolglosen Rentenantrag gestellt hatte. Die Beklagte lehnte den erneuten Rentenantrag ab (Bescheid vom 19.7.2017; Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017). Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen, nachdem es Befundberichte und zwei Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eingeholt hatte, eines davon auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG beim Nervenarzt D (Urteil vom 19.3.2020). Die Klägerin hat in dem daraufhin angestrengten Berufungsverfahren die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG beantragt und zunächst den Psychologen und Psychiater S benannt. Nach dessen Mitteilung, einen Begutachtungstermin erst in 18 Monaten vergeben zu können, hat das LSG die übersandten Akten zurückgefordert. Von einer Beauftragung des von der Klägerin sodann benannten Allgemeinmediziners F hat es abgesehen, nachdem dieser mitgeteilt hatte, mit der Gutachtenerstellung erst zwölf Monate nach Erteilung des Gutachtenauftrags beginnen zu können. Das LSG, das weitere Befundberichte eingeholt hatte, hat die Berufung nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 15.9.2021 zurückgewiesen. Es habe sich nicht nachweisen lassen, dass die Klägerin teilweise oder sogar voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 SGB VI sei. Das ergebe sich aus den im Verfahren eingeholten Gutachten. Darin werde der Klägerin ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen mit lediglich qualitativen Einschränkungen attestiert. Dem Gutachten des Sachverständigen D, der als einziger von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehe, könne nicht gefolgt werden. Anlass zu weiteren Ermittlungen bestehe nicht. Dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag der Klägerin nach § 109 SGG sei nicht stattzugeben gewesen, weil selbst die mit einer Begutachtung durch F verbundene zeitliche Verzögerung des Rechtsstreits unangemessen sei. Die Klägerin erleide hierdurch keinen erheblichen Nachteil, zumal bereits im erstinstanzlichen Verfahren der von ihr benannte D gehört worden sei.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 7.12.2021 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.
a) Die Klägerin legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht anforderungsgerecht dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde mit diesem Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Die Beschwerdebegründung vom 7.12.2021 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert darin die Frage,
"ob die Erkrankung an einem Chronic Fatigue-Syndrom zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI oder gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI führen kann."
Es sei dahingestellt, ob die Klägerin damit trotz des starken Einzelfallbezugs eine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen aufwirft, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5, jeweils mwN). Sie legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar.
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Hierin wird zwar die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfene Rechtsfrage behauptet. Die Klägerin, die 2010 eine Hantavirus-Infektion hatte, bringt hierzu vor, seit ihrem ersten Rentenantrag hätten sich die medizinischen Erkenntnisse zu den Folgen einer solchen Infektion verbessert. Bei ihr sei inzwischen ein Chronisches Müdigkeitssyndrom (Chronic Fatigue-Syndrom) diagnostiziert worden. Die entsprechenden Erkenntnisse würde sich bislang erst einem sehr kleinen Kreis von Experten erschließen. Die "Standardgutachter" in den gerichtlichen Verfahren würden sich mit diesem Krankheitsbild in der Regel nicht hinreichend auseinandersetzen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass sie es bei der Diagnosestellung angemessen berücksichtigen würden. Ebenso wenig sei erkennbar, dass bei der gesicherten Diagnose eines Chronischen Erschöpfungssyndroms allein deswegen ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen werde, während bei anderen Erkrankungen bereits aufgrund der Diagnosestellung feststehe, dass eine Erwerbstätigkeit nicht länger möglich sei. Die Klägerin legt jedoch nicht dar, dass sich die aufgeworfene Frage weder aus § 43 SGB VI noch anhand der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lasse. Sie zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern es in Zweifel stehen könnte, ein Chronisches Erschöpfungssyndrom (ICD-10 WHO Schlüssel: G93.3) als Ursache einer Erwerbsminderung in Betracht zu ziehen, wenn nach § 43 Abs 1 Satz 2 bzw Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte erwerbsgemindert sind, deren Leistungsfähigkeit "wegen Krankheit oder Behinderung" im relevanten Umfang herabgesunken ist. Ebenso wenig setzt die Klägerin sich mit der ständigen Rechtsprechung des BSG auseinander, wonach es dabei nicht nur auf eine Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden ankommt, sondern auf den negativen Einfluss von dauerhaften Gesundheitsstörungen auf das verbliebene Leistungsvermögen (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 9.9.2021 - B 5 R 149/21 B - juris RdNr 10 mwN).
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Vorbringen, abgesehen vom Sachverständigen D habe keiner der Sachverständigen sich ausführlich mit dem Chronischen Erschöpfungssyndrom auseinandergesetzt, letztlich gegen die Beweiswürdigung des LSG. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
b) In der Beschwerdebegründung wird auch kein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG anforderungsgerecht bezeichnet (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen zB BSG Beschluss vom 30.11.2021 - B 5 R 209/21 B - juris RdNr 5). Die Klägerin rügt die "Rücknahme" der Beweisanordnung und Rückforderung der Akten bei Herrn S als unzulässig. Da sie keine Aufhebung der Beweisanordnung erhalten habe, müsse zudem davon ausgegangen werden, dass diese fortgelte. Es sei dahingestellt, ob das LSG nicht zumindest Herrn F gutachtlich hätte hören müssen (vgl zur Ablehnung eines Antrags nach § 109 SGG bei zu erwartender unvertretbar langer Zeit bis zur Gutachtenerstellung den Überblick bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 109 RdNr 5b). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel jedenfalls nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden. Soweit die Klägerin vorbringt, der Verfahrensmangel sei nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG zurückzuführen, weil das LSG mit dem Erlass der Beweisanordnung ihrem Antrag nach § 109 SGG bereits gefolgt sei, ist schon kein Verfahrensmangel bezeichnet. Die Klägerin führt nicht an, gegen welche andere Verfahrensvorschrift das LSG verstoßen haben könnte.
Sofern sie damit eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungsplicht (§ 103 Satz 1 SGG) rügen will, wäre auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet (vgl zu den Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge zB BSG Beschluss vom 9.9.2021 - B 5 R 102/21 B - juris RdNr 8). Die Klägerin benennt schon keinen auf ihre Leistungseinschränkungen bezogenen und bis zum Schluss angebrachten Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Die Beschwerdebegründung enthält hierzu nichts. Das Gleiche gilt für das Vorbringen, es hätten "erhebliche weitere Ermittlungen" angestellt werden müssen, falls die Klägerin auch damit eine Sachaufklärungsrüge erheben will.
Indem die Klägerin vorbringt, sie halte den Beschluss des LSG für falsch, macht sie die inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend. Damit kann eine Revisionszulassung nicht erreicht werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15073927 |