Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.06.2017; Aktenzeichen L 4 KR 773/15)

SG Konstanz (Entscheidung vom 15.01.2015; Aktenzeichen S 10 KR 756/12)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Kostenerstattung von 2900 Euro für fünf 2011/2012 in der H. Klinik für ganzheitliche immunbiologische Therapie, B. M., stationär durchgeführte immunbiologische Behandlungen mit Heilfiebertherapie zur weiteren Behandlung eines voroperierten kolorektalen Karzinoms bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, ein Anspruch auf Kostenerstattung scheitere daran, dass bei der ersten Behandlung vor der Leistungsablehnung der Beklagten keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen habe (§ 13 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB V). Es habe bei den späteren Behandlungen an der erforderlichen Kausalität zwischen Kostenentstehung und ablehnender Haltung der Beklagten gefehlt (§ 13 Abs 3 S 1 Halbs 2 SGB V). Außerdem habe die Klägerin keinen Naturalleistungsanspruch auf die durchgeführte Behandlung gehabt. Qualität und Wirksamkeit der angewandten Heilfiebertherapie seien nicht belegt, die Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsausweitung nicht erfüllt. Als kurative Standardtherapie sei eine Vollwandexzision und bei Stadium pT2 eine adjuvante Radiochemotherapie zumutbar, eine möglicherweise eintretende Inkontinenz mit einem anus praeter behandelbar gewesen (Urteil vom 23.6.2017).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.

Sie formuliert zwar als Rechtsfrage,

"ob eine schulmedizinische Behandlung zumutbar ist und einen Anspruch auf Übernahme von alternativen Heilbehandlungen ausschließt, wenn die schulmedizinische Behandlung im Falle des Erfolges mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen verbunden ist, die maßgeblich die Lebensqualität mindern, wenn alternative Behandlungen dagegen im Erfolgsfall zu einer vollständigen Wiederherstellung im Sinne einer uneingeschränkten Gesundung führen".

a) Es fehlen aber Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage. Die Klägerin legt nicht dar, warum sich das Revisionsgericht im Fall einer Zulassung der Revision mit dieser Frage überhaupt befassen müsste. Denn das LSG hat seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass ein Kostenerstattungsanspruch ausscheide, weil bei der Beschaffung vor Ablehnung keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen habe (§ 13 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB V) und es bei den späteren Beschaffungen an der erforderlichen Kausalität zwischen Kostenentstehung und ablehnender Haltung der Beklagten fehle (§ 13 Abs 3 S 1 Halbs 2 SGB V).

b) Die Klägerin legt auch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht in der gebotenen Weise dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn das BSG die Rechtsfrage zwar nicht unter den dort aufgeworfenen Aspekten ausdrücklich behandelt hat, aber deren Beantwortung einerseits nach der klaren Rechtslage nicht ernsthaft in Zweifel steht (vgl auch BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - Juris RdNr 7) und verbleibende Restzweifel andererseits aufgrund der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rspr im Ergebnis jedenfalls bereits ausgeräumt sind, sodass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl BSG Beschluss vom 28.3.2017 - B 1 KR 66/16 B - Juris RdNr 7). Die Klägerin setzt sich nicht damit auseinander, warum trotz der Rspr des erkennenden Senats weiterer Klärungsbedarf bestehen soll (vgl zB BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 9 RdNr 16; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN). Danach ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen einer schulmedizinischen Behandlungsmethode und einer alternativen Behandlungsmethode geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen. Die Klägerin legt nicht dar, wieso noch Klärungsbedarf besteht, ob Versicherte nach diesem Maßstab eine Therapie, deren Qualität und Wirksamkeit nicht belegt ist, anstelle einer Standardtherapie mit wahrscheinlicher Heilung und möglicherweise eintretender, durch anus praeter behandelbarer Inkontinenz bei einer unbehandelt tödlich verlaufenden Erkrankung beanspruchen können.

Soweit die Klägerin sinngemäß zudem einen Grundrechtsverstoß als grundsätzlich bedeutsam rügen will, legt sie den von ihr angenommenen Verfassungsverstoß nicht hinreichend dar. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit von Regelungen oder deren Auslegung beruft, darf sich nicht auf die Benennung der angeblich verletzten Rechte - hier etwa von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und von Art 2 Abs 2 GG - beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rspr des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu muss er den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzeigen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtern und die Verletzung der konkreten Regelung des GG darlegen (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6 mwN). Daran fehlt es völlig.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11576461

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