Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 27.10.2017; Aktenzeichen L 7 AS 498/16)

SG Marburg (Entscheidung vom 12.05.2016; Aktenzeichen S 5 AS 23/14)

 

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Oktober 2017 werden als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG sind als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe haben die Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es wird bereits keine grundsätzlich klärungsbedürftige, abstrakt-generelle Rechtsfrage formuliert, sondern nur geltend gemacht, für die Entscheidung komme "es insbesondere auf die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der besonderen Härte gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II an". Auch insoweit lassen sich weder die gebotene substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen Entscheidungen des BSG zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs noch die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Auslegungsfrage ergeben, der Beschwerdebegründung entnehmen (vgl zu dieser Anforderung BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Hierfür genügt nicht der Hinweis auf Entscheidungen des BSG aus den Jahren 2007 und 2009, weil seither der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Härte in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 Alt 2 SGB II in weiteren Entscheidungen näher konturiert worden ist (vgl nur BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R - juris; BSG vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 22; BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23; BSG vom 18.9.2014 - B 14 AS 58/13 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 24; BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 4/16 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 27; BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 30/16 R - vorgesehen für SozR 4; zuletzt BSG vom 12.10.2017 - B 4 AS 19/16 R - vorgesehen für SozR 4). Dass und warum eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung der in diesen Entscheidungen bereits herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich und zu erwarten ist, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.

Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sich aus ihr nicht ergibt, dass das LSG - nicht genau bezeichneten - Rechtssätzen des BSG (in BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 35/08 R - BSGE 103, 146 = SozR 4-4200 § 12 Nr 14) widersprochen und von diesen abweichende, dh mit diesen unvereinbare rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr wird geltend gemacht, das Urteil des LSG beruhe auf unrichtiger Anwendung von Rechtssätzen des BSG in dieser Entscheidung.

Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit mit der Beschwerde eine unzureichende Sachaufklärung gerügt wird, bezeichnet die Begründung entgegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG schon keinen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein soll. Soweit sich der Beschwerdebegründung die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entnehmen lässt, weil das LSG Hinweise unterlassen habe, fehlt es an Darlegungen dazu, welches zur Beeinflussung der Entscheidung des LSG geeignete zusätzliche Vorbringen der Kläger ihnen hierdurch abgeschnitten worden ist (vgl zu diesem Darlegungserfordernis BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG vom 24.9.2014 - B 9 SB 11/14 B - juris, RdNr 6). Denn die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO), sodass die Möglichkeit einer Beeinflussung der ergangenen Entscheidung durch den Gehörsverstoß gegeben sein muss (BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 169/15 B - juris, RdNr 9). Dies ist mit der Beschwerdebegründung vorzutragen.

Die Verwerfung der Beschwerden erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11773886

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