Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenpflichtiges sozialgerichtliches Verfahren, Streitwertfestsetzung. Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses. Begehren der Verlängerung der abgelaufenen letzten Frist für die Wiederaufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit aus familiären Gründen. Vorgehen gegen Ausspruch der Zulassungsentziehung
Leitsatz (redaktionell)
Besteht die Bedeutung der Sache für einen Vertragsarzt weder darin, wie im Fall einer herkömmlichen Zulassungsentziehung, die Möglichkeit der bisher bereits realisierten Gewinnerzielung auch für die Zukunft zu behalten, noch darin, wie im Fall einer Erstzulassung den begünstigenden Status als Basis künftiger Gewinnerzielung zu erstreiten, sondern will der klagende Arzt den vorhandenen, aber wirtschaftlich noch nicht vollzogenen Zulassungsstatus für einen weiteren Zeitraum aus familiären Gründen in der Schwebe halten, um ihn anschließend nutzen zu können, ist es angemessen und im Sinn einer typisierenden Bestimmung praktikabel, je Quartal der erstrebten Verlängerungszeit für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit – längstens für einen Zeitraum von zwölf Quartalen – den Regelwert von 5.000 EUR zur Bemessung des wirtschaftlichen Interesses und Bestimmung des Streitwerts heranzuziehen.
Normenkette
SGG § 197a Abs. 1 S. 1; GKG § 63 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, §§ 52, 47; SGB V § 95 Abs. 6 S. 1
Tenor
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird vorläufig auf 55.000 € festgesetzt.
Gründe
Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 63 Abs 1 Satz 1 und § 6 Abs 1 Nr 4 Gerichtskostengesetz (GKG) hat das Gericht in Prozessverfahren, für die eine streitwertabhängige Verfahrensgebühr mit Einreichung der Rechtsmittelschrift fällig wird, sogleich den Streitwert vorläufig durch Beschluss festzusetzen.
Der Streitwert ist, solange Anträge noch nicht gestellt sind, auf der Grundlage der durch die vorinstanzliche Entscheidung hervorgerufenen Beschwer des Rechtsmittelführers zu bestimmen (§ 47 Abs 1 GKG). Maßgeblich ist, welche Bedeutung die Sache für ihn hat (§ 52 Abs 1 GKG), dh idR welches wirtschaftliche Interesse er mit der erstrebten Entscheidung verfolgt (vgl BSG SozR 4-1920 § 52 Nr 1 RdNr 3, mwN). Bietet der Sach- und Streitstand für eine solche Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist auf den Regelwert von 5.000 € abzustellen (§ 52 Abs 2 GKG). Zudem wird der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens durch den Streitwert des ersten Rechtszuges der Höhe nach begrenzt, sofern der Streitgegenstand im Verlauf des Verfahrens nicht erweitert wurde (§ 47 Abs 2 GKG).
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist primär das Begehren der bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Klägerin, die am 30. September 2003 abgelaufene letzte Frist für die Aufnahme ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit aus familiären Gründen nochmals bis zum 18. Juni 2006 verlängert zu erhalten. Sofern sie mit diesem Begehren Erfolg hat, weil ihr ein Rechtsanspruch auf Fristverlängerung zusteht, entfällt automatisch die Rechtmäßigkeit der vom Beklagten zugleich ausgesprochenen Zulassungsentziehung wegen nicht rechtzeitiger Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 95 Abs 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch). In dieser besonderen Konstellation sind weder die Grundsätze zur Ermittlung des Streitwerts bei Zulassungsentziehungen (unter Heranziehung der bisher aus der ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit konkret erzielten Gewinne) noch die Prinzipien der Streitwertbemessung bei Klagen auf erstmalige Zulassung (anhand der durchschnittlich erzielbaren Erträge der Fachgruppe des Arztes, vgl zuletzt BSG MedR 2006, 236, 237 mwN) geeignet, das tatsächliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der von ihr erstrebten Revisionsentscheidung zutreffend zu erfassen. Die Bedeutung der Sache besteht für die Klägerin weder darin, wie im Falle einer herkömmlichen Zulassungsentziehung die Möglichkeit der bisher bereits realisierten Gewinnerzielung auch für die Zukunft zu behalten, noch darin, wie im Falle einer Erstzulassung den begünstigenden Status als Basis künftiger Gewinnerzielung zu erstreiten. Die Klägerin will vielmehr den vorhandenen, aber wirtschaftlich noch nicht vollzogenen Zulassungsstatus für einen Zeitraum von weiteren knapp drei Jahren (1. Oktober 2003 bis 18. Juni 2006) in der Schwebe halten, um ihn anschließend nutzen zu können. Bei dieser Sachlage hält es der Senat für angemessen und im Sinne einer typisierenden Bestimmung für praktikabel, je Quartal der erstrebten Verlängerungszeit für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit – in Anlehnung an § 42 Abs 3 Satz 1 GKG aber längstens für einen Zeitraum von zwölf Quartalen – den Regelwert von 5.000 € (vgl § 52 Abs 2 GKG) zur Bemessung des wirtschaftlichen Interesses heranzuziehen. Das ergibt bei einem Verlängerungszeitraum von – gerundet – 11 Quartalen einen vorläufigen Streitwert von 55.000 €.
Fundstellen