Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 19.12.2017; Aktenzeichen S 8 R 1999/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.04.2019; Aktenzeichen L 4 R 122/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. April 2019 (L 4 R 122/18) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat mit Urteil vom 12.4.2019 den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente verneint. Die Revision gegen dieses Urteil hat das LSG nicht zugelassen.
Mit privatschriftlichem Schreiben vom 17.4.2019, das am 25.4.2019 beim BSG eingegangen ist, hat der Kläger "Widerspruch" gegen die Entscheidung des LSG eingelegt. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines noch nicht benannten Prozessbevollmächtigten beantragt.
II
1. Der Senat wertet das Schreiben des Klägers als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a SGG stellt den einzig in Betracht kommenden Rechtsbehelf gegen das von ihm ersichtlich angegriffene Berufungsurteil dar. Den von dem Kläger zugleich gestellten PKH-Antrag legt der Senat entsprechend dahin aus, dass er auf die Bewilligung von PKH für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gerichtet ist.
2. Der so verstandene PKH-Antrag ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde verspricht keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Nach Durchsicht der bei-gezogenen Akten des LSG ist das hier nicht der Fall. Auf diese Durchsicht hat sich die Prüfung durch den Senat konzentriert, weil der Kläger zur Begründung seines Antrags keine Revisions-zulassungsgründe geltend macht. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags des Klägers entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
a) Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich in diesem Rechtsstreit nicht. Insbesondere bedarf es keiner Klärung, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gegeben ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 43 SGB VI) und ist - soweit umstritten gewesen - höchstrichterlich geklärt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE ≪vorgesehen≫ - SozR 4-2600 § 43 Nr 22).
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wäre auch nicht erfolgreich geltend gemacht, wenn entsprechend dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift dargelegt würde, der Kläger sei seit 2007 nicht mehr in der Lage, auch nur drei Stunden zu arbeiten; er sei "schon nach 15 Minuten kaputt". Daraus lässt sich unter keinem Gesichtspunkt eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit des § 43 SGB VI oder einer anderen konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht ableiten. Ebenso wenig erwächst eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage daraus, dass der Kläger äußert, jeder Gutachter habe bisher vom anderen abgeschrieben und keine Untersuchungen durchgeführt, die dazu geführt hätten, sich eine andere Meinung zu bilden. Dass das LSG dem klägerischen Vorbringen zum Leistungsvermögen nicht gefolgt ist und der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unzutreffend hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht.
b) Es ist nach der Aktenlage auch nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.
c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen eine fehlerhafte Amtsermittlung durch das LSG rügen möchte, liegt auch hierin im konkreten Fall kein rügefähiger Verfahrensmangel.
Unabhängig von weiteren Voraussetzungen verlangt § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG insoweit einen bis zuletzt aufrechterhaltenen oder in der Entscheidung wiedergegebenen Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8; stRspr). Zwar gelten diese Anforderungen uneingeschränkt nur, wenn der Beschwerdeführer bereits in der Berufungsinstanz durch einen rechtskundigen und berufsmäßigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5 mwN). War dies - wie hier - nicht der Fall, so kommen zum einen weniger strenge Anforderungen an Form und Inhalt eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags zur Anwendung (BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - juris RdNr 5). Zum anderen wird dann aus dem Fehlen eines in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu Protokoll - bzw in der Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich - aufrechterhaltenen Beweisantrags oder aus einem nach einer Anhörungsmitteilung des LSG nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG nicht wiederholten Beweisantrag nicht stets der Schluss gezogen, dass dieser Beweisantrag bewusst nicht weiterverfolgt werden sollte und daher vom Berufungsgericht als erledigt angesehen werden kann (vgl Senatsbeschluss vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - juris RdNr 7; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7).
Der Umstand, dass ein Beteiligter im Berufungsverfahren nicht durch einen rechtskundigen und berufsmäßigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, führt jedoch nicht dazu, dass die in § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG normierten Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge insgesamt unbeachtlich wären. Deshalb kann auch bei einem solchen Beteiligten nicht darauf verzichtet werden, dass er darlegt, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben; dazu gehört die Angabe, welche konkreten Punkte am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten wurden und welcher Beweismittel sich das Gericht bedienen solle, um die begehrte weitere Aufklärung herbeizuführen (Senatsbeschlüsse vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - juris RdNr 11 und vom 11.2.2015 - B 13 R 300/14 B - juris RdNr 8 ff; s auch BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - juris RdNr 4).
Hierzu fehlt es an jeglichen Ausführungen in der "Widerspruchsschrift" des Klägers. Die Durchsicht der Akten zeigt zudem, dass der Kläger im Berufungsverfahren zu keinem Zeitpunkt auch nur weitere Sachverhaltsermittlungen durch das LSG angeregt hat. Sämtliche medizinischen Ermittlungen sind vom Berufungsgericht von Amts wegen initiiert worden. Soweit der Kläger die vom LSG aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogenen Schlüsse für unzutreffend hält, handelt es sich ebenfalls nicht um einen rügefähigen Mangel, denn insoweit greift er lediglich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an. Hierauf kann die Revision jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht gestützt werden.
3. Die von dem Kläger selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG). Sie ist bereits deswegen unzulässig, weil sie formunwirksam ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG) eingereicht werden. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14113895 |